Überwältigende Zahl an Teilnehmern protestiert friedlich gegen die Pegida-Bewegung. Für eine bessere Willkommenskultur und mehr Toleranz in der Gesellschaft sind am Sonnabend in Lübeck fast 5000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Erwartungen der Initiatoren wurden damit weit übertroffen.Sie hatten bei der Polizei 800 bis 1000 Demonstranten angemeldet.
Sie tragen Schilder mit der Aufschrift „Kein Mensch ist illegal“ und Regenbogenflaggen, auf denen „Peace“ steht. „Refugees Welcome“ lautet der Demo-Aufruf des Lübecker Flüchtlingsforums, das mit 800 bis 1000 Teilnehmern gerechnet hat.
Aber es kommen über 4500 Menschen, die ihre Solidarität mit Flüchtlingen auf die Straße tragen. Ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchenvertretern und Tausenden Privatpersonen, die auch an den Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße 1996 erinnern wollen.
Als sich am Mittag die Menschen auf der Grünfläche an der Konrad-Adenauer-Straße am Bahnhof versammeln, wird schon deutlich, wie breit das Spektrum der Teilnehmer ist: Mütter mit Kindern, Jugendliche, Großeltern, Familienväter. Mia (13) trägt ein selbstgebasteltes Schild und will zeigen: „Lübeck ist bunt“.
Ein paar Meter weiter staunt Balthild Koch (82) über die Menschmassen und denkt auch an ihre eigene Geschichte zurück: „Ich musste nach dem Krieg meine Heimat verlassen“, sagt die Lübeckerin, „aber für diese Flüchtlinge heute ist es viel schwieriger: in einem fremden Land, mit fremder Sprache.“
In diesem Sinne betont Organisatorin Maria Brinkmann zur Auftaktkundgebung, dass „wir alle gemeinsam für die Rechte von Flüchtlingen und gegen Rassismus“ demonstrieren. Alle stünden unter dem Eindruck der Geschehnisse von Paris, ergänzt Ronja vom Flüchtlingsforum. „Umso wichtiger ist es heute, hier unsere Solidarität mit Geflüchteten auf die Straße zu tragen.“
In zahlreichen Städten fänden „seit Wochen erschreckend große Aufmärsche mit klarem rassistischem und anti-islamischem Hintergrund“ statt. „Wir sagen: Diese Leute handeln nicht aus Angst, sondern – im Gegenteil – sie wollen Angst und Hass erzeugen.“
Um auch die vielen Flüchtlinge verschiedener Länder anzusprechen, wird die Auftaktrede in vielen Sprachen verlesen. Abdulla Mehmud (55) ist 1990 aus dem Irak geflohen, lebt seit 24 Jahren in Lübeck und liest auf Kurdisch. „Für die Flüchtlinge ist das ein tolles Zeichen, dass so viele Lübecker zu ihnen stehen“, sagt er später. Anne Sophie Schaper (27) übersetzt auf Französisch und wünscht sich „ein tolerantes Deutschland, in dem wir uns gegenseitig helfen – vor allem den Menschen in Not“.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde geht es los, und der Demonstrationszug zieht sich – laut Polizei friedlich – weitläufig durch die Altstadt: Als die Spitze mit dem gelben Lautsprecherwagen gerade am Kohlmarkt ist, befindet sich das Ende noch auf Höhe des Welcome-Centers am Holstentorplatz.
Und hinter dem Anfangstransparent wird die Menge immer bunter. Menschen mit Rastalocken oder Kopftüchern, weißen Dauerwellen, rot-grünen Irokesenschnitten und viele kleine Kinderköpfe marschieren gemeinsam und füllen Straßen, Plätze, Fußgängerzonen. Seifenblasen steigen über Trommelmusik, Gesang, Reggae und Trillerpfeifen zum Himmel. Und am Ende passen kaum alle auf den Schrangen.
Nochmal gibt es viele Reden gegen die Pegida-Bewegung, für eine humane Flüchtlingspolitik, und Pröpstin Petra Kallies betont: „,Refugees Welcome‘ ist die Botschaft, die wir nicht nur heute verbreiten möchten, sondern jeden Tag.“