Bei einer Demo des Lübecker Flüchtlingsforums soll die Stadt am Sonnabend Solidarität mit Verfolgten zeigen. Die Unterstützung ist groß - tausend Teilnehmer werden erwartet.
Lübeck. Die Lübecker machen mobil gegen Fanatismus und für Solidarität mit Flüchtlingen. Nach der Gedenkveranstaltung für die Terror-Opfer von Paris am vergangenen Sonnabend ruft nun das Lübecker Flüchtlingsforum zur Demonstration „Refugees Welcome — Solidarität auf die Straße tragen“ auf. Start ist am Sonnabend um 12 Uhr am Hauptbahnhof, und erwartet werden rund tausend Teilnehmer.
„Mit der Demonstration wollen wir zeigen, dass Rassismus, Gewalt und Hetze in Lübeck keinen Platz haben“, sagt Mitorganisatorin Heike Behrens vom Verein Lübecker Flüchtlingsforum. Unterzeichnet haben den Aufruf viele Vereine, Initiativen, Bündnisse, Politiker, Kirchenvertreter sowie Privatpersonen. Die Kundgebung findet bewusst am Vortag des Gedenkens an den Brandanschlag in der Hafenstraße vor 19 Jahren statt.
Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) hebt hervor, dass die Gesellschaft jetzt Haltung zeigen muss. „Wir stehen ein für Weltoffenheit und Toleranz, für Mitmenschlichkeit und Solidarität.“ Eine christlich und humanitär geprägte Gesellschaft dürfe den teils schwer traumatisierten Flüchtlingen Hilfe nicht verweigern, so Saxe. Gleichzeitig fordert er Aufklärung, Information und Kommunikation „gegen dumpfe Veranstaltungen wie Demonstrationen von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden“. Da diese vielfach aus diffusen Ängsten und Unkenntnis entstünden, müsse man „den Menschen zuhören, mit ihnen reden und ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen“. Gegen brutale Gewalt und Terror hingegen helfe nur strafrechtliche Verfolgung und harte Bestrafung, so der Bürgermeister.
Die Flüchtlingsbeauftragte Elisabeth Hartmann-Runge, Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, will ein Zeichen für eine weltoffene Stadt setzen. „Wir wollen zeigen, dass es in Lübeck viele Menschen gibt, die Flüchtlinge willkommen heißen und für Menschenrechte und soziale Teilhabe einstehen.“ Um Stimmungsmache und Rassismus vorzubeugen, müsse die Gesellschaft ihre unbewussten Bilder von der Aufteilung der Welt korrigieren. „Warum kann ein kleiner Teil der Weltbevölkerung grenzenlos Wohlstand suchen, während es für die Mehrheit unüberwindliche Grenzen gibt?“, fragt die Pastorin und hofft, „dass wir unsere Sprachfähigkeit einsetzen, um Konflikte zu bearbeiten und nicht zu schüren“.
Laut Stefan Schmidt, Flüchtlingsbeauftragter des Landes, „muss unbedingt ein Gegengewicht zu Pegida hergestellt werden, noch ehe diese dumpfe Masse sich durch unsere sauberen Straßen ergießt“. Auch Schmidt plädiert für Aufklärung: „Schulen, Medien, Kirchen und Politik müssen viel mehr als bisher ein deutliches Wort reden.“ Bernd Meimberg vom Bündnis „Wir können sie stoppen“ hält die Teilnahme gerade in der heutigen Zeit für wichtig. „Verschiedene politische Kräfte versuchen, Ängste zu schüren, Flüchtlinge auszugrenzen und den Islam als die Ursache alles Bösen zu verteufeln“, so der Sprecher der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der AntifaschistInnen“.
Auch die Lübecker SPD kritisiert die Pegida-Demos in verschiedenen deutschen Städten. „Wir verurteilen die dort vorgetragene Intoleranz, Islamfeindlichkeit und rechtspopulistische Stimmungsmache“, sagt Vorsitzender Thomas Rother und spricht sich für eine „humane Flüchtlingspolitik aus, die nicht auf Abschottung, sondern auf Offenheit setzt“. Für den Kreisvorstand von Bündnis 90/Die Grünen Lübeck „unterstreichen die Ereignisse der vergangenen Tage, wie wichtig es ist, besonnen und entschlossen für das friedliche Zusammenleben in unserer offenen Gesellschaft einzutreten“. Zudem biete die Bewältigung der sozialen Herausforderungen in der Asylpolitik auch Chancen, betont Kreisvorstandssprecher Roland Vorkamp. „Die wirtschaftliche Struktur und Organisation unseres Landes ist so gewählt, dass wir allein schon für die Aufrechterhaltung des jetzigen Niveaus Zuwanderungen von Arbeitskräften benötigen. Wirtschaftsverbände bewerben offen die Wichtigkeit dieses Aspekts.“
Nach Angaben der Polizei werden etwa 800 bis 1000 Teilnehmer zur Demonstration erwartet, und es liegen bislang keine Erkenntnisse über Gegenaktivitäten vor. Mit wie vielen Einsatzkräften die Beamten vor Ort sein werden, wird „aus taktischen Gründen“ nicht bekanntgegeben. Mit temporären Sperrungen muss gerechnet werden.
Der Film „Tot in Lübeck“ wird
am Donnerstag, 15. Januar, im Café Brazil (Willy-Brandt-Allee 9) und am
Freitag, 16. Januar, im Audimax/Universität zu Lübeck (Ratzeburger
Allee 160) gezeigt. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Der Film dokumentiert
die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach dem Brandanschlag in der
Lübecker Hafenstraße. In der Nacht zum 18. Januar 1996 starben bei dem
Anschlag auf das damalige Flüchtlingsheim sieben Kinder und drei
Erwachsene. 38 Überlebende verloren Angehörige und Freunde und trugen
teilweise schwere Verletzungen davon.
Das Gedenken „Hafenstraße 96“ findet am Sonntag, 18. Januar, statt. Beginn ist um 12 Uhr Ecke Hafenstraße/Konstinstraße.
Unter dem Titel „persona non data“ läuft
am Sonntag, 18. Januar, im Kommunalen Kino Koki (Mengstraße 35) ein
Film von Dorothea Carl. Beginn ist um 20.30 Uhr, und im Anschluss an die
Vorführung wird zu einem Gespräch mit der Filmemacherin eingeladen. In
„persona non data“ erzählen 14 Menschen die Geschichten ihrer Flucht aus
der Heimat: zu Fuß, in Booten, mit Helfern und auf der Flucht vor
Krieg, Giftgas, Folter, Angst und Schrecken. Manche sind noch Kinder.
Das Theater „Asyl-Dialoge“
findet am Donnerstag, 29. Januar, in der Diele, Mengstraße 41-43,
statt. Beginn ist um 19 Uhr. Es handelt sich um ein dokumentarisches
Theaterstück, das entstanden ist aus Interviews mit Geflüchteten.