Grünen-Politiker Beck erstattet Anzeige wegen Strafvereitlung / Orosz und Ulbig fordern Besonnenheit
Von Christoph springer
  
Dresden. Nach dem Tod des 20-jährigen Asylbewerbers Khaled Idris Bahray in Dresden werden immer mehr Details zu dem Geschehen in der Nacht zum Dienstag bekannt. Zugleich stellen sich immer mehr Fragen zum gewaltsamen Tod des Eritreers. Neu ist dabei: Bei der Obduktion wurden nicht nur mehrere Einstichwunden am Hals und der Brust des Mannes gefunden, er hatte auch einen offenen Knochenbruch. Dass die Polizei am Dienstag mitteilte, es gebe "keine Anhaltspunkte auf eine Fremdeinwirkung", erklärte Dresdens Staatsanwaltschaft gestern mit der "Auffindesituation". "Da konnte man nicht sagen, dass er erstochen worden ist", sagte Lorenz Haase, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dennoch hat der Grünen-Politiker Volker Beck Anzeige erstattet. "Strafvereitelung im Amt" lautet der Vorwurf, den das Bundestagsmitglied dabei erhebt. Polizei und Staatsanwaltschaft gingen bei den Ermittlungen zu "nachlässig" vor, moniert der Politiker.
 Staatsanwalt Haase beschrieb gestern auf Anfrage dieser Zeitung den 
Ablauf am Dienstagmorgen. Demnach wurde der Tote von einer Anwohnerin 
entdeckt. Dabei handelt es sich um Wienried K., eine 62-Jährige aus 
einem Nachbarhaus, das an den Sechsgeschosser anschließt, in dem die 
Asylbewerber wohnen. "Ich bin am Morgen gegen halb acht mit dem Hund 
raus", berichtete sie. "Da hab ich etwas am Haus liegen sehen. Ich 
dachte zuerst, dass dort jemand Kleidung hingelegt hat. Als ich dann 
nähergekommen bin, habe ich gesehen, dass es ein Mensch ist. Der hat 
nicht mehr geatmet."
Die Frau alarmierte die Polizei, die "keine zehn Minuten später" vor Ort
 war. Blut oder Verletzungen hat Wienried K. an dem Toten nicht gesehen.
 "Nein, da war nichts", erinnert sie sich. Den Tod des 20-Jährigen kann 
sie sich genauso wenig erklären, wie alle anderen Nachbarn. "Die waren 
ganz ruhig", berichtet sie von den Asylbewerbern im 1. Stock des Hauses 
im Stadtteil Leubnitz-Neuostra, die sie gern auch "die Schwarzen" nennt.
 Haase berichtete, nachdem am Dienstagmorgen klar war, dass es sich um 
einen Toten handelt, seien ein Notarzt und Ermittler des Kommissariats 
11 informiert worden. Zu diesem Kommissariat gehört auch die 
Mordkommission. Auch der Arzt habe "aufgrund der Auffindesituation" 
nicht mehr sagen können, als dass es sich nicht um einen natürlichen Tod
 handelt. 
Deshalb wurde der Tote am Mittwoch von Rechtsmedizinern untersucht. 
Haase weiter: "Am Morgen um 9 Uhr fing die Obduktion an. Zehn Minuten 
später wurde die erste Stichverletzung entdeckt und sofort die 
Mordkommission informiert." Da sei noch nicht klar gewesen, ob die 
Stichverletzung auch die Todesursache war. "Das ist vom Ablauf her 
völlig normal gelaufen", wies Haase Kritik an den Ermittlungen der 
Polizei zurück. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gab es also keine 
Ermittlungspannen.
Oberbürgermeisterin Helma Orosz und Innenminister Markus Ulbig (beide 
CDU) warnten vor voreiligen Schlüssen. Die Tat habe geschockt und werfe 
viele Fragen auf, sagte Orosz. Wichtig sei ihr jedoch, dass es nun keine
 Spekulationen in die eine oder andere Richtung gebe. Ulbig kritisierte 
das Vorgehen von Beck. "Strafanzeigen aus der Politik helfen keinen Deut
 bei der Aufklärung", sagte Ulbig, "Zurückhaltung und Respekt vor der 
Ermittlungsarbeit aber schon."
Die Polizei berichtete am Dienstag, der 20-Jährige habe die Unterkunft 
am Montagabend gegen 20 Uhr verlassen und gesagt, er wolle einkaufen 
gehen. Der nächstgelegene Supermarkt befindet sich in den 
Leubnitz-Arkaden und ist nur etwa zwei Gehminuten entfernt. Auf dem Weg 
dorthin ist er von mindestens zwei Überwachungskameras gefilmt worden. 
Die Ermittler hoffen darauf, dass Khaled Idris Bahray gesehen worden 
ist. Bisher gab es aber noch keine Zeugenhinweise, die eine heiße Spur 
ergeben, sagte Haase. Weshalb die Mitbewohner des 20-Jährigen nicht 
selbst und viel früher Alarm geschlagen haben, nachdem Khaled Idris 
Bahray vom Einkauf nicht zurückgekommen ist, ist unbekannt. "Dazu kann 
ich im Moment nichts sagen", erklärte Oberstaatsanwalt Haase.
