Organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung fand am Dienstag abend im Lichtmess-Kino in Hamburg-Altona eine öffentliche und kostenfreie Veranstaltung zum Thema »Rechtsterrorismus in Deutschland« statt. In der Diskussionsrunde sollten sich der Hamburger Verfassungsschutzchef Manfred Murck, der als »Journalist und Rechtsextremismusexperte« angekündigte Andreas Speit sowie Kay Seligmann, Mitarbeiter des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Hamburg über die »neuesten Erkenntnisse zum Fall Zwickauer Zelle, mögliche Versäumnisse des Verfassungsschutzes und Prävention gegen Rechtsextremismus« austauschen.
Der Veranstaltungsmoderator Frederic Werner eröffnete die Diskussion mit
einem an die Wand geworfenen Cartoon: Er zeigt einen um die Straßenecke
gehenden Bürger, der plötzlich mit einer Neonazischlägergang
konfrontiert, entsetzt in der Sprechblase ausruft: »Oh, die Herren vom
Verfassungsschutz!« Manfred Murck, der als Soziologe vor seinem Wechsel
von der Polizeiführungsakademie in Hiltrup zum Verfassungsschutz nach
Hamburg mit einem Buch über den Umgang der Polizei mit
fremdenfeindlicher Gewalt in den frühen 90er Jahren hervorgetreten ist,
äußerte direkt darauf angesprochen, daß er auch »schon witzigere
Cartoons gesehen« habe. Nach diesem von Murck mit professioneller
Beiläufigkeit erteilten Ablehnungsbescheid spielte die in diesem Cartoon
deutlich zum Ausdruck gebrachte These von der Alimentierung der
Neofaschisten durch die VS-Behörden für das folgende Gespräch keine
Rolle mehr. Bei einschlägigen Medienberichten handele es sich lediglich
um »Gerüchte«, für die es »keine Belege« gebe. Richtig sei vielmehr, daß
die Zwickauer Terrorzelle den VS-Behörden »vom Radar« gegangen sei.
Allerdings sei die Verbindung des Amtes für Verfassungsschutz in Erfurt
zum »Thüringer Heimatschutz« aufklärungsbedürftig und die Bestallung von
Tino Brandt als V-Mann ein »klarer Verstoß gegen die Regeln der
V-Mann-Führung«.
Speit war mit dieser Betrachtung nicht einverstanden. Er verwies auf
mindestens sechs V-Leute im Umfeld der Terrorzelle, von denen in den
Medien die Rede sei. Auch habe das Landeskriminalamt Thüringen erklärt,
daß es mindestens einen V-Mann mit direktem Kontakt zur Zwickauer Zelle
gegeben haben soll. Gleichwohl, so räumte Speit ein, werde in den
Medien derzeit zu viel spekuliert.
Bezug nehmend auf seine Arbeitserfahrungen erklärte Seligmann, er frage
sich oft, was der Verfassungsschutz eigentlich so treibe. Immer wieder
mache er die Erfahrung, daß der Polizei bestimmte Konzerte von
Neonazi-Rockbands völlig unbekannt seien, bis er, Seligmann, sie darauf
aufmerksam mache. Murck konterte das mit der Bemerkung. »Aber das ist
doch wunderbar, wenn sich Bürger wie Sie oder auch andere gegen die
Bedrohung rechtsextremistischer Gewalt engagieren. Es geht doch um eine
vernünftige Arbeitsteilung zwischen der Antifa und dem
Verfassungsschutz«.
Am Ende der Veranstaltung wurde an Seligmann und Speit aus dem Publikum
die Frage gestellt, welchen Platz und vor allem welche Perspektive sie
für sich in dieser von Murck eröffneten »vernünftigen Arbeitsteilung
zischen Antifa und VS« sehen, und, eine positive Antwort vorausgesetzt,
was denn Antifagruppen, aber auch das Bündnis gegen Rechts in Weimar
aktuell mit ihrer Forderung nach Auflösung der VS-Behörden falsch
machten. Seligmann nahm weder zu der einen noch der anderen Frage
Stellung. In seiner Antwort bezeichnete Speit die Forderung nach der
Auflösung der VS-Behörden zwar als »sexy«, gleichwohl stehe jetzt erst
einmal eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Vorgänge um die
VS-Behörden in Thüringen und Sachsen auf dem Programm.
Angesprochen auf den »Linksextremismus« in der Antifa erklärte Murck
spontan: »Antifa ist doch prima!« Nicht so prima seien Einflüsse des
»Marxismus-Leninismus wie wir ihn in der DDR hatten« oder auch »autonome
Gewalt«. Derartige Phänomene müßten Beobachtungsprojekt der VS-Behörden
bleiben.