Pfiffe, Parolen, Transparente - in Leipzig gingen Zehntausende auf die Straße. Die Mehrheit demonstrierte für eine weltoffene, tolerante Stadt. Die islamkritische Legida konnte weniger Anhänger mobilisieren als gehofft. Dennoch reichte die Zahl der Demonstranten aus, die Stadt für Stunden lahmzulegen.
Statt der erwarteten 100.000 Menschen waren am Mittwoch nur etwa 35.000 in Leipzig unterwegs. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot vor Ort war, hatte 20 angemeldete Kundgebungen und Demonstrationen abzusichern. Dem Aufruf der als rechtsextrem geltenden Legida folgten am Ende rund 15.000 statt der angemeldeten 40.000 Teilnehmer. Den 19 Gegendemonstrationen schlossen sich nach Angaben der Stadt 20.000 Demonstranten an. MDR-Reporter berichteten nach Abschluss der Demonstrationen von Schlägereien am Hauptbahnhof mit ersten Verletzten. Die Polizei sagte MDR SACHSEN, dass beide Lager getrennt werden konnten und man die Lage schnell wieder im Griff gehabt habe.
Angriffe auf Polizei und Journalisten sowie brennende Container und Böller
Schon in den frühen Abendstunden war es nach Polizeiangaben zu ersten Tumulten in der Innenstadt gekommen. Auf der Wolfgang-Heinze-Straße im Leipziger Stadtteil Connewitz steckten Unbekannte zwei Container in Brand. Am Hauptbahnhof flogen Böller. Von welcher Seite, konnte die Polizei nicht sagen. MDR-Reporter berichten von Rangeleien am Hauptbahnhof. An den Zugängen zum Legida-Aufmarsch kam es nach Augenzeugenberichten immer wieder zu Zwischenfällen. Linksextreme versuchten Teilnehmern zum Teil mit Gewalt den Weg zu blockieren. Die Polizei musste eingreifen. In der Nähe des Hauptbahnhofes wurden Polizeibeamte mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Die Beamten sprachen von kleinen gewaltbereiten Gruppen. Auf Twitter berichteten mehrere Nutzer, dass ein Journalist von Legida-Anhängern geschlagen und bespuckt worden sei.
Wieder "Lügenpresse"-Rufe
Auf der Legida-Kundgebung am Augustusplatz sprach der Aktivist Leif Hansen und forderte "mehr Demokratie". "Bürger müssen Beschlüsse des Bundestags verhindern können. Wir brauchen den bundesweiten Volksentscheid."Außerdem forderte Hansen, das Wahlrecht zu reformieren: "Ich möchte meine Vertreter selbst wählen, keine starren Listen." Er sehe darin nur die Interessenvertretung der Parteien, nicht die Wähler. Die Menge reagierte mit "Volksverräter"-Rufen. Während ihres Protestmarsches riefen Legida-Demonstranten immer wieder "Lügenpresse".
Verkehrschaos in der Innenstadt
In der Innenstadt gab es bereits vor dem Start der Legida-Kundgebung Tumulte und Verkehrsbehinderungen. Seit dem frühen Nachmittag war die Innenstadt komplett abgeriegelt. Straßenbahnen und Busse wurden umgeleitet, zahlreiche Geschäfte blieben geschlossen. Die LVB fuhren das Zentrum nicht an. Wegen zweimaligen Alarms war der Citytunnel kurzzeitig gesperrt. Die Polizei hatte den Innenstadtring abgeriegelt.
Brandanschlag am Bahnhof
Eine Bahnsprecherin und die Polizei bestätigte am Nachmittag, dass sich
Vandalen an Gleis-Signalanlagen am Hauptbahnhof zu schaffen gemacht
haben. Unbekannte hatten Kabelschächte freigelegt und Kabel angezündet.
Auf den betroffenen Gleisen sei kein Zugverkehr möglich gewesen, mehrere
Züge wurden umgeleitet. Betroffen war vor allem der Zugverkehr Richtung
Dresden, Meißen und Chemnitz, der auf andere Gleise geleitet werden
musste. Einer Bundespolizeisprecherin zufolge hat es einen Bürgerhinweis
auf Vermummte gegeben.
Verwaltungsgerichte bestätigen in Eilverfahren Auflagen der Stadt
Die Demonstrationen beider Lager waren mit strengen Auflagen belegt
worden. So durfte Legida nicht die gewünschte Route über den
Innenstadtring laufen. Die Veranstalter hatten dagegen Klage beim
Verwaltungsgericht eingereicht, die aber abgelehnt wurde. Auch das
Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde am Abend zurück. Die Auflagen
der Stadt sahen vor, dass die Legida-Demonstration nur zum Teil über
den Leipziger Innenstadtring führen durfte. Den Legida-Anhängern wurde
erlaubt, sich auf dem Augustusplatz zu einer Kundgebung zu versammeln.
Oberbürgermeister
Burkhard Jung sagte im Vorfeld der Demonstrationen, die Legida-Anmelder
hätten den Vorschlag der verkürzten Strecke zur gütlichen Einigung
nicht akzeptiert und darauf bestanden, den gesamten Innenstadtring
abzulaufen. Die Stadt habe deshalb die Route als Auflage festgelegt.
Diese versammlungsrechtliche Entscheidung stehe im richtigen Verhältnis
zum Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Sie sei verhältnismäßig und
ausgewogen. Basis für die Entscheidung seien die massive Gefährdungslage
sowie die Vielzahl von angekündigten Versammlungen gewesen.
"Wir stehen schlicht und ergreifend vor einer Situation, die wir in Leipzig so noch nicht hatten. Wir sind gerüstet für diesen Einsatz, wir werden die Sicherheit gewährleisten." Bernd Merbitz, Polizeipräsident Leipzig
Gefälschte E-Mails im Umlauf
Vor den Großdemonstrationen sorgten Unbekannte mit einer gefälschten E-Mail für Verwirrung. Das Schreiben mit der Absenderkennung der der Stadt Leipzig enthielt eine falsche Routenführung für die Legida-Demonstration, wonach diese am Völkerschlachtdenkmal beginnen und enden sollte. Eine Anzeige wegen der gefälschten E-Mail liegt laut Polizei noch nicht vor. Es werde geprüft, ob möglicherweise Hacker am Werk waren.
Pegida prüft Unterlassungsklage gegen Legida
Nach der Absage der Pegida-Demonstration in Dresden hatte das
islamkritische Dresdner Bündnis am Montag seine Anhänger aufgerufen,
nach Leipzig zu reisen. Am Mittwoch dann die Kehrtwende: In einer
Mitteilung bedauerte Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel, dass die
Organisatoren von Legida bisher keine klare Erklärung abgegeben hätten,
den Forderungskatalog von Pegida Dresden zu übernehmen. Oertel erklärte:
"Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht
mit uns abgesprochen. Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung
unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen. Daher prüfen wir eine
Unterlassungsklage."