Werbefachmann Olaf Schumann über Imageverlust, unpassende Kampagnen und Dresdner Kampfeslust
Dresden. Pegida schadet dem Image von Dresden und ganz Sachsen - 
das sagt der renommierte Werbefachmann Olaf Schumann. Der Sachse - 1961 
in Dresden geboren - hat kurz nach der Wende die Agentur Scholz & 
Friends mitgegründet. Seit 2014 ist er Geschäftsführer bei der 
Viertakt-Agentur.
  
 Seit Monaten dominieren die Montagsdemos der Pegida-Anhänger die 
bundesdeutschen Medien. Ist das nicht ein gigantischer Werbeerfolg - 
nicht nur für Pegida, auch für Sachsen und besonders für Dresden?
 Eines ist erstmal klar: Es schafft Bekanntheit. Diese 
Minimalanforderung an Werbung haben die Organisatoren vollständig 
erreicht. Dresden ist in aller Munde, die Frage ist nur, womit. Früher 
lauteten die Themen DDR, Ostdeutschland. Dann ging es um die Wende oder 
die Frauenkirche. Jetzt aber ist es ein Thema, das uns richtig schadet. 
Der Eindruck, der sich bei den Leuten festsetzt, lautet doch: Die 
Dresdner sind ausländerfeindliche Zeitgenossen. Das aber können wir 
überhaupt nicht gebrauchen.
 Müssten Sie als Werbefachmann nicht vor Neid erblassen angesichts dieses Erfolgs?
 Es ist faszinierend, wie es eine Truppe von anfangs vielleicht 150 
Menschen schafft, innerhalb von drei Monaten auf 25000 zu kommen. Und 
das mit einer Art und Weise, wie sie sich keine Werbeagentur jemals 
hätte ausdenken können. Im Nachhinein kann man nur feststellen: Es ist 
dermaßen raffiniert, dass die Pegida zwar in die Öffentlichkeit geht, 
dann aber das Gespräch verweigert. Das ist paradox und eine perfide 
Strategie. Die staunende Öffentlichkeit steht daneben und weiß gar nicht
 so richtig, wie sie die Leute greifen kann. Die sind ja nicht zu 
greifen.
 Was sind die Folgen?
 Für Dresden und auch für ganz Sachsen ist es ganz besonders schädlich, 
weil es ein Vorurteil erhärtet, das schon länger existiert. Demnach sind
 Sachsen, hier aber ganz besonders die Dresdner, sehr egoistisch und 
selbstbezogen. Viele Leute haben lange daran gearbeitet, dieses 
Vorurteil aufzulösen - auch mit Kampagnen, die ich für völlig misslungen
 halte.
 Sie meinen die Werbekampagne der Staatsregierung "So geht sächsisch" 
 Genau. All das, was da dargestellt wird, ist eben nicht typisch 
sächsisch. Wenn man Fluthelfer zeigt und sagt, so geht sächsisch, kann 
ich nur einwenden: In Brandenburg gab's auch Fluthelfer. Dasselbe gilt 
für den Automobilstandort Sachsen, wo mir sofort Wolfsburg, Stuttgart 
oder Zuffenhausen einfallen. Was aber wirklich sächsisch ist, ist 
Pegida, das belegen ja die Zahlen. Im Grunde zeigt Pegida, wie sächsisch
 geht. 
 Kann man mit Hilfe einer Werbekampagne das bürgerliche Dresden hinter dem Ofen hervorholen?
 Es ist ausgesprochen schwierig, die Massen zu bewegen, es sei denn, man
 hat eine zündende Idee, kann eine Art Initialzündung platzieren. Ein 
Blick nach Frankreich zeigt, wie es geht. Es ist doch bemerkenswert, 
dass es in Paris drei Verbrecher geschafft haben, eine ganze Nation zu 
einen. In Dresden aber schaffen es 25000 wirre Leute, die Nation zu 
spalten. Zwar kann man mit einer Werbe- oder Imagekampagne allein hier 
wenig bewegen, dennoch gefällt mir ein Satz richtig gut: "Liebe Muslime,
 bitte lasst uns mit Pegida nicht allein!".
 Was ist Ihre Erfahrung: Müssen Sie Ihren Kunden, Auftraggebern oder 
Freunden aus anderen Bundesländern manchmal erklären, warum es gerade 
mal wieder in Ihrer Heimatstadt stattfindet?
 Das muss ich, in der Tat. Viele sind ratlos und suchen nach einer 
Erklärung. Denen sage ich dann, dass das auch ein ostdeutsches Phänomen 
ist. In der DDR gab es eine strikte Trennung zwischen öffentlich und 
privat. Nach der Wende fiel diese Notwendigkeit weg, man redet im 
öffentlichen Raum genauso wie im privaten. Der Westdeutsche ist hier 
ironischerweise viel angepasster als der Ostdeutsche. Das Ganze hat aber
 auch eine Kehrseite: Es wird hemmungslos drauflosgeredet. Bei 
Interviews von Pegida-Anhängern geniere ich mich, mir das auch nur 
anzuhören.
 Wie erklären Sie Ihren Gesprächspartnern, dass von Pegida beispielsweise in Erfurt nur wenig zu hören ist?
 Es kommt noch etwas typisch Sächsisches hinzu. Die Sachsen waren 
Jahrhunderte eingeklemmt zwischen gegensätzlichen Mentalitäten und haben
 es sich deshalb angewöhnt, sich anzupassen. Sie waren immer ein treues 
Staatsvolk, immer opportunistisch. Sie waren gute Nazis, auch bei den 
Kommunisten galten sie als verlässlich. Kurzum: Der Sachse frisst vieles
 in sich hinein, ist harmoniesüchtig und will eigentlich keinen Streit -
 aber irgendwie platzt es dann doch aus ihm heraus.
 Ganz offenbar besonders aus dem Dresdner 
 Ich bin ja selbst hier geboren, und deshalb weiß ich, diese Stadt 
schleppt einen Phantomschmerz mit sich herum. Es ist das tiefe Gefühl 
einstiger Größe und Bedeutung, diese Residenzstadt, die barocke Pracht 
lieben die Dresdner. Deshalb fragen sie ihre Gäste gar nicht erst, ob 
ihnen die Stadt gefällt, die sagen es ihnen einfach. Daraus erwächst 
eine gewisse Kampfeslust, sich engagiert für alles einzusetzen, das mit 
dieser Stadt irgendwie zu tun hat. Ob Waldschlösschenbrücke oder 
Neumarkt - in Dresden gibt es sofort ausgiebigen Streit.
 Welche Rolle spielt 1945?
 Eine sehr große. Der 13. Februar ist eines der letzten großen 
Propaganda-Manöver von Joseph Goebbels, um Deutschland als Opfer zu 
stilisieren. Und die Dresdner haben das dankbar angenommen. Bis heute 
gibt es diesen Kult: Wir alle sind unschuldige Opfer im Bombenkrieg, 
schuld sind die anderen - Muslime, Presse oder einfach die Politik.
  Interview:  Jürgen Kochinke
