Unmittelbar nach der deutschen Einheit führte eine rassistische Medien- und Gewaltkampagne zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Neonazis, „besorgte“ Bürger*innen und die etablierten Parteien zogen an einem Strang, ähnlich wie es aktuell wieder der Fall ist. Sie verkündeten gemeinsam, dass in Deutschland kein Platz mehr sei für Asylsuchende. Noch während des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen vereinbarten CDU/CSU, FDP und SPD die Grundgesetzänderung.
Am 26. Mai 1993 wurde schließlich der Grundgesetzartikel 16 gestrichen, der – als politisches Bekenntnis nach dem Nationalsozialismus –, allen “politisch Verfolgten” einen Rechtsanspruch auf Asyl eingeräumt hatte. Ersetzt wurde er durch den Abschiebe-Artikel 16a. Neonazis sahen sich bestätigt und „feierten“ die Entscheidung drei Tage später mit einem Brandanschlag auf das Haus der Solinger Familie Genç. Dabei starben fünf Menschen: Hatice Genç, Hülya Genç, Saime Genç, Gürsün İnce und Gülüstan Öztürk. Vierzehn weitere wurden teils schwer verletzt.
Erst am vergangenen Dienstag wurde in
Dresden ein Asylbewerber tot aufgefunden. Nach aktuellem Stand der
Ermittlungen ist von einem Tötungsdelikt mit fremdenfeindlichem
Hintergrund auszugehen. Die Geschichte wiederholt sich, das dürfen wir
nicht zulassen.
Rassismus als Staatsräson
Mit
der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 hat die Berliner Republik
Ausgrenzung ausdrücklich zur Staatsraison erhoben. Rassistische
Sondergesetze wie das ebenfalls 1993 beschlossene
Asylbewerberleistungsgeset z prägen bis heute einen grausamen Alltag:
Geflüchtete werden oft über Jahre in abgelegenen und überfüllten
Sammellagern isoliert und unsichtbar gemacht. Sie werden gewollt
unterversorgt und entmündigt – durch ein generelles Arbeitsverbot, durch
„racial profiling“, Behördenwillkür und die ständig drohende
Abschiebung. Frauen und Kinder leiden unter dieser Situation in
besonderem Maße, weil ihnen jede Privatsphäre verwehrt ist. Viele
Geflüchtete werden so in den Suizid getrieben. Ihr Anspruch auf Asyl
wird so gut wie nie anerkannt. Auch wenn sich die Situation in Osnabrück
in wenigen Aspekten etwas positiver darstellt dürfen keine Rückschlüsse
auf Gesamt-Deutschland gezogen werden.
Kriminalisierung
Weiterhin vermittelt die mediale Aufarbeitung von Straftaten mittels
oft symbolträchtiger Formulierungsstile einen generellen, statischen
Zusammenhang zwischen Strafdelikten und Migrationshintergrund. Die
Herkunft der Verdächtigen, der fremdländisch klingende Name oder die
Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes stehen hier oft im
Mittelpunkt und grenzen die vermeintlichen Täter von der
Durchschnittsgesellschaft ab. Allein die Etablierung des Wortes
„Ausländerkriminalität“ in Presse und Politik und dessen inflationäre
Verwendung ist bezeichnend für die Verbindung von Herkunft und
Gesetzesbrüchen und für die Abgrenzung von „deutschstämmiger“
Kriminalität. Die gewählten Unterscheidungskriterien, die
Kriminalitätsstatistiken zu Grunde liegen, lassen nämlich darauf
schließen, unter welchen Faktoren eine gewisse Andersartigkeit vermutet
wird. Schon hier lässt sich also die Philosophie des rassistischen
Ausgrenzens erkennen. Menschen mit mutmaßlichem Migrationshintergrund
müssen sich erwiesenermaßen deutlich öfter polizeilichen
Personenkontrollen unterziehen, werden häufiger angezeigt und als
Tatverdächtige erfasst, was in Statistiken verzeichnet zu dem
irrläufigen Schluss führt, sie seien viel öfter in Straftaten verwickelt
als die Durchschnittsbevölkerung. Derartige Folgerungen führen zu einer
Verstärkung der ohnehin bestehenden Vorurteile und enden in einem
Teufelskreis aus Misstrauen, Feindlichkeit und Ausgrenzung, den es zu
durchbrechen gilt. Von diesen schockierenden Missverständen wissen auch
Osnabrücker Flüchtlinge zu berichten.
