Immer mehr Augenzeugenberichte erreichen uns über Bedrohungen, Einschüchterungsversuche und Übergriffe gewaltbereiter rechter Hooligans und Neonazis auf Pressevertreter/innen und Gegendemonstrant/innen bei der Kundgebung von KÖGIDA am vergangenen Mittwoch. Unter den Augen der Polizei konnten sich die aus der Naziszene kommenden Demonstranten vermummen und Parolen wie “Linkes Gezeter- 9 Milimeter” oder “Lügenpresse – auf die Fresse” rufen und dies anschließend in die Tat umsetzen, indem sie Presseverteter/innen körperlich angriffen.
Die Polizei hatte gegenüber KÖGIDA offensichtlich genauso wie bei der HOGESA-Demo ein Konzept der Tolerierung. Während bei der Anti-KÖGIDA-Demonstration am 05.01.in Deutz, friedliche Sitzblockaden sofort von der Polizei auch mit Schlagstockeinsatz und Pfefferspray aufgelöst wurden, scheint die Polizeiführung gegenüber rechten Gewalttätern zum wiederholten Male beide Augen zudrücken zu wollen.
Sowohl letzte Woche im Deutzer Bahnhof wie auch diese Woche am Hauptbahnhof kam es zu zahlreichen Übergriffen von gewaltbereiten Neonazis auf Passant/innen und Demonstrant/innen. Die Polizei konzentrierte sich einzig darauf Blockaden der Anti-KÖGIDA-Demonstration (gewaltsam) zu unterbinden und tolerierte dagegen zahlreiche Straftaten der KÖGIDA-Demonstranten. Wir fordern die Kölner Polizeiführung auf, die Politik des Wegschauens bei Naziübergriffen sofort zu beenden. Wir fordern eine Stellungnahme der Kölner Polizeiführung. Die übliche Stellungnahme: …die Vorwürfe sind nicht gerechtfertigt…“ akzeptieren wir nicht.
Bündnis „Köln gegen Rechts“
Weitere Stimmen:
“Mit den Stöcken ihrer Deutschland-Fahnen stocherten Demonstranten nach den Kameras der Journalisten.“http://www.ksta.de/koeln/kundgebung-in-koeln-hooligans-dominieren-koegida-bewegung,15187530,29581094.html
„Die Stimmung wird zunehmend aggressiver, Fotografen werden von Demonstranten bedrängt und bedroht.” (http://www.rundschau-online.de/koeln/koelner-innenstadt-gewaltbereite-im-koegida-rausch,15185496,29571770.html)
Offener Brief des Fotografen Hartmut Schneider:
Liebe Einsatzleitung der Kölner Polizei. In der kurzen Zeitspanne von
Oktober bis heute habe ich als Fotograf an 4 Demonstrationen
teilgenommen: Hogesa, NOIMK, Kögida I und Kögida II. Bei der Hogesa war
es offensichtlich, dass Sie versagt haben. Zu wenig Polizeikräfte und,
jetzt komme ich zu meinem Thema, eine offensichtlich vom grünen Tisch
diktierte, naive Deeskalationsstrategie.
Bei Hogesa führte das zu rechtsfreien Räumen in der Innenstadt, Panik
unter Anwohnern und Passanten, Übergriffen auf Pressevertreter usw.
Durch Ihre Taktik bauten Sie die Rechtsextremisten systematisch auf und
gönnten ihnen einen kleinen Sieg nach dem anderen bis vor Ihren Augen
ein Polizeiauto umgeworfen wurde. Im krassen Gegensatz dazu Ihre Taktik
bei der linken NOIMK-Demo. Das Werfen einiger Karnevalsböller und das
Abbrennen zweier Bengalos auf dem Dach eines Parkhauses führte zum
sofortigen rabiaten Einschreiten und zur Einkesselung und
erkennungsdienstlichen Behandlung einer größeren Anzahl von Personen.
