Flüchtlinge in Böhlen: Einwohner helfen unbürokratisch / Landesdirektion sorgt weiterhin für Verärgerung
Von Andreas Debski
 Böhlen. Größer könnte der Gegensatz kaum sein. Sabine Petzholtz steht 
zwischen Plattenbauten, die früher einmal in einem hellen Ocker-Ton 
gestrichen waren, und redet gegen die Tristesse an. Sie ist die Frau, 
die momentan das Apart-Hotel Böhlen (Landkreis Leipzig) managt - jene 
Außenstelle der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, die
 in den vergangenen Tagen den Asyl-Streit zwischen Kommunen und 
Landesregierung eskalieren ließ. Zwölf Nationalitäten wohnen hier unter 
einem Dach, etwa die Hälfte der Asylsuchenden stammt aus dem Kosovo und 
aus Albanien, daneben kommen die Flüchtlinge unter anderem aus Pakistan,
 Afghanistan, Syrien und Georgien. 
 "Wir versuchen, alles möglich zu machen und zu helfen. Letztlich haben 
wir auf diesem Gebiet noch keine Erfahrung, sondern setzen nur um, was 
gesetzlich vorgegeben wird", sagt Sabine Petzholtz. "Das Schönste ist 
aber, wenn man die Dankbarkeit sieht." Und genau daran haben viele 
Böhlener einen entscheidenden Anteil: Kaum war das frühere 
Bauarbeiter-Hotel am Stadtrand mit Flüchtlingen belegt, wurden von 
Einwohnern die ersten Spenden abgegeben. Plüschtiere, Spielzeug, 
Winterkleidung, vor allem für Kinder. "Es ist schon beeindruckend, wie 
die Menschen hier aufgenommen werden. Ärger gab es im Umfeld bislang 
keinen", erzählt die Assistentin der Geschäftsführung, die für die 
Betreuung der Asylsuchenden aus Berlin nach Böhlen beordert wurde, über 
die ersten beiden Wochen als Notunterkunft. Selbst die 
Sicherheitsmitarbeiter hätten ihre soziale Ader freigelegt, sagt Sabine 
Petzholtz, und beispielsweise Nuckel für die Kleinsten mitgebracht. 
Eine spontan gegründete Bürgerinitiative, gesteuert von lokal bekannten 
Rechtsextremen, wollte zwar gegen das Übergangsheim mobil machen - doch 
sofort gründete sich im Internet eine Bewegung dagegen: "Böhlen wehrt 
sich gegen Dummheit und Rassismus". Die Facebook-Initiative hat bereits 
mehrere Hundert Unterstützer und versteht sich als Anlaufstelle für 
einen Dialog. "Geht selbst hinaus und macht euch ein eigenes Bild. Passt
 auf, welcher Aktion ihr euch anschließt", heißt es hier.
Denn eines ist klar: Jedes Wort kann falsch sein, missverstanden werden.
 Maria Gangloff, die Bürgermeisterin von Böhlen, weiß um den Spagat 
zwischen notwendiger Hilfe und ausländerfeindlichem Generalverdacht. 
"Natürlich fühlen wir uns in der Verantwortung für die Menschen - 
andererseits möchten wir durch unsere Unterstützung die Versäumnisse der
 Landesdirektion nicht ausgleichen und auch noch die 
Erstaufnahmeeinrichtung legalisieren", macht die Linke-Politikerin klar,
 die sich von den zuständigen Behörden in Chemnitz und vom Dresdner 
Innenministerium überrumpelt fühlt. 
Dennoch sucht die Stadtverwaltung nach Mitteln und Wegen, um die 
Flüchtlinge nicht allein zu lassen. Neben Spendenaufrufen hat Maria 
Gangloff bereits die Suche nach Übersetzern veranlasst. Außerdem könnten
 Tischtennisplatten im Keller des Hotels aufgestellt werden oder die 
Fußballtore auf dem Vorplatz erneuert werden. Das Vorgehen der 
Landesdirektion hält sie weiterhin für unverzeihlich: "Man muss sich 
nicht wundern, wenn die Leute zu Pegida und Legida laufen. Hier wurde 
alles heimlich beschlossen - dabei muss die Bevölkerung von Anfang an 
informiert und mitgenommen werden, um einer Ablehnung vorzubeugen. Und: 
Die kleinen Städte dürfen durch zu viele Asylsuchende nicht überfordert 
werden." Umso schöner sei nun allerdings die Spendenbereitschaft, auch 
wenn bereits negative Stimmen zu vernehmen waren, sagt Maria Gangloff.
