Ministerpräsident Tillich und Oberbürgermeisterin Orosz setzen mit eigener Demo Zeichen gegen Pegida
Von Jürgen Kochinke
 Dresden. In den vergangenen Wochen und Monaten wirkten die 
Reaktionen der offiziellen Politik auf die islamfeindlichen Pegida-Demos
 eher wie ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Zwar gab es immer mal das eine
 oder andere Statement zum Reizthema, eine Linie, ein abgestimmtes 
Verhalten aber war nicht erkennbar. Das hat sich jetzt geändert, 
erstmals formiert sich in Dresden breiter Widerstand gegen die wüste 
Gemengelage aus Angst- und Wutbürgern, angereichert durch einige 
Hooligans und Rechtsextremisten.
 Selbst Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), der im Normalfall nicht 
gerade zu pointierten Stellungsnahmen neigt, hat klare Kante gezeigt - 
staatsmännisch in der Wortwahl, aber eindeutig in der Aussage. Von einer
 Bühne, von der aus gegen Ausländer gehetzt werde, wolle er nicht reden,
 so seine Ansage. Und nicht nur das, zusammen mit Dresdens OB Helma 
Orosz (CDU) lädt er zu einer eigenen Veranstaltung am kommenden 
Sonnabend ein. Offizieller Tenor: "Für Dresden, für Sachsen - für 
Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog".
Und auch jetzt herrscht kein Mangel an klaren Aussagen. "Die 
Erfolgsgeschichte des Kultur- und Wirtschaftslandes Sachsen ist nur 
möglich geworden, weil die Menschen von hier gemeinsam mit Menschen aus 
allen Teilen der Welt Hand in Hand daran gearbeitet haben", heißt es in 
einer gestern von Tillich und Orosz verbreiteten Mitteilung. "Für viele,
 die zu uns gekommen sind, ist Sachsen zur Heimat geworden. Sie teilen 
unsere Sprache und Werte."
Das erinnert ein wenig an den Umgang der offiziellen Politik mit den 
Neonazi-Demos rund um den 13. Februar in Dresden. Auch da war es gerade 
die sächsische CDU bis hin zum damaligen Regierungschef Georg Milbradt 
(CDU), die dem Treiben der Rechtsextremisten jahrelang tatenlos 
zuschaute - bis Orosz die Brisanz der Lage erkannte und gegensteuerte. 
Denn klar ist: Permanente, bundes- und weltweite Negativschlagzeilen 
schaden nicht nur dem Ruf der Stadt, sondern dem ganzen Land.
Unabhängig davon versuchen die Euro-Kritiker von der AfD weiter auf der 
Pegida-Welle mitzusurfen. Gestern traf sich die Landtagsfraktion um 
Chefin Frauke Petry zum internen Gedankenaustausch, laut Pegida wollte 
das gesamte zwölfköpfige Organisationsteam um Mitbegründer Lutz Bachmann
 erscheinen. Über Inhalte des Gesprächs will Petry erst heute 
informieren. Parallel zum gestrigen Treffen lud die Linke-Fraktion 
ebenfalls ein - aber nicht die Pegida-Spitzen, sondern vielmehr Vereine,
 Opferberatungen und Initiativen wie das Bündnis "Dresden für alle" .
Die Landtagsverwaltung beobachtete das mögliche Aufeinandertreffen von 
Pegida-Spitzen und deren Gegner im Parlamentsgebäude mit Sorgenfalten. 
Es gebe ein "gewisses Konfliktpotenzial", sagte Sprecher Ivo Klatte 
gestern im Vorfeld. Der Staatsschutz sei informiert, der Zahl der 
anwesenden Beamten erhöht worden. Das am frühen Abend im Landtag 
versammelte Aufgebot an Sicherheitskräften aber war am Ende gar nicht 
nötig. Grund: Die AfD hatte den Termin kurzfristig abgesagt, die 
Polizeikräfte konnten unverrichteter Dinge abziehen. Getroffen aber 
haben sich AfD und Pegida sehr wohl - zu einem früheren Zeitpunkt, 
offensichtlich irgendwo in der Dresdner Innenstadt.
Völlig offen allerdings ist derzeit, welche Auswirkungen der Anschlag 
auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo auf die 
zukünftigen "Montagsspaziergänge" der Pegida haben wird. Nicht wenige im
 politischen Dresden befürchten nun, dass die Bewegung weiteren Zulauf 
erhält. Bereits gestern gab der AfD-Bundesvize Alexander Gauland schon 
mal eine kleinen Vorgeschmack. Der Anschlag sei eine Rechtfertigung für 
die Anti-Islam-Bewegung, meinte er. "All diejenigen, die bisher die 
Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus 
ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen 
gestraft."