Rassismus ist kein Randphänomen
Die deutsche Öffentlichkeit sieht sich überwiegend als tolerant und
“ausländerfreundlich”. Sie ist “gegen Nazis” und schätzt Mesut Özil im
deutschen Nationaltrikot. Dennoch findet sich Rassismus weit verbreitet
in der deutschen Gesellschaft und die aktuelle Pegida-Bewegung ist der
augenscheinliche Beweis dafür. Die gewählte Politik spricht Millionen
hier lebenden Menschen dauerhaft elementare Rechte ab. Menschen, die
(vermeintlich) nach Deutschland migriert sind, werden noch immer als
Fremde, als Menschen auf Bewährung gesehen. Einen Scheinwerfer darauf
wirft die Staatsaffäre um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU):
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnte der NSU unbehelligt morden, Bomben
legen und Banken ausrauben, weil die deutschen Behörden sich darauf
festgelegt hatten, dass die Schuldigen dem “Milieu” der Opfer entstammen
mussten. Mit dem rassistischen Label “Döner-Morde” haben Medien und
Öffentlichkeit über Jahre die Opfer stigmatisiert und eine mögliche
Aufklärung verhindert. Mit der Krise ist auch der überwunden geglaubte
Rassismus gegen Bürger*innen südeuropäischer Staaten als Phänomen
zurückgekehrt.
Modernisierter Rassismus...
Der
nationale Diskurs um Integration steht für einen modernisierten
Rassismus, der nach Herkunft und Leistung gleichermaßen diskriminiert.
Menschen, die oft seit Jahrzehnten in Deutschland leben oder hier
geboren wurden, wird pauschal ein Integrationsproblem unterstellt. So
werden die Folgen anhaltender sozialer und politischer Diskriminierung
als Versäumnisse der Betroffenen umgedeutet, als Ausdruck von Kultur und
Mentalität.
Einzelne werden als gut integrierte
Vorzeige-Migrant*innen präsentiert, um allen anderen ihre ewige
Bringschuld vorzuführen. Dass auch dieser kulturell tuschierte Rassismus
brandgefährlich ist, belegt unter anderem der Erfolg der „Pegida“, und
auf gesamteuropäischer Ebene der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien
wie dem Front National in Frankreich und der FPÖ in Österreich.
...und rassistische Kontinuitäten
Der Umgang mit den Roma offenbart die Heuchelei der
deutsch-europäischen Asyl- und Menschenrechtspolitik. Roma werden
überall in Europa in Armut gedrängt und stigmatisiert. In vielen Ländern
werden sie von Behörden, Polizei und von bewaffneten Bürgerbanden
systematisch terrorisiert. Viele Staaten Kerneuropas nutzen jede
Gelegenheit, Roma in diese Länder zu deportieren. Sie setzen damit eine
Jahrhunderte lange Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung fort. Das
im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz zur sicheren
Drittstaatenregelung legitimiert die Hetze gegen Asylsuchende aus
Serbien und Mazedonien und gegen Roma aus EU-Staaten und knüpft somit
nahtlos an 1993 an. Seit Ende letzten Jahres zeigen nun auch die
selbsternannten „patriotischen Europäer“, dass ein Ende der
rassistischen Mobilmachung der 90er weiter auf sich warten lässt.
Die Festung Europa
Deutschlands Anti-Asyl-Politik wurde zum Vorbild der europäischen
Flüchtlingsabwehr, der allein seit dem Jahr 2000 mindestens 23.000
Menschen zum Opfer gefallen sind. Auf Grundlage des „Dublinverfahrens“
schiebt Deutschland Flüchtlinge ab, die über sogenannte
Ersteinreisestaaten (Staaten innerhalb der EU) eingereist sind. Damit
werden sämtliche umgebenden EU-Staaten Teil der Abschottung. Die
Grenzschutz-“Kooperation“ FRONTEX zwingt flüchtende Menschen Tag für Tag
auf lebensgefährliche Routen und lässt sie an den Außengrenzen der EU
ertrinken. Wer Europa erreicht, ist lange noch nicht sicher. Besonders
in Griechenland und Italien herrschen für Geflüchtete, selbst nach
Ansicht deutscher Gerichte menschenunwürdige Bedingungen:
Obdachlosigkeit, systematische Polizeigewalt, irreguläre Asylverfahren.
