Aus Ludwigshafen berichtet Christoph Ruf
Der Mann vorne auf dem Podium ist empört: "Dieses Land entwickelt sich immer mehr zum Unrechtsstaat und bekommt immer mehr Züge der DDR", schreit Dominik Roeseler. "Und das Regime ist bekanntermaßen schon untergegangen."
Was Roeseler, der bereits den Aufmarsch der "Hooligans gegen Salafisten" in Köln angemeldet hatte, so aufregt, hat er vorher aufgezählt: Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat am Vorabend die Kundgebung der Hogesa-Abspaltung "Gemeinsam-Stark Deutschland" (GSD) nur unter strengen Auflagen genehmigt - aus Angst vor Gewalttaten. Der geplante Demozug durch Ludwigshafen bleibt also ebenso verboten wie das geplante Konzert der rechten Bremer Hooliganband "Kategorie C - Hungrige Wölfe".
"Eine Riesensauerei", sei das, findet Röseler, der zu berichten weiß, dass "Kategorie C"-Sänger Hannes Ostendorf am Morgen von der Polizei kontrolliert worden sei und ein Betretungsverbot für die Demo bekommen habe. Polizeisprecher Michael Baron mag das vor Ort weder bestätigen noch dementieren. Derweil hat sich Roeseler auf dem Verdeck seines LKWs weiter in Rage geredet: "Zeigt dem korrupten System, dass wir uns nicht verarschen lassen", ruft er. Und seine Zuhörer applaudieren: "Wir sind das Volk!"
Bei den Gegendemos ist mehr los
Dieser Schlachtruf, auch bei Pegida-Demonstranten beliebt, war schon immer anmaßend. Ihn heute zu skandieren, ist regelrecht lächerlich. Nur etwa 300 bis 400 Hooligans sind nach Ludwigshafen gekommen, das ist schon zahlenmäßig ein wenig dünne für den Volksaufstand, den die Hooligans hier herbeifantasieren.
Bei den Gegendemos in der Innenstadt ist dann auch mehr los, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD erfreut feststellt: "Danke, dass Sie bei diesem Wetter nicht im Bett geblieben sind. Wir sind die Mehrheit, nicht die paar Hooligans, die aus ganz Deutschland zusammenkommen."
"Die paar Hooligans" haben seit Anfang Januar auch einen ordentlich klingenden Namen: "Gemeinsam-Stark Deutschland e.V." hat sich vor ein paar Wochen von "Hogesa - Hooligans gegen Salafisten" im Streit abgespalten und sich Anfang Januar in Fulda als eingetragener Verein konstituiert. "Hogesa" habe die Ideale der Bewegung verraten, heißt es. Einigen sei es nur noch darum gegangen, sich am Merchandising eine goldene Nase zu verdienen.
Während "Hogesa" zuletzt eine wirre Erklärung veröffentlichte, die sowohl die Dresdner "Pegida"-Demos als auch die Pariser Anschläge als Machenschaften von Geheimdiensten und Politik bezeichnete, bereitete "Gemeinsam-Stark" die Ludwigshafener Kundgebung vor - genau ein Jahr, nachdem in Mönchengladbach erstmals Hooligans eine Salafisten-Kundgebung gestört haben, sollte es eine erneute Machtdemonstration der deutschen Hooligan-Szene werden.
"Wir sind eine überparteiliche Vereinigung"
Wer sich mit "Gemeinsam-Stark" anlege, habe es mit "4500 Oldschool-Hooligans" zu tun, tönte einer ihrer Aktivisten im Netz. Doch das hier in Ludwigshafen sieht eher nach einem letzten Lebenszeichen einer Bewegung aus. Ihre Hochzeiten - 4800 Demonstranten in Köln - hat sie sowieso schon längst hinter sich.
Roeseler ficht das allerdings nicht an. Er betont, was man doch für ein eingeschworener Haufen sei: "Wir sind eine überparteiliche Vereinigung zur Wahrung der Interessen des deutschen Volkes", sagt er in bestem Politiker-Slang. Nicht unbedingt ein Zufall: Roeseler ist Pro-NRW-Ratsherr in Mönchengladbach, neben dem Mannheimer Stadtrat und Neonazi Christian Hehl, der um halb zwei anmarschiert, sind auch andere NPD-Aktivisten vor Ort. Ob Roeseler das mit "überparteilich" meint? Im Forum von "Gemeinsam-Stark" werden jedenfalls deutliche Töne angeschlagen:
"Es geht hier nicht nur gegen die radikalen Moslems. Hier geht es auch um die Kuschelpolitik unserer Regierung. Diese linksversifften Parteien und deutschfeindlichen Politiker gehören weg!!!"
Im Internet wird aber auch immer wieder dazu aufgefordert, gewaltlos zu demonstrieren. Das halten die Hooligans ein. Selbst die Presse kann halbwegs in Ruhe arbeiten - sieht man vom Dauergefilme ab.
Was Roeseler redet, ist natürlich durchaus nach dem Geschmack der Hooligans, die vor ihm stehen. Die verschaffen sich anfangs auch noch Gehör, skandieren zu Melodien aus dem Stadien "Antifa Hurensöhne" oder "Wir woll'n keine Salafisten-Schweine".
Doch schon nach gut einer halben Stunde ist die Luft raus. "Zu viel Polizei", klagt einer, der offenbar ebenso gerne zu den paar hundert Antifa-Aktivisten hinüberrennen würde, wie die zu ihm. So verlassen lange vor Ende der Kundgebung viele den tristen Bahnhofsvorplatz wieder.