Bad Nenndorf: Bürgerentscheid über umstrittenes Denkmal

Erstveröffentlicht: 
08.01.2015

Die Bewohner der niedersächsischen Kurstadt Bad Nenndorf haben am Sonntag die Wahl: Wollen sie eine Statue für eine umstrittene Schriftstellerin im Stadtpark belassen oder soll sie aus der Öffentlichkeit verbannt werden. 

 

Von Julian Feldmann

 

Bereits im Oktober 2013 hatte der Stadtrat auf Antrag der Linken beschlossen, das Denkmal für die Dichterin Agnes Miegel (1879-1964) aus dem Kurpark zu entfernen. Hintergrund der Entscheidung war die Rolle Miegels im nationalsozialistischen Kulturbetrieb. Die aus Königsberg stammende Dichterin war bekennende Nationalsozialistin, Mitglied der NSDAP und der NS-Frauenschaft. Sie verfasste Lobhymnen auf Adolf Hitler und legte 1933 gemeinsam mit anderen systemkonformen Schriftstellern ein „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ auf Hitler ab.

 

Zwei führende Mitglieder der in der Stadt ansässigen „Agnes-Miegel-Gesellschaft“ (AMG) initiierten kurz nach der Entscheidung des Stadtrats ein Bürgerbegehren. Sie strebten an, dass die Bad Nenndorfer über den Verbleib der Bronzestatue in dem Park abstimmen sollten. Zuvor hatte einer der Initiatoren, AMG-Pressesprecher Detlef Suhr, Miegel-Kritikern gar mit strafrechtlichen Konsequenzen wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gedroht.

 

Im November legten die Initiatoren des Bürgerbegehrens der Stadtverwaltung eine Liste mit knapp 1300 Unterschriften von Bad Nenndorfern vor, die sich für einen Bürgerentscheid aussprachen. Am kommenden Sonntag sind nun die 8900 Wahlberechtigten aufgerufen, ihre Stimme für oder wider die Miegel-Stele im Park abzugeben. Während sich die örtliche CDU für den Erhalt des Denkmals im Kurpark einsetzt und einen „Fahrdienst zum Bürgerentscheid“ anbietet, kritisiert das Anti-Nazi-Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ die Verehrung Miegels. Auch die Jusos positionierten sich zu der Thematik: „Aufgrund ihrer Verstrickungen in der NS-Zeit hat Miegel jegliche Vorbildfunktion verloren.“

 

Neben der NS-Dichterin sind auch die „Miegel-Gesellschaft“, die aus dem Vertriebenen-Milieu stammt, und das Denkmal selbst umstritten. Gestiftet wurde die 1994 eingeweihte Bronzestatue von dem Kulturmäzen Willibald Völsing aus Giesen-Hasede bei Hildesheim. Völsing war Mitglied des „Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes“ (DKEG), wie Unterlagen belegen, die dem Störungsmelder vorliegen. Bis zu seiner Auflösung 1996 war das „Kulturwerk“ eine der größten rechtsextremen Kulturvereinigungen in der Bundesrepublik.

 

Der 90-jährige Völsing spendete auch für den rechtslastigen „Bund für deutsche Schrift und Sprache“, förderte den NS-Künstler Ernst von Dombrowski und steuerte Beiträge für die Zeitschrift „Glauben und Wirken“ bei. Das Blatt ist das Organ des völkisch ausgerichteten, extrem rechten „Bunds Deutscher Unitarier“. Auch der Gestalter des Denkmals, Ernst Hackländer aus Essen, hatte Kontakte ins rechtsextreme Lager und wurde 1986 vom DKEG mit dem „Goldenen Ehrenring“ ausgezeichnet.

 

Eigentümerin des bronzenen Abbilds der Dichterin ist die AMG. Deren Vorsitzende Marianne Kopp, Interviewpartnerin des rechtsextremen Magazins „Zuerst!“, war 2001 im rechtsextremen „Collegium Humanum“ (CH) aufgetreten. Laut Pressesprecher Suhr war der Literaturwissenschaftlerin Kopp die verfassungsfeindliche Ausrichtung des 2008 verbotenen CH damals „nicht bekannt“. Mit Sabine Crone sitzt auch im Beirat der AMG eine Referentin, die in dem Holocaust-Leugner-Zentrum aufgetreten war. Crone war außerdem Unterzeichnerin einer von der Gruppe „Frauen für Frieden“ initiierten Petition „Keine deutsche Kriegsbeteiligung im Irak“. Die Unterschriftenlisten konnten bei der Holocaust-Leugnerin und damaligen CH-Vorsitzenden Ursula Haverbeck-Wetzel angefordert werden. Auch auf der Autorenliste der CH-Vereinszeitung „Stimme des Gewissens“ tauchte Crone auf.

 

In Miegels ehemaligem Wohnhaus in Bad Nenndorf, in dem die AMG ein Museum betreibt, werden auch Werke aus dem einschlägig bekannten Verlag von Siegfried Bublies zum Kauf angeboten, der ehemals als Funktionär der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv war. Auch die Neonazi-Szene, die alljährlich im Sommer in Bad Nenndorf einen „Trauermarsch“ durchführt, verehrt Miegel als „Mutter Ostpreußen“. Rechtsextremisten legten mehrmals Blumen an der Statue ab. Zuletzt gedachten am 8. Mai vergangenen Jahres Neonazis am Denkmal der „großen ostpreußischen Heimatdichterin“. Einer der Mitorganisatoren des „Trauermarsches“, der NPD-Funktionär Matthias Fiedler, setzte sich auf einer Partei-Versammlung in Gera für den Verbleib der Statue im Kurpark Bad Nenndorfs ein. In rechtsextremen Publikationen werden immer wieder Miegels Gedichte gedruckt.

 

Die Bürger der Kleinstadt entscheiden am Sonntag darüber, ob die Statue aus dem öffentlichen Park entfernt und an die AMG zurückgegeben wird. Mindestens 2200 Stimmen müssen abgegeben werden, damit die Wahl gültig ist. Ob die Abstimmung jedoch auch die Debatte über die NS-Dichterin beenden wird, ist ungewiss. Denn der Konflikt um Miegel in Bad Nenndorf schwelt schon seit Jahrzehnten. Als Ende der 1960er Jahre das örtliche Gymnasium nach der Hitleristin benannt werden sollte, liefen Lehrer und Schüler Sturm – und verhinderten dies letztendlich.