In Ungarn, Bulgarien, Malta und sogar in Frankreich und den Niederlanden
sieht es nicht anders aus. Dennoch wurde am 19. September letzten
Jahres von der deutschen Regierung beschlossen, selbst Länder wie
Serbien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien sowie Bosnien
und Herzegowina als sichere Herkunftsländer anzuerkennen. In Zukunft
sollen Flüchtende bereits bei ihrer Einreise inhaftiert werden. Das ist
tagtägliche Realität und läuft meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit
ab.
Islamophobie und Islamfeindlichkeit
Als
Islamophobie wird die stark ausgeprägte Angst gegenüber dem Islam
verstanden, welcher oft fälschlicherweise mit radikalen und
gewaltbereiten Splittergruppen gleichgesetzt wird. Dass Gruppen, wie der
IS, andere islamistische Terrororganisationen bis hin zu gewalttätigen
Einzelpersonen mit ihrem Handeln den eigentlichen Inhalten des
islamischen Glaubens widersprechen, wird nur selten erkannt.
Dabei
hat der Rassismus, wie auch die Islamophobie eine tief in Europa
verankerte Geschichte. In der jüngeren Vergangenheit äußerten sich diese
Ängste vor allem durch Anfeindungen verbaler Natur, wie beispielsweise
in den Kampagnen gegen den Bau der Merkez-Moschee in Duisburg und der
Khadija-Moschee in Pankow-Heinersdorf, Berlin sowie der Auslage von
Flyern mit islamfeindlichen Parolen in Osnabrück.
Insbesondere in
den letzten Wochen und Monaten aber zeigte sich die Gewaltbereitschaft
gegenüber Menschen islamischen Glaubens mehrmals deutlich. Der Neubau
einer Moschee in Dormagen wurde mit Hakenkreuzen beschmiert.
Demonstrationen der „HoGeSa“ sowie der Pegida gegen die angebliche
„Islamisierung des Abendlandes“ fanden und finden immer noch statt und
breiten sich weiter über ganz Deutschland aus.
Die Ängste, die zu
diesen Ereignissen führen, wurden unter anderem von Medien und Politik
ausgelöst und geschürt. Bezüglich der Medien sind vor allem diverse
Fernsehanstalten, Die Zeit und feindselige Internetblogs wie der
„Politically Incorrect“ zu nennen. Auch die politischer Seite, beginnend
bei den konservativen Kräften bis hin zu AFD und NPD, haben einen
großen Teil dazu beigetragen.
Hinzu kommen geistige Brandstifter wie Thilo Sarrazin, die das gelegte Feuer zu einem Flächenbrand haben werden lassen.
Geäußert hat sich dieser in insgesamt 78 Übergriffen auf Moscheen im
Zeitraum von Januar 2012 bis Frühjahr 2014. Eine erkennbare Solidarität
der deutschen Bevölkerung mit den Muslimen blieb dennoch aus.
Stattdessen begab man sich auf die „Suche nach dem deutschen
Super-Salafisten“.*
Wir finden es wichtig gegen die oben
aufgeführten Missstände auf die Straße zugehen! Deswegen wollen wir mit
euch und zahlreichen anderen Gruppen demonstrieren und ein Zeichen
setzen gegen die Pegida-Bewegung, welche gleichzeitig Ausdruck und
Verstärker für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie ist.
Zeigt diesen Auswüchsen die rote Karte! Kommt zahlreich! Kommt bunt! Seid laut!
* an dieser Stelle wird frei zitiert. Quelle: http://www.spiegel.de/ politik/deutschland/ hooligan-krawalle-jakob-aug stein-ueber-islamophobie-a -1000131.html
Facebookveranstaltung: facebook.com/events/747522362010883/?ref=22