Die Landräte der zehn Kreise in Sachsen erwarten angesichts des Flüchtlingsansturms vom Freistaat schnelle Änderungen im Umgang mit den Asylbewerbern. Sie reagierten damit auf die Aussagen von Innenminister Markus Ulbig bei einem gemeinsamen Treffen am Mittwoch. Der Kreischef von Nordsachsen, Michael Czupalla, forderte heute stellvertretend für seine neun Amtskollegen von der Staatsregierung eine verbindliche Vereinbarung zu Grundsätzen der Asylunterbringung.
Bessere Organisation und mehr Kommunkation bitte!
Zu diesen Grundsätzen gehören nach Ansicht der Landräte vor allem eine bessere Kommunikation zwischen den Behörden, rechtzeitige Information über Herkunft und Familienstrukturen der aufzunehmenden Flüchtlinge, mehr Geld für Unterkünfte und Versorgung, fachliche Unterstützung beim Einrichten neuer Asylunterkünfte sowie eine deutlich höhere "Rückführungsquote". Asylbewerber aus Serbien, Mazedonien oder dem Kosovo, über deren Anträge kurzfristig entschieden werden kann, sollten gar nicht erst auf die Kreise verteilt werden, sondern gleich in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben.
| Verteilung: Struktur der Aufgabenzuständigkeit einhalten 
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Erforderliche Finanzierung sicherstellen 
 
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Unterstützung bei der Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten in den Gemeinden
 
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Rückführungskonzept vorlegen - Rückführungsquote verbessern
 
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| Offene, regelmäßige und ehrliche Kommunikation 
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 (Quelle: Landratsamt Nordsachsen) | 
Freistaat und Kreise plagen die gleichen Sorgen
Sachsens Innenminister Markus Ulbig hatte erst am Mittwoch bei einem 
Treffen mit den Landräten erklärt, Sachsen müsse bei der Erstaufnahme 
Flüchtlinge auch weiterhin teilweise in Notunterkünften unterbringen. 
Nur so könne der Ansturm bewältigt werden. Inzwischen existieren 
landesweit verteilt mehrere Interims-Erstaufnahmen. 
Doch auch 
die Kreise haben immer mehr Probleme, die nach der Erstaufnahme von der 
Landesdirektion zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Sie müssen 
teilweise selbst Notunterkünfte einrichten, wie zuletzt die Turnhalle in
 Großröhrsdorf im Kreis Bautzen. Dort gab es zudem -  auch aufgrund der 
Wohnumstände - Auseinandersetzungen zwischen den Asylbewerbern. Generell
 stößt die Einrichtung provisorischer wie auch regulärer 
Asyleinrichtungen ab einer bestimmten Größe häufig auf Widerstand in der
 Bevölkerung, zum Beispiel in Leipzig, Bautzen und Schneeberg. Die Stadt
 Bad Düben entschied am Donnerstag, kein großes Asylbewerberheim 
einzurichten, sondern die Flüchtlinge in mehreren Häusern in derzeit 
leerstehenden Wohnungen unterzubringen.
Czupalla: Alle müssen mithelfen
Unabhängig von diesen Forderungen steht Czupalla zufolge schon jetzt fest, dass die bisherigen Prognosen der Asylbewerberzahlen für dieses Jahr Makulatur sind. Ende 2014 habe sein Landkreis Nordsachsen noch mit 600 neu unterzubringenden Asylsuchenden gerechnet, inzwischen gehe man mindestens von der doppelten Zahl aus - zuzüglich zu den schon hier lebenden mehr als 1.000 Asylbewerbern. Czupalla forderte deshalb die Kommunen auf, weiteren Wohnraum, in Frage kommende Immobilien für Gemeinschaftsunterkünfte aber auch Flächen aufzuzeigen, die bebaut werden könnten. "Die Kommunen und der Landkreis arbeiten hervorragend zusammen. Doch es müssen sich alle Kommunen darauf einstellen, kurzfristig weitere Asylsuchende unterbringen zu müssen", betonte der Landrat.
Werden Asylbewerber zu ungleichmäßig übers Land verteilt?
Die Einwohner einiger Kommunen kritisieren aber auch, ihre Gemeinde 
werde übermäßig mit Asylbewerbern "belastet". Dazu sagte Ingolf Ulrich 
von der Landesdirektion dem MDR SACHSEN, es liege in der Verantwortung 
der Kreisverwaltung, wo sie die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge 
unterbringe. Das Land verteile die Asylbewerber nach einem festgelegten 
Schlüssel, der sich an der Einwohnerzahl der Kreise und kreisfreien 
Städte orientiere. Das bedeutet: Je mehr Einwohner, desto mehr 
zugewiesene Flüchtlinge. Ulrich zufolge kommt es durchaus gelegentlich 
vor, dass ein Kreis wegen großer Kapzitätsengpässe um kurzfristige 
Schonung bitte, ein anderer dafür mehr Flüchtlinge aufnehmen könne, weil
 gerade neue Unterkünfte fertiggestellt wurden. Das gleiche sich aber 
über das ganze Jahr gesehen aus, so dass der Schlüssel letztendlich 
eingehalten werde.
Verteilungsschlüssel für Asylbewerber im Freistaat Sachsen (Quelle: Landesdirektion Sachsen, Stand: 19.02.2015)
| Landkreis/Kreisfreie Stadt | Zugeteilte Asylbewerber in Prozent | 
|---|---|
| Dresden | 13,01 | 
| Leipzig (Stadt) | 12,96 | 
| Erzgebirgskreis | 8,74 | 
| Zwickau | 8,12 | 
| Mittelsachsen | 7,81 | 
| Bautzen | 7,65 | 
| Görlitz | 6,51 | 
| Leipzig (Kreis) | 6,39 | 
| Sächsische Schweiz - Osterzgebirge | 6,08 | 
| Meißen | 6,04 | 
| Chemnitz | 5,98 | 
| Vogtlandkreis | 5,81 | 
| Nordsachsen | 4,89 | 
| Gesamt: | 100 | 
Wenn Erstaufnahme- und "verteilte" Flüchtlinge am gleichen Ort leben
Dennoch trifft es einige Regionen nicht nur gefühlt härter als andere. 
Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Colditz verwies im Gespräch mit dem 
MDR SACHSENSPIEGEL auf seinen Wahlkreis im Erzgebirge. Hier habe der 
Kreis in Aue 700 zugewiesene Asylbewerber in einer regulären Einrichtung
 und einer Notunterkunft untergebracht, im knapp sieben Kilometer 
entfernten Schneeberg habe der Freistaat mehr als 1.000 Menschen in der 
regulären Erstaufnahme-Außenstelle und einer Notunterunterkunft 
einquartiert. Diese hohe Konzentration von Flüchtlingen in der Region 
sei inakzeptabel und nicht nachvollziehbar. 
Der Landesregierung 
warf Colditz Wortbruch vor, weil die zugesagte Höchstauslastung in 
Schneeberg weit überschritten worden sei. Er kritisierte zugleich die 
teils unwürdigen Bedingungen. Statt die Flüchtlinge in Turnhallen auf 
dem Land zu pferchen, sollte Sachsen lieber Wohncontainer in den 
Großstädten aufstellen, wo ohnehin die künftigen 
Erstaufnahmeeinrichtungen ernstehen würden. Zumindest der Freistaat 
streut inzwischen seine Interimserstaufnahmen weiter über die 
Landesfläche. Eine gleichmäßigere Verteilung der zugewiesenen 
Asylbewerber ist Aufgabe des Kreises.
