Seit gestern müssen sich drei junge Menschen vor dem Amtsgericht Weimar wegen der Vortäuschung einer Straftat verantworten. Ihnen legt die Staatsanwaltschaft zur Last, sich Vorwürfe wie Körperverletzungen und anderes mehr gegenüber Weimarer Polizisten nur ausgedacht zu haben.
Weimar. Der Fall geht zurück ins Jahr 2012: In der Nacht zum 20. April nahm die Polizei zwei Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 23 und 25 Jahren fest und brachte diese in Einzelzellen für eine Nacht unter. Den vier Personen wurde damals vorgeworfen, randalierend durch die Stadt gezogen zu sein. Drei der damals festgenommenen Leute haben wiederum Strafanzeige gegen die Polizei gestellt, da sie aus ihrer Sicht eine wahre Tortur in den Zellen der Polizeiinspektion Weimar erlebt hätten. Regelmäßiges An- und Ablegen von Handschellen, Beleidigungen, kein Zugang zu Trinkwasser und vor allem eine lange Narbe auf einem Arm der Festgenommenen stehen zur Debatte.
Mit den Ermittlungen dazu wurde damals die Erfurter Staatsanwaltschaft sowie Beamte des Landeskriminalamtes beauftragt. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt, weil eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte. Von da an nahm der Fall eine Wende: Die Polizei zeigte wiederum die drei heute Beschuldigten wegen Vortäuschung einer Straftat an. Das gestern begonnene Verfahren wird sich dabei voraussichtlich mindestens über sechs Verhandlungstage strecken, da zahlreiche Zeugen befragt und Beweise gesichtet werden müssen. Die Verteidiger der drei Beschuldigten beantragten die Vernehmung aller beteiligten Polizeibeamten und weiterer Zeugen. Sie wollen unter anderem mit Fotos beweisen, dass die Armwunde der jungen Frau in der fraglichen Nacht in der Zelle entstanden sein muss. Die heute noch sichtbare Narbe erstreckt sich vom Handgelenk bis über den Ellbogen an der Außenseite des Unterarms. Nun soll auf Antrag der Verteidigung durch ein Gutachten festgestellt werden, wie alt die Wunde zum Zeitpunkt des Fotos war. Das soll Rückschlüsse darauf ermöglichen, inwieweit die Wunde während des Gewahrsams durch Beamte oder auf dem Weg ins Krankenhaus sich selbst zugeführt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft wiederum will mit einem weiteren Gutachten klären, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Wunde selbst zugefügt oder durch Fremdeinwirkung entstanden sein kann. Die nun wegen Vortäuschung dieser Straftaten angeklagten Personen ließen durch ihre Anwälte eine Erklärung verlesen. Darin wird beklagt, dass gegen die Polizeibeamten damals trotz ihrer Vorwürfe kein Strafverfahren eröffnet wurde. Weiterhin weisen sie daraufhin, dass es Polizeibeamte waren, die ihre Kollegen in der Nachbarstadt selbst vernommen haben. Zwei für den Weimarer Prozess gegründete Solidaritätsgruppen beobachten und beurteilen den Fall nun aus Sicht der drei Beschuldigten. Dazu gehört der Berliner Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff. In Hinblick auf die Statistik rät er seinen Mandaten, keine Strafanträge gegen Polizeibeamte zu stellen, solange es keine unabhängigen Untersuchungskommissionen gibt. "Polizeibeamte scheinen eine Berufsgruppe zu sein, die fehlerfrei ist", bemerkt Ulrich von Klinggräff. Von 2000 Ermittlungen gegen Polizisten landen nur 73 vor Gericht. In den kommenden Wochen steht Richter Karl-Heinrich Götz die Befragung zahlreicher Zeugen vor. Er muss anhand des Beweismaterials nach bislang sechs angekündigten Verhandlungstagen eine Entscheidung verkünden. Ob sich die Vorwürfe bestätigen, oder ob es zu einer Verurteilung kommt, ist bislang ungewiss. Sowohl die Verteidigung als auch Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hengst sind erstmals mit den Vorwürfen aus der Tatnacht befasst.