Mehrere Vorfälle vom vergangenen Wochenende alarmieren die Polizei: Macht ein neuer extremistischer Anführer auf sich aufmerksam?
Von Klaus Wallbaum
Magdeburg. Ist das ein Zufall - oder eine ganz bewusste Provokation von Rechtsradikalen? Am vergangenen Wochenende gab es drei Ereignisse im Polizeibericht der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt Magdeburg, die aufhorchen lassen: 20 Mitglieder einer Gruppe springen auf die Tanzfläche einer Diskothek, als das Lied "lieber bunt als braun" angestimmt wird. Sie zeigen den Hitlergruß, drängen einige Gäste zur Seite, fangen an zu prügeln.
Dann geht es weiter: Die Polizei erteilt Platzverweise, einige 
Mitglieder der Gruppe steigen in einen Bus und fahren ins Stadtzentrum. 
Unterwegs pöbeln sie vier Fahrgäste an, die aus dem Irak kommen. Als sie
 am Hauptbahnhof ankommen, ist wieder die Polizei dort. Es kommt zu 
handgreiflichen Auseinandersetzungen, einige Polizisten werden tätlich 
angegriffen. Gestern, am Montag, gingen die Ermittler noch einem 
weiteren Hinweis nach: In Gommern, 20 Autominuten von Magdeburg 
entfernt, musste einen Tag vorher, am Sonnabend, ein Fußballturnier 
abgebrochen werden. Ein Spieler, der zuvor eine Gelbe Karte erhalten 
hatte, war auf einen Fan der gegnerischen Mannschaft losgegangen und 
hatte ihm ins Gesicht geschlagen. Der Schiedsrichter wurde bedroht, eine
 Schlägerei war entstanden. Wieder sollen rechtsextreme Parolen gerufen 
worden sein. Als der Turnierleiter später über die Ereignisse berichten 
soll, stammelt er nur noch - ein derart brutales Auftreten habe er 
bisher noch nie erlebt.
Diese Häufung lässt vermuten, dass die Täter ganz gezielt aufgetreten 
sind. Sie wollten von sich reden machen. Nun gibt es in vielen Städten 
Sachsen-Anhalts rechtsradikale Jugendgruppen, die immer wieder 
unangenehm auffallen. Die Vorfälle in Magdeburg aber stechen hervor, 
weil sich hinter ihnen merkwürdige Strukturen abzeichnen. Der Verdacht 
erhärtet sich, dass die Täter Mitglieder der Schlägertruppe Blue White 
Street Elite (BWSE) sind. Schon vor Jahren fiel diese Gruppe unangenehm 
auf, weil sie bei Auswärtsspielen des 1. FC Magdeburg Streit und 
Prügeleien angezettelt hatte - oft in Verbindung mit rechtsradikalen 
Parolen und Hetzbotschaften. 2008 verhängte der damalige sachsen- 
anhaltinische Innenminister Holger Hövelmann (SPD) ein Verbot der 
Gruppe, das aber aus formalen Gründen 2010 vom Oberverwaltungsgericht 
wieder aufgehoben wurde. 2013 machte die BWSE Schlagzeilen, weil einige 
ihrer Mitglieder einen linksgerichteten Jugendlichen entführt und 
geschlagen haben sollen. Der Verfassungsschutz spricht von einem 
"starken Männlichkeitskult" in dieser Vereinigung. Landesinnenminister 
Holger Stahlknecht (CDU) sagt auf die Frage, ob man einen neuen Versuch 
zum Verbot der BWSE unternehmen sollte: "Das ist eine juristische Frage.
 Ein neuer Anlauf braucht neue Erkenntnisse."
Aber die Sicherheitsbehörden sind zusätzlich aufgeschreckt - denn bei 
den Aktionen der Schläger in Magdeburg war offenbar jemand dabei, der 
sich zur Leitfigur der rechtsradikalen Szene entwickeln könnte: Dennis 
Wesemann, ein Mann von Ende 20, ist nicht nur der Anführer der BWSE, er 
hat in den vergangenen Monaten auch Querverbindungen aufgebaut. 
Angeblich soll er selbst der Spieler gewesen sein, der bei dem 
Hallenturnier in Gommern ausgerastet ist. In Stresow, einem kleinen, 30 
Autominuten von Magdeburg entfernten Dorf, ist Wesemann Mitinhaber einer
 T-Shirt-Druckerei, die Bekleidung für die rechtsradikale Szene im 
Internet verkauft.
Stresow hat 130 Einwohner, jeder vierte Wähler kreuzte bei der 
Landtagswahl 2011 die NPD an. Vor einem halben Jahr waren 
Kommunalwahlen, und ein Kandidat erzielte spontan die größte Zustimmung 
im Dorf - Dennis Wesemann, der 71 von 124 abgegebenen Stimmen erhielt. 
Vom "starken Mann von Stresow" war daraufhin bundesweit in einigen 
Medien die Rede - und davon, dass eine Nachbarin Wesemann als 
sympathischen jungen Mann mit guten Manieren beschreibt. Kurzzeitig 
wurde spekuliert, er könne sich als Ortsbürger- meister wählen lassen. 
Dann gab es Hinweise, dass er womöglich den leer stehenden Kindergarten 
im Ort kauft und zu einem Schulungszentrum für Neonazis umbauen will. 
Manchmal scheint es, als finde Wesemann Gefallen daran, mit solchen 
Botschaften Unruhe zu stiften. Das steigert die Aufmerksamkeit. 
Neue Anhänger findet Wesemann über den Fußball. Dabei ist es nicht die 
BWSE allein. Der Mann aus Stresow hat mit einigen Freunden den FC 
Ostelbien Dornburg e.V. als Fußballverein gegründet - und sich eine 
Beteiligung an den Kreismeisterschaften erstritten. Über diesen Verein 
ist es der Gruppe nun gelungen, direkt in das Fußballgeschehen in 
Sachsen-Anhalt einzugreifen - wie jetzt auf brutale Weise beim 
Hallenturnier in Gommern. Wese- mann, der ein guter Torschütze sein 
soll, trägt auf seinem Shirt die Rückennummer 18. In rechtsextremen 
Kreisen stehen die Ziffern für den ersten und den achten Buchstaben im 
Alphabet. Das sind A und H, die Initialen von Adolf Hitler.
Die Ermittlungen der Polizei zu den Vorgängen am Wochenende ziehen sich 
unterdessen hin. "Es wird noch einige Tage dauern, bis wir hier Klarheit
 haben", sagt Sprecher Marc Becher.
