"Für Dresden, für Sachsen, für Weltoffenheit"

Erstveröffentlicht: 
08.01.2015

Ministerpräsident Tillich und Oberbürgermeisterin Orosz setzen mit eigener Demo Zeichen gegen Pegida

 

Von Jürgen Kochinke


Dresden. In den vergangenen Wochen und Monaten wirkten die Reaktionen der offiziellen Politik auf die islamfeindlichen Pegida-Demos eher wie ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Zwar gab es immer mal das eine oder andere Statement zum Reizthema, eine Linie, ein abgestimmtes Verhalten aber war nicht erkennbar. Das hat sich jetzt geändert, erstmals formiert sich in Dresden breiter Widerstand gegen die wüste Gemengelage aus Angst- und Wutbürgern, angereichert durch einige Hooligans und Rechtsextremisten.


Selbst Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), der im Normalfall nicht gerade zu pointierten Stellungsnahmen neigt, hat klare Kante gezeigt - staatsmännisch in der Wortwahl, aber eindeutig in der Aussage. Von einer Bühne, von der aus gegen Ausländer gehetzt werde, wolle er nicht reden, so seine Ansage. Und nicht nur das, zusammen mit Dresdens OB Helma Orosz (CDU) lädt er zu einer eigenen Veranstaltung am kommenden Sonnabend ein. Offizieller Tenor: "Für Dresden, für Sachsen - für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog".


Und auch jetzt herrscht kein Mangel an klaren Aussagen. "Die Erfolgsgeschichte des Kultur- und Wirtschaftslandes Sachsen ist nur möglich geworden, weil die Menschen von hier gemeinsam mit Menschen aus allen Teilen der Welt Hand in Hand daran gearbeitet haben", heißt es in einer gestern von Tillich und Orosz verbreiteten Mitteilung. "Für viele, die zu uns gekommen sind, ist Sachsen zur Heimat geworden. Sie teilen unsere Sprache und Werte."


Das erinnert ein wenig an den Umgang der offiziellen Politik mit den Neonazi-Demos rund um den 13. Februar in Dresden. Auch da war es gerade die sächsische CDU bis hin zum damaligen Regierungschef Georg Milbradt (CDU), die dem Treiben der Rechtsextremisten jahrelang tatenlos zuschaute - bis Orosz die Brisanz der Lage erkannte und gegensteuerte. Denn klar ist: Permanente, bundes- und weltweite Negativschlagzeilen schaden nicht nur dem Ruf der Stadt, sondern dem ganzen Land.


Unabhängig davon versuchen die Euro-Kritiker von der AfD weiter auf der Pegida-Welle mitzusurfen. Gestern traf sich die Landtagsfraktion um Chefin Frauke Petry zum internen Gedankenaustausch, laut Pegida wollte das gesamte zwölfköpfige Organisationsteam um Mitbegründer Lutz Bachmann erscheinen. Über Inhalte des Gesprächs will Petry erst heute informieren. Parallel zum gestrigen Treffen lud die Linke-Fraktion ebenfalls ein - aber nicht die Pegida-Spitzen, sondern vielmehr Vereine, Opferberatungen und Initiativen wie das Bündnis "Dresden für alle" .


Die Landtagsverwaltung beobachtete das mögliche Aufeinandertreffen von Pegida-Spitzen und deren Gegner im Parlamentsgebäude mit Sorgenfalten. Es gebe ein "gewisses Konfliktpotenzial", sagte Sprecher Ivo Klatte gestern im Vorfeld. Der Staatsschutz sei informiert, der Zahl der anwesenden Beamten erhöht worden. Das am frühen Abend im Landtag versammelte Aufgebot an Sicherheitskräften aber war am Ende gar nicht nötig. Grund: Die AfD hatte den Termin kurzfristig abgesagt, die Polizeikräfte konnten unverrichteter Dinge abziehen. Getroffen aber haben sich AfD und Pegida sehr wohl - zu einem früheren Zeitpunkt, offensichtlich irgendwo in der Dresdner Innenstadt.


Völlig offen allerdings ist derzeit, welche Auswirkungen der Anschlag auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo auf die zukünftigen "Montagsspaziergänge" der Pegida haben wird. Nicht wenige im politischen Dresden befürchten nun, dass die Bewegung weiteren Zulauf erhält. Bereits gestern gab der AfD-Bundesvize Alexander Gauland schon mal eine kleinen Vorgeschmack. Der Anschlag sei eine Rechtfertigung für die Anti-Islam-Bewegung, meinte er. "All diejenigen, die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft."