Legida marschiert zum dritten Mal in Leipzig auf / Die Stimmung ist gereizt Von Birgit Zimmermann, Gitta Keil und Jens Rometsch
Leipzig. Wieder Brandanschläge, wieder Aggressionen, wieder ein massives Polizeiaufgebot: Der dritte Aufzug des Anti-Islam-Bündnisses Legida hat Leipzig gestern Abend erneut auf eine harte Probe gestellt. Zwischen 15 000 und 20 000 Teilnehmer erwartete Legida am Abend zur Kundgebung vor der Oper. Nach ersten groben Schätzungen kamen aber sowohl zu Legida (1500), als auch zu den Gegenkundgebungen deutlich weniger Teilnehmer als prognostiziert. Nur die Polizei war mit eine Der Leipziger Ableger des Pegida-Vereins gilt als deutlich radikaler als das Dresdner Vorbild.
Und nachdem sich die Pegida-Führung zerstritten hat, waren die Befürchtungen groß, dass sich in Leipzig vor allem extrem rechtsgerichtete Pegida- und Legida-Anhänger sammeln könnten. Am frühen Abend waren von den erwarteten Tausenden allerdings nur ein paar Hundert zu sehen. Ein Sprecher der Stadt Leipzig gab kurz vor Kundgebungsbeginn eine "ganz vorsichtige Schätzung" ab: Rund 1500 Legida-Anhänger hätten sich auf die Augustusplatz versammelt. Auch zu den Gegenkundgebungen - insgesamt waren neun Nolegida-Veranstaltungen angemeldet worden - kamen nach der Beobachtung von diversen Reportern weniger Menschen als in der vergangenen Woche. Sie standen im Schneetreiben und im eiskalten Wind unter anderem bei der Kundgebung von "Leipzig Courage zeigen".
Die Stadtverwaltung hatte sich auf zusammen rund 40 000 Menschen bei
Legida und Nolegida eingestellt. Die Polizei war mit 2000 Kräften im
Einsatz, um die Veranstaltungen abzusichern. Nach Polizeiangaben gab es
vor Beginn der Legida-Kundgebung einzelne Rangeleien - aus welchem
Lager, war zunächst unklar. Zudem sei die Polizei in der Nähe der
Universität mit Farbbeuteln beworfen worden. Und auch die Deutsche Bahn
kämpfte wie schon in der Vorwoche mit Sachbeschädigungen. Unbekannte
verübten Brandanschläge auf die Bahnstrecken Leipzig-Meißen und
Leipzig-Chemnitz. Die Strecken wurden gesperrt. Es kam zu erheblichen
Störungen im Zugverkehr. Für Verzweiflung sorgte der Protesttag bei den
Händlern in Leipzigs Innenstadt. Zahlreiche Läden machten lange vor
Ladenschluss dicht (siehe Text unten).
Obwohl es ab etwa 18 Uhr auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam,
wirkte Leipzig gestern weit weniger im Ausnahmezustand als bei der
letzten Legida-Demonstration in der vergangenen Woche. Durch die
Begrenzung der Pläne der Islam-Kritiker auf sieben stationäre
Kundgebungen, konnten Autos und Straßenbahnen weiter über den Ring
fahren - nur die Goethestraße war schon am frühen Nachmittag gesperrt.
Auf den Tram-Linien 4, 7, 12 und 15 gab es Umleitungen. Der Wochenmarkt
vor dem Alten Rathaus fand hingegen wie gewohnt statt. Auch die meisten
Geschäfte in der City - so in den Höfen am Brühl - hatten am frühen
Abend noch geöffnet.
Wie schon am 21. Januar wollte die Initiative "Leipzig gegen die
Islamisierung des Abendlandes" (Legida) diesmal wieder über den Ring
laufen. Doch das Leipziger Verwaltungsgericht bestätigte gestern Mittag
das am Vortag von der Stadt verhängte Demonstrationsverbot. Die Richter
teilten die Auffassung der Ordnungsbehörde, wonach mit den zur Verfügung
stehenden Polizeikräften - etwa 2000 Beamte - die Sicherheit der
Teilnehmer sonst nicht gewährleistet werden könne. Gleiches galt für
einen Protestmarsch der "Initiative gegen jeden Rassismus". Auch ihr
wurde nur eine Kundgebung gestattet: zu der letztlich wenige Besucher
auf den Johannisplatz kamen. Die Organisatoren hatten bereits vorher
dazu aufgerufen, sich vielmehr an den Mahnwachen und Protesten vor dem
Hauptbahnhof sowie rings um den Augustusplatz zu beteiligen.
