Pegida-Sprecherin bei Jauch: "Ich bin eine ganz normale Frau aus dem Volk"

Erstveröffentlicht: 
19.01.2015

Monatelang hatte sich die Pegida, diese merkwürdige Organisation aus Dresden, ein Schweigegelübde auferlegt. Mit der Presse, vor allem mit den Fernsehleuten, wollten die Wortführer dieser Bewegung nicht sprechen. Da werde doch sowieso alles verdreht, hieß es. "Lü-gen-pres-se, Lü-gen-pres-se!" pflegen viele Teilnehmer der Pegida-Veranstaltungen zu rufen. Das Feindbild schien intakt.Von Klaus Wallbaum

 

Gestern Abend nun die Wende - in doppelter Hinsicht. Erstens tritt als Pegida-Anführer nicht mehr der 42-jährige Lutz Bachmann in Erscheinung, ein gelernter Koch und Inhaber einer Werbeagentur aus Dresden, sondern die 36-jährige Wirtschaftsberaterin Kathrin Oertel. Zweitens folgt sie sogar einer Einladung ins Fernsehen, nämlich zur ARD-Talkshow "Günther Jauch" - und dann noch an einen Tisch mit rhetorischen Schwergewichten wie Wolfgang Thierse (SPD) und Jens Spahn (CDU). Was bedeutet das? Pegida will, angesichts der aktuellen Morddrohungen gegen Bachmann und der aufgeheizten Stimmung in Europa, eine Sympathie-Offensive starten. Denn Oertel gilt, im Vergleich zum kantigen Bachmann, als geschmeidiger und weniger reizbar.


Auf die Frage von Jauch "Wer sind Sie eigentlich?" bezeichnet sich Oertel als "eine ganz normale Frau aus dem Volk, freiberuflich, drei Kinder". Parteipolitisch sei sie nie gebunden gewesen. "Abendspaziergänger" seien die Pegida-Demonstranten, sagt sie und klingt ganz so, als wolle sie die Veranstaltungen verharmlosen. Als die Kurden in Hamburg, Celle und Dresden auf die Straße zogen und von Deutschland Waffen gegen den "Islamischen Staat" forderten, sei Pegida entstanden, sagt Oertel. Das klingt merkwürdig: Wurde die Bewegung gegen die Islamisierung gegründet, als Kurden in Deutschland gegen die Islamisierung aufbegehrten?


So passt nun der Auftritt von Oertel ganz ins Konzept der Pegida, das sich bei näherem Hinsehen als äußerst raffiniert erweist: Man gibt sich ganz friedlich. Es ist keineswegs so, dass in den vergangenen Wochen Montag für Montag rechtsextreme Dumpfbacken in die Dresdener Innenstadt gezogen waren und wild gehetzt hatten. Vielmehr verstanden es die Pegida-Organisatoren sehr geschickt, die Menschen einzuwickeln und zu locken.


Das Pegida-Prinzip funktioniert auf mehreren Ebenen. So treten die Anführer, gleich ob Bachmann oder Oertel, nicht als charismatische Führungsfiguren auf, sondern eher wie Moderatoren, die lediglich anderen - auch der Masse - das Wort überlassen. Bachmann brachte das einmal auf den Punkt, als er in einer Rede grundsätzlich die Bereitschaft zum Dialog mit den Politikern erklärte, dann aber einschränkte: "Zum Verhandeln habe ich von Euch doch gar keinen Auftrag erhalten."


Typisch für Pegida ist das Anknüpfen an die positiv besetzte Tradition der Montagsdemonstrationen von 1989: Bachmann gibt die Parole "Keine Gewalt" aus, betont die Überparteilichkeit der Bewegung und verbreitet den Ruf "Wir sind das Volk!" Damit entsteht bei vielen Teilnehmern das Gefühl, an einer guten Sache teilzuhaben. Politiker und Medienleute als Feindbild werden einfach aus der Endzeit der DDR auf die Gegenwart übertragen. Ein ausgeprägt bürgerliches Image kommt hinzu. Auf Pegida-Kundgebungen herrscht ein Alkoholverbot und ein Verbot, Flaschen mitzuführen.


Der Pegida-Forderungskatalog ist moderat. Die Pegida-Leute wissen, dass sie zuerst an ihren schriftlich formulierten Positionen gemessen werden - deshalb sind diese so abgefasst, dass sie kaum angreifbar sind. Sobald aber Redner bei Pegida-Kundgebungen auftreten, wird gehetzt - und zwar oft im spöttelden, ironischen Tonfall. Regelmäßig sind Medien und Politiker das Ziel, bevorzugt Politiker mit fremden Namen wie etwa der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. Ausführlich werden gern bekannte Zeitgenossen mit gutem Leumund zitiert, die sich kritisch über den Islam geäußert haben. So wurde jüngst ausführlich aus einem Buch des Berliner SPD-Politikers Heinz Buschkowsky vorgelesen, der die Schwierigkeiten bei der Integration von Türken in Neukölln dargestellt hatte.


Wer steckt nun hinter Pegida? Gut möglich ist, dass Bachmann und Oertel vorgeschoben sind. Als sich Bachmann jüngst über die Verulkung seiner Person in einer Satirezeitschrift ärgerte, schrieb er einen wütenden Internetkommentar. Der aber war dann binnen weniger Stunden verschwunden - so, als wenn Bachmanns Verhalten von einer höheren Instanz gelenkt worden wäre.


Und Oertel? Als Jauch sie fragt, ob sie etwas gegen Fremde habe, weist sie das zurück: Ausländerfeindlich sei Pegida nicht. Aber Asylbewerber, die mehrfach straffällig geworden sind, "gehören dann auch ausgewiesen", fordert sie.