Streifen dürfen ertappte Täter nur festhalten / Polizeigewerkschaft zeigt Verständnis
Von Andreas Debski
 Dresden. Sie fühlen sich nicht mehr sicher und von der Polizei allein 
gelassen: Immer mehr Sachsen schließen sich deshalb zu Bürgerwehren 
zusammen, um vor allem Einbrecher abzuschrecken. Eine Tendenz, die beim 
Innenministerium alle Alarmglocken schrillen lässt. "Von Seiten des 
Ministeriums besteht kein Verständnis für Personen, die in 
amtsanmaßender Weise gegenüber Mitbürgern Selbstjustiz verüben. 
Bürgerwehren agieren ohne rechtliche Grundlage und verstoßen gegen den 
Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols", stellt ein Sprecher klar.  
 Das Ministerium reagiert damit auf immer neue Bürgerwehren. Zuletzt 
hatten sich Leipziger Kleingärtner in der Schreberanlage "Gartenfreunde 
Südost" entschlossen, wieder auf nächtliche Streife zu gehen. Der 
Vereinsvorstand begründete das mit der hohen Einbruchszahl: Allein in 
den ersten Januar-Wochen schlugen Diebe 29 Mal zu. Von 2007 bis 2012 
hatten die Kleingärtner schon einmal Patrouillen organisiert - die Zahl 
der Einbrüche sank rapide.
Auch in Chemnitz, Dresden und Görlitz, im Erzgebirge und in der 
Oberlausitz drehen Anwohner ihre Runden, um Diebe abzuhalten. "Gerade in
 Grenznähe werden verstärkt Bürgerwehren gegründet", hat Hagen Husgen, 
Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), festgestellt. 
"Die Menschen fühlen sich nicht mehr genügend vom Staat geschützt. 
Deshalb sind sie der Meinung, selbst etwas unternehmen zu müssen." Zwar 
warnt auch Husgen vor Selbstjustiz - er kann es den Bürgern allerdings 
auch nicht verübeln, wenn sie aus Selbstschutz auf Streife gehen. "In 
Sachsen fehlen überall Polizisten und im Gegenzug steigt die 
Kriminalität. Die Sicherheitspolitik kann so einfach nicht weitergehen. 
Es kann nicht Sache der Bürger sein, etwas gegen Einbrecher zu 
unternehmen", macht er klar. 
Das Innenministerium verweist dagegen auf den vorerst zurückgenommenen 
Stellenabbau bei der Polizei. Zudem bestehe "eine legale Möglichkeit für
 Bürger zur Unterstützung der Sicherheitsorgane": die Sächsische 
Sicherheitswacht - eine freiwillige Hilfspolizei, deren Mitglieder 
ebenfalls auf Streife gehen. Kooperationen mit Bürgerwehren hält das 
Ministerium für nicht angebracht.
Rein rechtlich kann gegen die Wehren nur selten vorgegangen werden: So 
lange sich die Wächter für Ordnung und Sicherheit korrekt verhalten, 
bleiben sie unbehelligt. Das bedeutet: Außer Reizspray oder Knüppeln 
dürfen sie keine Waffen tragen und auch keine Gewalt ausüben. Sie können
 Verdächtige zwar im Zuge der Notwehr im Ernstfall festhalten, dazu muss
 aber "ein hinreichender und eindeutiger Anlass" bestehen. Die 
Bürgerstreife müsste also einen Einbrecher auf frischer Tat ertappen - 
doch auch dann gilt: Die Polizei muss umgehend verständigt werden.
Wissenschaftler haben diese Entwicklung vorhergesagt. Christian Pfeiffer
 vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hatte bereits 
2012 die Zunahme der Bürgerwehren prophezeit: "Wir werden das Phänomen 
öfter erleben." Vor allem in ländlichen Regionen in Ostsachsen drohe 
Gefahr für die Zivilisation, erklärte Pfeiffer damals.
