Leipzig. Nicht weniger als 5,7 Millionen Euro will die Kommune in Sanierung und Ausbau der Massenunterkunft für Flüchtlinge in der Torgauer Straße 290 investieren. Kommende Woche werden die Pläne von Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) vorrausichtlich im Stadtrat abgesegnet, diverse Fraktionen haben schon Zustimmung signalisiert. Die Initiative "Willkommen im Kiez" aus dem Leipziger Westen hofft trotzdem noch auf eine Trendwende, pocht auf Menschenwürde, lädt die Migranten stattdessen zum Mitwohnen in ihre Nachbarschaft ein. Am Mittwoch zeigten Vertreter auch Alternativen zu den Plänen der Kommune auf. Diese sind im Vergleich weniger kostenintensiv und stringent, erfordern stattdessen aber ein erhöhtes Maß an Engagement vieler Beteiligter.
"Die Flüchtlingsunterkunft in der Torgauer Straße ruiniert seit 20 
Jahren ihre Bewohner", sagt Sophie, eine der Sprecherin des Netzwerks. 
Die nun geplante Renovierung löse zwar sanitäre Probleme, "aber die 
Anonymität und die Isolation der Bewohner wird dadurch nicht 
verschwinden." Deshalb fordern sie und ihre Mitstreiter, Flüchtlinge 
konsequent dezentral im Stadtgebiet unterzubringen und werden dabei von 
zahlreichen Institutionen im Leipziger Westen unterstützt. Von einem 
runden Tisch mit Ämtern, Genossenschaften und Immobilienwirtschaft ist 
die Rede, bei dem Kapazitäten individuell zugeteilt werden sollen. Aber 
auch private Initiativen, wie etwa einer geplanten WG-Vermittlung für 
Flüchtlinge im Internet, gehören zum Programm von "Willkommen im Kiez"  .
 
Dezentrale Lösungen können Haus in der Torgauer Straße ersetzen
Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) verfüge über 1700 freie 
Wohnungen, Genossenschaften hätten 3000 Objekte anzubieten, die 
Flüchtlinge aufnehmen könnten, sagt Sophies Mitstreiter Daniel. "Wir 
wissen, dass die Stadt aktuell zehn Häuser prüft und zehn weitere auch 
geprüft werden sollen", erklärt er. Nur eine Handvoll solcher Gebäude im
 Stadtgebiet könnte ausreichen, um die isolierte Massenunterkunft in der
 Torgauer Straße zu ersetzen. Aber die Kommune ziehe viele dieser 
Gebäude einfach gar nicht in Betracht, "ein Objekt wurde zum Beispiel 
abgelehnt, weil in 1,5 Kilometern Entfernung schon die nächste 
Unterkunft gewesen wäre", berichtet Daniel. Andere Gebäude in kommunalem
 Besitz stünden derweil lange leer, würden eher verfallen als für 
Asylbewerber berücksichtigt zu werden.
Auch Rainer Löhnert, 
Vorstand der Genossenschaft WBGKontakt, will bei dezentralen Lösungen 
mithelfen - so wie bereits in der Vergangenheit. 15.000 Wohnungen hat er
 unter seinen Fittichen, könnte nach eigenen Angaben jede Woche bis zu 
acht Flüchtlinge neu dazu aufnehmen. "Aber wir brauchen einen 
verlässlichen Kooperationspartner, der uns dabei hilft", so Löhnert. Der
 WBG-Chef berichtet von Sprachproblemen, die zu überbrücken seien, 
wünscht sich vorab Klärung, welche Asylbewerber beispielsweise in 
Wohngemeinschaften zusammenleben könnten. 
Alternativen benötigen Unterstützung
Solche
 WG's scheitern bisher oftmals an bürokratischen Hürden, weil diese 
Wohnform Ausnahmegenehmigungen erfordere, berichtet Anselm, ebenfalls 
bei "Willkommen im Kiez" aktiv. Es habe ihn viel Mühe gekostet, einen 
Freund aus einem Flüchtlingsheim in seine WG umziehen zu lassem. Solche 
Probleme bestätigt auch Erika Pohl, Leiterin des Paritätischen 
Wohlfahrtsverbandes: "Es genügt nicht, Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, 
es gibt dabei viele rechtliche Dinge, die zu beachten sind", sagte Pohl.
 Obwohl sie die dezentrale Initiative im Leipziger Westen wohlwollend 
sieht, warnt sie auch davor, allzu blauäugig zu sein. Oftmals seien die 
sprachlichen, sozialen und gesundheitlichen Probleme der Flüchtlinge 
viel zu groß, um sie sich in eigenen Wohnungen selbst zu überlassen. 
Pohl forderte deshalb mehr finanzielle Unterstützung für die soziale 
Betreuung der Asylbewerber.
Ein runder Tisch soll künftig auch dabei helfen, solche Dinge zu klären.
 Angesicht der geplanten Investitionen in der Torgauer Straße sehen alle
 Beteiligten zumindest offene Potentiale. "Wir wollen, dass erst alle 
Eventualitäten geprüft werden, bevor die Stadt 5,7 Millionen Euro für 
den Ausbau der  Massenunterkunft ausgibt", so Initiativ-Sprecherin 
Sophie. Sie und ihre Mitstreiter haben deshalb auch einen offenen Brief 
an alle Stadträte geschrieben, damit diese ihre Entscheidung am Mittwoch
 noch einmal überdenken. Unterschrieben wurde das Schriftstück auch von 
mehr als zwei Dutzend anderer Initiativen des Leipziger Westens, 
darunter Schaubühne Lindenfels, Westflügel, Bandcommunity, Cineding, 
Buchhandlung Drift, Café Albert, Nachbarschaftsgarten und Galeristin 
Arne Linde.
Internet: www.willkommenimkiez.de
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