Ein Kundgebungsverbot ohne Grund?

Erstveröffentlicht: 
20.01.2015

Verfügung der Dresdner Polizei ist umstritten / Kubicki: "Das war politisch motiviert"

Von Dieter Wonka

 

Berlin/Dresden. Das von den Sicherheitsbehörden in Dresden für gestern verhängte Demonstrationsverbot für die islamkritische Pegida und die Gegendemonstration am gestrigen Montag stößt bei den Amtskollegen von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf teils heftige Kritik. Nach außen sind fast alle Politiker der beiden großen Parteien aber um Mäßigung bemüht.


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte, der Staat werde notfalls den Landesbehörden ausreichend Kräfte und Mittel bereitstellen, um künftig das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit trotz islamistisch motivierter Terrordrohungen zu garantieren. "Ich habe als Bundeskanzlerin, unbeschadet ob mir die Inhalte gefallen, ein Interesse daran, dass an jedem Ort in Deutschland demonstriert werden kann - weil es sich um ein Grundrecht handelt."


Wolfgang Kubicki, FDP-Vize und Liberalen-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, sieht mit dem Verbot von Dresden "einen Grundpfeiler der Demokratie" in Gefahr. "Der Staat vermittelt damit nach außen den Eindruck, als sei er nicht mehr Herr der Lage im eigenen Land", sagte Kubicki gegenüber dieser Zeitung. "Ich befürchte, dass der Eindruck entstehen kann, dass es sich dabei nicht um eine reale Gefährdungslage handelt, sondern um eine politisch motivierte Demonstrationsabsage. Wenn sich das herausstellen sollte, dann gnade uns Gott." Damit spielt Kubicki auf die Mutmaßung an, die Dresdener Polizei wolle einen Pegida-Aufmarsch verhindern, um das Image der Stadt durch diese Bewegung nicht weiter beeinträchtigen zu lassen. Da das verhängte Demonstrationsverbot bundesweit Bedeutung habe, verlangte Kubicki "eine vollkommen transparente Aufklärung darüber, was die Sicherheitsbehörden dazu veranlasst" habe, diese "hammerharte Maßnahme" zu verhängen.


Ein mit den jüngsten Terrordrohungen von Amts wegen vertrauter deutscher Sicherheitsexperte machte gegenüber dieser Zeitung darauf aufmerksam, dass es sich bei den diskutierten Gefahren für Pegida und speziell für deren Frontmann Lutz Bachmann wohl nur "um abstrakte Drohungen" handele. Er äußerte "erhebliche Bauchschmerzen" bei dem Gedanken, dass ein nur vager Hinweis als Grundlage für ein verhängtes Demonstrationsverbot unter freiem Himmel gedient habe. Allgemein wird ein Demonstrationsverbot nur dann als "vertretbar" angesehen, wenn es konkrete Hinweise auf Terroraktionen vergleichbar mit den Hinweisen auf das geplante Handeln der Terrorzelle in Belgien aus der vergangenen Woche gibt. Dafür sieht der Sicherheitsexperte, der nicht namentlich genannt werden will, "keinerlei Hinweise". Die Polizei in Sachsen hatte allerdings in ihrer Verfügung auf eine solch konkrete Gefahr eines Anschlags auf den Pegida-Sprecher Lutz Bachmann verwiesen.


Als eine der Entscheidungsgrundlagen der Behörden wird derzeit ein Tweet aus dem Internet von "princezahab 1" gewertet, der auf arabisch gefordert hat: "An die einsamen Wölfe in Deutschland: Wendet euch wegen der Anti-Islam-Hetze an den Hund Lutz Bachmann." Die "einsamen Wölfe" gelten als Hinweis auf sogenannte Terror-Schläfer in Islamisten-Zellen.


Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warnte davor, "dass eine Demonstration abgesagt wird, nur weil ein Drohbrief geschrieben worden ist". Er sei sich bei den Dresdner Behörden "nicht ganz sicher, ob das notwendig ist".