Irgendwann im Januar des Jahres 2012 reist der nach eigenen Angaben »renommierte Fanforscher« Martin Thein von Köln nach Stuttgart, um die Ultragruppe »Commando Cannstatt« zu besuchen. Es läuft gut für den promovierten Politologen zu dieser Zeit. Kurz zuvor hatte die Universität Würzburg in einer Pressemitteilung die Gründung eines am Fachbereich Sportwissenschaften angesiedelten Institutes für Fankultur (IFF) bekanntgegeben. Es wird von Professor Harald Lange geleitet, der das Institut zusammen mit Jannis Linkelmann und Martin Thein gegründet hat. Um »eine Plattform für die empirische Forschung über Fankulturen im Fußball« zu schaffen, wie es in einer Presseerklärung der Uni hieß.
Als empirischer Forscher trinkt Martin Thein mit den Ultras des VfB 
Stuttgart Bier und unterhält sich. Alle sind sich sympathisch, und Thein
 ist keiner, der besonders kritisch nachfragen würde. Er möchte aber von
 den Fans wissen, wie denn ihr Verhältnis zur Polizei sei, und: »Wer 
gibt das vor, was erlaubt ist? Die Führungsfiguren?«.
Dieses Gespräch findet sich unter der Überschrift »Ultras hautnah!« 
abgedruckt in dem Sammelband »Ultras im Abseits? Porträt einer 
verwegenen Subkultur«, den Thein 2012 zusammen mit Jannis Linkelmann im 
Göttinger Verlag Die Werkstatt herausgegeben hat. Ursprünglich war eine 
in Deutschland einmalige Studie »aus dem Innenleben« von Ultragruppen 
geplant gewesen.
Letztlich haben aber in dem Sammelband Fanbeauftragte, Journalisten, 
Wissenschaftler und auch Polizisten das letzte Wort. Einer davon ist der
 von Thein und Linkelmann im Dezember 2011 interviewte Expolizist Helmut
 Spahn, der aus seiner Perspektive »die Entwicklung der Ultras und seine
 Erfahrungen im Umgang mit Fangruppen Revue passieren« läßt. Spahn war 
von 2006 bis 2011 Sicherheitsbeauftragter des DFB und wechselte dann 
nach Katar als Direktor eines Sicherheitsunternehmens namens 
»Internationales Zentrum für Sicherheit im Sport«. Und siehe, im März 
2012 erklärte dieses Zentrum gemeinsam mit dem Würzburger Institut für 
Fankultur in Doha, man wolle »die Motivation und das Verhalten von Fans 
in aller Welt« erforschen, »um die Ursachen von Gewalttätigkeit und 
Hooligantum bei internationalen Sportereignissen zu ergründen und 
mögliche Präventivmaßnahmen gegen solches Verhalten bei 
Sportveranstaltungen zu entwickeln«. Ein derartiges Forschungsvorhaben 
solle der »Erlangung und Weitergabe von Wissen auf dem Gebiet der 
Sicherheit im Sport« dienen.
Auf diesem Gebiet kennt sich Thein aus, schließlich ist er »ein Mann des
 Bundesamtes für Verfassungsschutz«, wie Stefan Aust und Dirk Laabs in 
ihrem Buch »Heimatschutz« schreiben, das im Mai herausgekommen ist. Dort
 steht auch, daß Thein in den 90er Jahren als V-Mann-Führer direkt in 
die Strukturen des NSU einbezogen war.
Mittlerweile wurde diese Enthüllung von zwei Fernsehdokumentationen, die
 von WDR und 3sat gezeigt wurden, aufgegriffen. Und auch die Linkspartei
 hat in Sachen Thein eine kleine Anfrage an die Bundesregierung 
gestellt. Seitdem ist Thein für niemanden mehr zu sprechen.
Vom Institut für Fankultur gibt es zu seinem Fall bislang zwei 
Stellungnahmen. In der ersten warnte der Leiter Professor Lange vor 
»Pauschalisierungen, Alltagstheorien, Vorurteilen und sogar 
Verschwörungstheorien«. Gerade weil er die »wissenschaftlichen 
Leistungen von Herrn Dr. Thein und die von ihm ausgehenden Impulse für 
die Fankulturforschung« sehr schätze, sei er »im vorliegenden Kontext an
 einer faktenbasierten Erörterung interessiert«.
Ende August schob der IFF-Mitarbeiter Gabriel Duttler zu der Causa 
Thein eine zweite Stellungnahme nach. Darin wurde der Mitbegründer des 
Institutes kurzerhand zu einem »ehrenamtlichen Mitarbeiter« 
heruntergestuft. Und der habe gerade einmal in dessen Gründungszeit 
»eine Rolle« gespielt, bevor er – so eine weitere diffuse Formulierung –
 »uns Richtung Universität Hannover in das Umfeld der Forschungsgruppe 
um Gunter Pilz« verlassen habe. Immerhin distanziert sich das IFF »von 
einer pauschalen Kriminalisierung von Fußballfans und sieht in diesem 
gesellschaftlichen Feld keinen verfassungsschutzrechtlichen 
Handlungsbedarf«. Für die Zukunft wurde »eine transparente und 
faktenbezogene Aufarbeitung der Thematik« begrüßt, auch wenn im Fall von
 Thein davon keine Rede sein kann.
Eher gewinnt man den Eindruck, hier geht es um eine gezielte Vermischung
 von Forschungs-, Sozial- und Polizeiarbeit, also um eine differenzierte
 Kriminalisierung von Fußballfans.
