Sachsen mietet Flüchtlingsheim bei bekanntem Neonazi in Böhlen an

Erstveröffentlicht: 
07.02.2015

Böhlen/Leipzig. Es waren markige Slogans, mit denen die Republikaner bei Wahlen zu mobilisieren versuchten: "Goldzähne für Asylbewerber. Zahnlücken für Deutsche" und "Das Boot ist voll" plakatierten die Rechts-Nationalen unter anderem - und Wolfgang Seifert war bis vor Kurzem einer ihrer maßgeblichen Protagonisten. Jener Wolfgang Seifert, der mittlerweile in Böhlen (Landkreis Leipzig) eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge betreibt. "Humanitäre und wirtschaftliche Interessen treffen aufeinander", erklärt der 74-Jährige sein plötzliches Engagement für Migranten.

 

Das Pikante daran ist: Seifert, der aus seiner politischen Einstellung auch heute keinen Hehl macht, verdient mit der Unterbringung von derzeit 105 Flüchtlingen in seinem Apart-Hotel recht schnell ziemlich viel Geld - obwohl er die Asylbewerber gar nicht in Deutschland haben möchte. Wie viel Geld, das möchte er nicht verraten. Allerdings: Die Pauschale, die der Freistaat Sachsen üblicherweise an Landkreise und Kommunen überweist, beträgt pro Asylsuchendem und Monat 500 Euro.

Seifert - und seine Frau Ingeborg - gehörten über lange Zeit diversen Spitzengremien der Republikaner an. So war der Berliner Unternehmer bis 2010 unter anderem Mitglied des parteiinternen Bundesschiedsgerichts und kandidierte für die Republikaner bei einer Bundestagswahl; zudem hatte die Parteizentrale ihren Sitz in einem seiner Häuser. Ingeborg Seifert agierte über Jahre hinweg im Bundesvorstand jener Partei, die der Verfassungsschutz folgendermaßen charakterisierte: Die Republikaner "diffamieren Ausländer pauschal" und machten diese für gesellschaftliche Probleme und Konflikte verantwortlich, es werde "gezielt Angst vor Überfremdung" geschürt. Wolfgang Seifert sagt dazu: "Die Republikaner spielen keine politische Rolle mehr. Wir sind nicht mehr dabei."

Geblieben ist ganz offenkundig sein politisches Profil. Seifert spricht davon, dass Asylbewerber in Deutschland "durchgefüttert" werden, dass sie sich in einem "Schlaraffenland" wähnten, dass "nicht alle 50 Millionen Flüchtlinge zu uns kommen" könnten. "Das alles möchte ich den Ausländern nicht mal vorwerfen, die die Gesetze für sich ausnutzen", erklärt der Unternehmer, "Schuld hat die politische Kaste, die den Eindruck erweckt, die Welt könnte zu uns kommen. Was in Deutschland passiert, ist eine Katastrophe. Wer von einer Willkommenskultur spricht, beschimpft das deutsche Volk." Immerhin scheint Seifert, der in Berlin bis vor kurzem auch die rechts-intellektuellen Dienstagsgespräche mitorganisierte, für sich ebenfalls die "deutschen Gesetze" weidlich zu nutzen. Der Wirtschaftsingenieur betreibt außerdem eine Zeitarbeitsfirma - sein Geschäftspartner weist eine auffällige Nähe zur NPD auf, ließ sich mit dem früheren Bundesvorsitzenden Udo Voigt ablichten, kandidierte im Jahr 2011 für die Rechtsextremen, war beim Zusammengehen mit der DVU involviert.

Nach Seiferts Angaben ist die Landesdirektion Sachsen, deren übergeordnete Behörde das Innenministerium ist, auf ihn zugekommen, um das Apart-Hotel Böhlen anzumieten. "Ich war selbst überrascht - beworben hatte ich mich jedenfalls nicht. Ich weiß nicht, weshalb ich ausgewählt wurde", stellt Seifert klar. Ein solch gut dotiertes Angebot schlage man aber nicht aus, meint der Geschäftsmann. Der Vertrag läuft vorerst bis 30. April 2015. Die Landesdirektion wollte sich gestern nicht äußern: "Ihre Anfrage können wir aufgrund anderer prioritär zu betrachtender Themen frühestens am Montag beantworten", wurde dieser Zeitung knapp mitgeteilt.

Der Berliner Rechtsaußen hatte den Hotel-Komplex 1992 von der Treuhand gekauft, um seiner "patriotischen Gesinnung" Ausdruck zu verleihen. Schließlich stammt er aus dem Osten: In Jena aufgewachsen und zur Schule gegangen, flüchtete Seifert 1963 mit einem Paddelboot über die Ostsee, vom dänischen Gedser durfte er letztlich in die Bundesrepublik einwandern.

Doch nicht nur diese Heim-Vergabe der Landesdirektion wirft Fragen auf. Wie Recherchen der "Freien Presse" und der "Welt" ergaben, erhielt ein ehemaliger Stasi-Offizier, der in der DDR unter anderem Republikflüchtlinge malträtiert haben soll, vom Freistaat den Zuschlag für bislang sieben Unterkünfte mit bislang mehr als 1000 Asylsuchenden.