Die Initiative "Refugees welcome" stellte ihren Veranstaltungswagen mit
großen Lautsprechern gegen 17 Uhr neben dem LVB-Mobilitätszentrum auf
dem Willy-Brandt-Platz auf. "Wir wollen hier einen Informationspunkt und
Rückzugsort schaffen, vor allem natürlich zeigen, dass wir nichts von
Neo-Nazis halten", sagte dazu Gastgeber Lutz Metzger, der die dortige
Kundgebung "Leipziger Friedenswache - Nein zu Krieg und
Fremdenfeindlichkeit" angemeldet hatte. Mehr als 100 Teilnehmer kamen.
Von den Versammlungen, die Sympathisanten von Legida jenseits des
Augustusplatzes angemeldet hatten, war indes überhaupt nichts zu sehen.
Auf dem leer gefegten Richard-Wagner-Platz standen lediglich ein paar
Polizeiwagen. Eine weitere Kundgebung im Thomaskirchhof für "den
Identitätserhalt unserer Bürger" hatten die Anmelder Donnerstagabend
wieder abgemeldet. Sehr zur Freude der Thomaskirchgemeinde, welche dort
stattdessen ab 16.15 Uhr Kerzen entzündete und eine Mahnwache für
Weltoffenheit und Toleranz abhielt. "Es ist gut, dass die Besucher nun
ohne Angst zur Motette gelangen können", sagte Pfarrerin Britta
Taddiken.
Bereits am früheren Nachmittag hatte die Polizei den Augustusplatz für
Legida abgeriegelt. Die Einfahrt zur Tiefgarage war nur noch über den
Georgiring möglich. "So bewacht wurden wir noch nie", meinte eine
Kassiererin in der Oper, die hoffte, für die Abendvorstellung noch ein
paar Karten zu verkaufen.
Bis Kurz vor 18 Uhr standen kaum 100 Leute bei Temperaturen um 0 Grad
vor der Legida-Bühne an der Oper. Zwei siebzehnjährige Gymnasiastinnen
aus Markkleeberg oder ein älterer Herr aus Leipzig gaben
Fernseh-Interviews. Sie wollten ihre Namen nicht nennen und betonten,
sie seien nur hier, um sich mal selbst ein Bild vor Ort zu machen.
"Klare Zuwanderungsgesetze wie in Kanada oder der Schweiz finde ich
richtig", sagte eines der Mädchen. "Doch der Name von Legida ist
irgendwie doof. Man kann doch nicht gegen eine Religion sein."
Andere schwenkten Fahnen oder tranken Bier aus Ein-Liter-Plasteflaschen.
Dem gegenüber schallten immer wieder Sprechchöre aus dem Grimmaischen
Steinweg oder der Goethestraße, wo jeweils Hunderte Gegendemonstranten
versuchten, die Zugangswege zum Augustusplatz zu besetzen. Immer wieder
musste die Polizei Aktivisten festsetzen, die die Absperrungen
durchbrochen hatten. Zudem soll ein Journalist durch Uniformierte von
hinten geschlagen, dabei verletzt worden sein. Gegen 17.45 Uhr räumte
die Polizei eine Blockade in der Goethestraße, setzte dabei laut
Augenzeugen teils Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Dort hatten sich
etwa 200 Gegen-Demonstranten versammelt, nachdem das Gerücht die Runde
machte, es kämen bis zu 500 Hooligans per Zug auf dem Hauptbahnhof an.
Letztlich waren es wohl nur etwa 50 Legida-Anhänger, welche die Polizei
am Ende über den Georgiring zum Augustusplatz führte. Als dort kurz nach
19 Uhr Silvio Rösler die Legida-Kundgebung eröffnete, waren nach
Schätzungen von Journalisten etwa 1500 Personen auf dem Platz.
Angemeldet hatte Legida bis zu 20000 Teilnehmer.
Die Zahl der Gegendemonstranten gab die Stadt Leipzig zur selben Zeit
mit etwa 2000 an. Viele davon standen im Grimmaischen Steinweg, wo sie
von der Kundgebung des Vereins "Courage zeigen" gegen 19.25 Uhr auf den
Georgiring drängten, mit Pfiffen und Sprechchören die Ansprachen bei
Legida störten. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) lief auch selbst
kurz auf den Augustusplatz und meinte danach, es sei "gut, dass es
deutlich weniger sind".