Die Leerstellen bei den Antipegida-Protesten

Erstveröffentlicht: 
13.01.2015

Reicht es für eine linke Bewegung, den Minimalkonsens gegen Pegida und Co. zu finden und eine eigene Antwort auf den Dschihadismus zu verweigern? Mit Spannung war erwartet worden, wie sich die dschihadistischen Anschläge von Paris auf die Pegida-Bewegung und ihre regionalen Ableger auswirken würde. Der befürchtete Durchbruch ist den Islamgegnern am gestrigen Montag nicht gelungen. Wirklich gewachsen ist sie nur in Dresden, eine nennenswerte Anhängerschaft fand sie auch in Leipzig. In fast allen anderen Städten blieb sie auf das diverse rechte und rechtspopulistische Milieu beschränkt, obwohl Veranstalter in verschiedenen Städten versuchten, der rechten Ecke zu entkommen.

 

So wurde in München eine professionelle Pressearbeit gemacht und als Redner wurden von Islamisten verfolgte Christen aus verschiedenen Ländern vorgestellt. Damit wollten die dortigen Organisatoren Weltoffenheit demonstrieren.

Versuche von Rechtspopulisten, außerhalb des Pegida-Kontextes auf die Straße zu gehen, stießen in mehreren Städten auf massive Gegenproteste. Dazu gehört eine als Trauermarsch mit den Opfern des Dschihadismus in Paris angekündigte Demonstration der Freien Wähler Frankfurts am vergangenen Samstag. Obwohl in dem Aufruf ausdrücklich Moslems aus der Region erwünscht sind, also eine Unterscheidung zwischen Islamismus und Islam erfolgt, wurde die Demonstration von linken Gegendemonstranten massiv blockiert und ihre Teilnehmer verbal angegangen .

 

Warum nicht mehr Blasphemie auf den Gegenaktionen?

Wenn wenige Tage nach den Ereignissen in Paris in ganz vielen deutschen Städten Menschen massiv gegen die in dem Gewand der Islamkritik stehende Aufmärsche mobilisieren, sollte man zumindest hinterfragen, ob die Gefahr einer neuen Islamophobie in Deutschland, von der immer wieder gesprochen wird, real ist.

Der Begriff Islamophobie ist auch in linken Kreisen mit Recht durchaus umstritten, weil damit ein Islamhass aus rassistischen Motiven nicht von einer Islamkritik unterschieden wird, die im Kontext einer emanzipatorischen Religionskritik erfolgt. Bei den gegenwärtigen Protesten gegen die verschiedenen rechten Aktivitäten gegen den Islam dominiert vor allem eine negative Abgrenzung.

 

Man distanziert sich von den unterschiedlichen rechten Gruppen, von Rassismus und wie beim Protest gegen die FW-Aktivitäten in Frankfurt auch von christlichen Fundamentalisten. Die Frage ist allerdings, ob das ausreicht. Eigene Akzente gegen die dschihadistische Ideologie und Praxis sind zumindest auf den Demonstrationen gegen rechte Islamgegner doch eher selten. Dabei hat die Antifa Frankfurt auf ihrer Homepage durchaus klar Position bezogen:

Das Recht auf Blasphemie muss nicht nur gegen Isla­mis­ten ver­tei­digt wer­den, son­dern auch gegen an­dere Reli­gions­gemein­schaf­ten. Ebenso muss das Recht darauf, den Staat und seine Or­gane lächer­lich dar­zu­stel­len, auch in Deutsch­land und Frank­reich immer wieder neu er­strit­ten werden.

Warum aber wird diese Erkenntnis nicht praktisch umgesetzt, in dem dazu aufgerufen wird, auf linken Aktivitäten solche blasphemischen Bilder und Karikaturen mitzubringen, die diversen Mohammed-Karikaturen inklusive?

Angesichts der peinlichen Versuche der Leipziger Behörden, das Zeigen von Mohammed-Karikaturen auf der Demonstration des Leipziger Pegida-Ablegers zu verbieten, wäre eine solche Geste auch ein Zeichen, dass man es nicht rechten Gruppen überlässt, sich hier als Verteidiger der Religionskritik zu inszenieren. Schließlich gehörte die einmal zu einen der Wurzeln linker Gesellschaftskritik.

 

Heute findet man in manchen linken Publikationen häufig die Befürchtung, irgendwelche Religionsanhänger zu beleidigen, vor allem, wenn sie aus außereuropäischen Ländern kommen. Dabei müsste man doch dafür Sorge tragen, dass Religionskritik immer und überall praktiziert werden kann, ohne dass das Folgen für die Beteiligten hat. Es steht den diversen Gläubigen frei, sich darüber zu ärgern und die religionskritischen Produkte nicht sehen zu wollen. Es steht ihnen aber nicht frei, die Autoren dafür anzugreifen.

 

Dieser Grundsatz hätte eigentlich in den letzten Tagen bei Aktivitäten der linken Gruppen eine Rolle spielen müssen. Doch auf der diesjährigen Demonstration, die immer am zweiten Sonntag im Januar in Gedenken an die ermordeten linken Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu deren Gräber in Berlin zieht, musste man schon genau hingucken, um auch nur einen Hinweis auf die Anschläge von Paris zu finden. Auf den diversen Plakaten und Transparenten wurden viele Übel in der Welt angeprangert. Doch der Dschihadismus, der wenige Tage zuvor so blutig in Paris, in Nigeria und an vielen Orten der Welt in Aktion trat, wurde dabei vergessen.

 

Türkei: Verbündeter gegen Islamismus?

Das ist aber nur eine der vielen Leerstellen beim Kampf gegen Rechts, den die Linke in diesen Tagen praktiziert, in dem sie Pegida und Co. zu einer großen Gefahr aufbläst, die nur mit einer Einheitsfront der unterschiedlichsten Gruppen begegnet werden könne. Während in Berlin am Brandenburger Tor über 4.000 Menschen gegen Bärgida demonstrierten, traf sich der türkische Ministerpräsident Davotuglu mit Merkel im Bundeskanzleramt.

Beide beschworen, Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus zu sein. Ist in linken Kreisen bereits vergessen, dass hier der Repräsentant einer islamistischen Regierung empfangen wurde, die die bürgerlichen Rechte in der Türkei massiv einschränkt und lange Zeit den Islamismus in Syrien zumindest stillschweigend gefördert hat?

 

Als die kurdischen Enklaven in Nordsyrien massiv von dem IS bedroht waren, wurde die Rolle der türkischen Regierung durchaus kritisch angeprangert. Wenige Wochen später scheint das schon vergessen. Während sich viele gegen Pegida und Co mobilisiert fühlen, wurde von Protesten gegen den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten nichts bekannt.

 

Peter Nowak 13.01.2015