Flüchtlinge willkommen - Tausende zeigen Flagge für weltoffenes Leipzig

Erstveröffentlicht: 
20.01.2015

Aktionsbündnis lässt auch Migranten zu Wort kommen / Kundgebung auf dem Augustusplatz

Von Mathias orbeck und mario beck


"Willkommen in Leipzig" - vereint hinter diesem Transparent haben gestern Abend nach Polizeiangaben 5000 Bürger auf dem Ring für eine weltoffene Stadt, gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz demonstriert. Der Marsch um die Innenstadt richtete sich auch gegen den für Mittwoch angemeldeten Aufzug von Anhängern der islamfeindlichen Legida-Bewegung. Zuvor hatten auf dem Nikolaikirchhof Menschen mit Diskriminierungserfahrungen und Migranten gesprochen. Auch Said Ahmed Arif, der Imam der Ahmadiyya-Gemeinde, die in Gohlis eine Moschee errichten will, ergriff das Wort. "Die Moschee dient natürlich religiösen und spirituellen Bedürfnissen der Gemeinde, ist aber auch eine Plattform der Begegnung und des Dialogs", sagte er. Letzteres sei besonders wichtig, um Vorurteile abzubauen. Neben aggressiven E-Mails, die bei der Gemeinde eintreffen, gebe es viel Unterstützung von Leipzigern. "Ich bin mir sicher, dass die Gesellschaft sich durch die Stimmungsmache nicht spalten lässt." Er verurteilte Fanatismus, Extremismus und den Terrorakt in Paris aufs Schärfste. Ängste und Ressentiments dürften nicht geschürt werden.


Marisa Sanchez vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen ergänzte: "Die Offenheit gegenüber anderen Kulturen macht eine Stadt lebendiger und interessanter." Aufgerufen wurde dazu, sich mit Asylpolitik und (Alltags-)Rassismus, dem Fremde auch in Leipzig ausgesetzt seien, zu beschäftigen.


Nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche begann die Demonstration, zu der ein breites Aktionsbündnis aufgerufen hatte. Auf Transparenten wurde deutlich, wofür der 45 Minuten dauernde Marsch auf dem Ring stand: für das Grundrecht auf Asyl, eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen, religiöse und weltanschauliche Pluralität und eine demokratische Streitkultur. Pegida und seinem Ableger Legida wurde symbolisch die Rote Karte gezeigt. Leipzig sei und bleibe eine Stadt der Vielfalt, so der Tenor der Demo, der sich im Verlauf immer mehr Bürger anschlossen.


Nach der Ankunft auf dem Augustusplatz, wo am Opernhaus der Schriftzug "Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit" prangte, wandte sich bei der Abschlusskundgebung unter anderem Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) an die Versammelten: "Von hier geht eine starke Botschaft der Stadtgesellschaft aus - auch für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen." Jung erklärte, die Menschenwürde sei unantastbar, andere Kulturen würden das Leben in der Stadt bereichern. Er verwies unter anderem auf das Ballett der Oper, dessen Ensemblemitglieder aus 23 verschiedenen Ländern kommen. Mit Blick auf den für morgen geplanten Legida-Aufzug erklärte er: "Jeder, der heute gekommen ist, möge bitte zehn Freunde und Bekannte mitbringen, um dann ein großes Protestzeichen zu setzen." Uni-Rektorin Beate Schücking erklärte, Wissenschaft lebe von der Internationalität. Von den mehr als 28 000 Kommilitonen der Alma mater seien zwölf Prozent Studierende aus dem Ausland. "Sie sind eine große Bereicherung." HTWK-Rektorin Gesine Grande wandte sich gegen Dogmatismus und ein Verbarrikadieren der offenen Gesellschaft. Die Polizei zählte bei der Abschlusskundgebung 3000 Zuhörer.


Die Volkshochschule (VHS) lädt heute ab 19 Uhr zu einem offenen Diskussionsforum unter dem Motto "Für ein Europa freier Bürger mit offenen Grenzen" ein.