Die Veranstaltung Kögida I verlief im Wesentlichen ohne Eskalationen und
Gewalt, deshalb erschien Ihre Taktik angemessen.Bei Kögida II am
14.1.2015 war wieder Deeskalation um jeden Preis angesagt. Angesichts
der Teilnehmer eine krasse Fehlentscheidung. Es handelte sich um ca. 120
Personen von denen gut die Hälfte äußerst gewaltbereite Hooligans (für
die Kölner Polizeiführung offenbar immer noch friedliche Fußballfans)
und auch der extremen Naziszene zuzuordnende Personen waren. Der Rest
waren Anhänger der federführenden rechtsextremen Partei Pro Köln und
eine Handvoll sog. Wutbürger. Sie ließen von der ersten Minute an
Verletzungen der polizeilichen Auflagen zu. Sie tolerierten
Vermummungen, einschlägige und bedrohliche Nazislogans (Antifa Gezeter –
9 Millimeter),
Hitlergrüße, sie tolerierten weitgehend Belästigungen, Beleidigungen und
tätliche Angriffe auf Presseleute. Nur wenige Polizeibeamte engagierten
sich für den Schutz der Presse. Sie ließen es durch dilettantische
Vorbereitung zu, dass im Bahnhof zeitweise ein von Ihnen nicht
beherrschbares Chaos herrschte. Der Grund: Am Seiteneingang des
Bahnhofs, durch den die Demonstranten einzeln oder in kleinen Gruppen zu
ihren Bahnsteigen geleitet werden sollten, war eine Tür offen und von
Polizei kontrolliert, die zwei anderen durch Kabelbinder
verschlossen und nicht weiter von Polizei gesichert. Der offensichtlich
gewaltbereite Teil der Demonstranten brauchte weniger als eine Minute um
die beiden Türen zu öffnen und unkontrolliert in die Bahnhofshalle zu
gelangen, in der sich Gegendemonstranten und Fahrgäste der Bahn
befanden. Es kam sofort zu Rangeleien während panisch herumirrende
Fahrgäste ihren Weg suchten.
Auch hier war zu beobachten, dass es einschlägige Nazisprechchöre,
Hitlergrüße und Vermummungen unter den Augen der Polizei gab. Ich frage
Sie: Was hindert Sie, eine solche Versammlung wegen Verstößen gegen die
Auflagen schon zu Beginn aufzulösen? Was hindert Sie, mit Greiftrupps
erkannte Täter festzunehmen. Was hindert Sie Polizeikräfte anzuweisen,
Übergriffe auf die Presse zu beobachten und sofort zu verfolgen? Wozu
filmen und fotografieren Sie mit großem Aufgebot, wenn das keine
rechtlichen Konsequenzen hat?In einem Fall gestern Abend habe ich die
weit entfernt stehende Polizei gebeten einzugreifen, weil ein Fotograf
geschlagen wurde. Der Täter wurde ermahnt, das nicht zu wiederholen.
Einen höheren Dienstgrad, der offensichtlich einen Abschnitt leitete,
fragte ich, ob der Slogan “Antifa-Gezeter – 9 Millimeter) nicht gegen
die Auflagen verstoße. Er sagte wörtlich: “Mit solchen juristischen
Spitzfindigkeiten können wir uns jetzt nicht beschäftigen, wir haben
anderes zu tun”.Sehr geehrte Kölner Polizeiführung, geben Sie Ihre
gescheiterte Deeskalationsstrategie auf und handeln Sie endlich
konsequent gegen Rechtsextreme und Nazis, statt sie mit Ihrer Strategie
durch kleine Siege aufzubauen und erst Recht zu Gewalttaten
anzustacheln. Hören Sie endlich auf, Ihre Einsatzkräfte wie Deppen
aussehen zu lassen, die den Provokationen der Nazis hilflos ausgesetzt
sind. (Dokumentationen der angegebenen Veranstaltungen finden Sie auf meiner Facebookseite)
Weiterer Augenzeugenbericht:
Nach der “Kögida”-Demonstration wurde eine Gruppe Nazihooligans von
Polizisten zur U-Bahnhaltestelle Köln Hbf geleitet. Obwohl die Neonazis
vermummt waren (u.a. mit Sturmhauben) und immer wieder Passanten
bedrohten, griffen die begleitenden Polizisten nicht ein. Kurz darauf
wurden die pöbelnden Neonazis ohne jede Polizeibegleitung in die U-Bahn
Linie 18 verfrachtet. Wenige Minuten später kehrten sie mit einer U-Bahn
auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig zurück, stürmten vermummt aus der
Bahn und griffen wahllos Passanten und Menschen an, die sie für
Antifaschist*innen hielten. Schließlich konnten sie zurückgedrängt
werden und wurden anschließend von der Polizei festgesetzt.