Der politische Streit um die Abschiebung einer Familie mit sechs Kindern von Freiburg nach Serbien spitzt sich weiter zu. Derweil sprengten Demonstranten den Neujahrsempfang der Freiburger Grünen.
Von Uwe Mauch
Die grüne Fraktionschefin im Landtag, Edith Sitzmann, hat nach BZ-Informationen versucht, die Abschiebung der Familie Ametovic in letzter Minute zu verhindern. Doch sie ist beim SPD-Innenminister abgeblitzt.
Die Familie Ametovic mit sechs zumeist kranken Kleinkindern ist von
Freiburg nach Serbien abgeschoben worden. "Ich bin erschüttert und
fordere endlich verbindliche Kriterien, in welchen Fällen abgeschoben
werden darf und wann humanitäre Gründe dagegen sprechen", sagte Sitzmann
am Mittwochabend beim Neujahrsempfang der Grünen.
Die fast schon traditionelle Veranstaltung der Freiburger Grünen in der
Passage 46 (früher Jackson-Pollock-Bar) war zuvor von Demonstranten
gesprengt worden. Etwa 100 zumeist junge Menschen machten ihrem Unmut
Luft, dass die 29-jährige Sadbera Ametovic mit ihren zumeist kranken
Kleinkindern am Dienstagmorgen von der Polizei abgeholt worden war.
Zusammen mit 140 weiteren Asylbewerbern sind sie am Nachmittagin ihr Heimatland ausgeflogen worden.
Dem "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung" zufolge sollen sie im
Roma-Lager Nis unterkommen, wo es weder Strom noch Wasser gebe.
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Der Fall empört die Grünen und bringt sie in die Zwickmühle.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte im Bundesrat der
Gesetzesänderung zugestimmt, die auch Serbien zu einem sicheren
Herkunftsland macht. Abschiebungen von Asylbewerbern, deren Anträge
offensichtlich unbegründet sind, sollen damit erleichtert werden.
Sitzmann wies darauf hin, dass Kretschmann im Gegenzug Verbesserungen
für in Deutschland lebende Asylbewerber erreichen konnte, etwa die
Abschaffung der Residenzpflicht und Erleichterungen beim Einstieg in
Jobs. Das konnte die Demonstranten jedoch nicht überzeugen. Freiburgs
grüne Spitzenpolitiker wie die Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae,
Staatsministerin Silke Krebs, Landwirtschaftsminister Alex Bonde, die
Landtagsabgeordneten Sitzmann und Reinhold Pix, Schulbürgermeisterin
Gerda Stuchlik, die Fraktionschefin im Gemeinderat Maria Viethen,
Vorstandssprecher Jochen Hefer wurden ausgepfiffen und niedergebuht.
"Wir brauchen endlich klare Kriterien für die Einzelfallprüfung." Edith Sitzmann
Eigenen Angaben zufolge hat Edith Sitzmann am Montagabend von der
bevorstehenden Abschiebung der siebenköpfigen Familie erfahren. Sie habe
beim zuständigen Innenminister Reinhold Gall (SPD) versucht, das
Vorhaben zu stoppen. Ohne Erfolg. "Wir brauchen endlich klare Kriterien
für die Einzelfallprüfung", forderte Sitzmann. Bei Krankheit dürfe nicht
abgeschoben werden. Angeblich soll die Familie noch einmal amtsärztlich
untersucht und für gesund befunden worden sein. Das "Freiburger Forum
aktiv gegen Ausgrenzung" bestätigt zwar, dass die Kinder, die aufgrund
von Unterernährung Mangelerscheinungen hatten, auf dem Weg der Besserung
waren. Doch nun würden sie zurück ins Elend gestoßen.
Eine serbisch sprechende Mitarbeiterin des Jugendhilfswerkes hält
weiterhin Kontakt zu der Familie, die am Mittwochmorgen um 3 Uhr in
Serbien ankam. Frau Ametovic berichtete am Telefon über die
vorherrschenden Zustände vor Ort. Das Dach des Hauses der Familie ist
während deren Abwesenheit eingestürzt, seit Juni 2014 gibt es in der
Romasiedlung keinen Strom, keine Heizung und kein fließendes Wasser. Die
Familie verfügt über kein Mobiliar. Die Kinder schlafen auf dem Boden.
Das jüngste Kind, der 1,5 Jahre alte Martin, leidet derzeit an hohem
Fieber.
Um die Familie zu retten, müssen ihre Lebensbedingungen gravierend
verbessert werden. Neben notwendigen baulichen Maßnahmen ist es
erforderlich, dass die Familie eine Mindestausstattung an Möbeln,
Kleidung, Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln erhält. Vier Kinder
brauchen noch Windeln.
Das Jugendhilfswerk Freiburg e.V. hat hierfür ein Spendenkonto
eingerichtet. Die Spenden werden in Absprache mit der Familie direkt an
sie überwiesen oder über die vor Ort arbeitenden Hilfsorganisationen
weitergeleitet. Der Aufruf zur Soforthilfe ist aus Sicht des
Jugendhilfswerks keine dauerhafte Lösung für die Situation der Familie.
Bitte auf folgendes Konto:
Sparkasse Freiburg
IBAN: DE18 6805 0101 0013 4755 43
BIC: FRSPDE66XXX