Viele Reaktionen auf Abschiebung von 18-Jähriger
Von Martin Pelzl
Nach dem LVZ-Bericht über die nächtliche Abschiebung der 18-jährigen
Tschetschenin Tamara S.* kurz vor Weihnachten ebbt die Welle der Kritik
nicht ab. Der bündnisgrüne Kreisverband hat jetzt ein Willkommenszentrum
für Flüchtlinge in der Messestadt gefordert. "Damit kann eine zentrale
Anlauf- und Koordinationsstelle zur Betreuung und Beratung von
Zufluchtsuchenden geschaffen werden", erklärte Vorstandssprecherin
Christin Melcher. Dabei sollten ehrenamtliche und professionelle
Unterstützer miteinander vernetzt werden.
"Der Fall der 18-jährigen Tschetschenin ist kein Einzelfall.
Winterabschiebung, Abschiebung in der Nacht, das willkürliche Trennen
von Flüchtlingsfamilien ist gängige Praxis. Sie ist unmenschlich und
eines Rechtsstaates nicht würdig", so Melcher weiter.
Co-Vorstandssprecher Lorenz Bücklein ergänzte: "Wir müssen der
Verantwortung gegenüber den Zufluchtsuchenden gerecht werden. Dazu
gehört auch professionelle Beratung und Hilfe." Das Willkommenszentrum
könne zentrale Anlaufstelle für die Betreuung und Beratung von
Zufluchtsuchenden sein. Daraus resultierende Kooperationen zwischen
Vereinen und Initiativen, die sich mit dem Thema auskennen, und der
Stadt könnten weiterhin dazu dienen, die benötigte Hilfe für die
Zufluchtsuchenden in den Mittelpunkt der städtischen Bemühungen zu
stellen.
Elk Messerschmidt, Leiter des Technisch-Ökologischen Projektzentrums
Rabutz, ließ die LVZ unter der Überschrift "Ich bin entsetzt" wissen,
dass er "eine ausführliche Stellungnahme von Leipzigs Oberbürgermeister,
dem Einsatzleiter der Polizei und vor allem von dem
Behördenangestellten" erwarte, der dieses Verbrechen angewiesen habe. Er
würde sich freuen, wenn es gelingt, einen solchen Druck auszuüben, dass
die Familie wieder nach Leipzig zurückkommt. "Wir brauchen dringend
solche Familien, die sich richtig integrieren, ihre Kinder in die Schule
schicken, ausbilden lassen und uns so beim Überwinden des akuten
Fachkräftemangels helfen", so Messerschmidt.
Ähnlich sieht es Christopher Zenker von der SPD-Stadtratsfraktion. "Wir
schließen uns der Forderung des Deutschen Industrie- und
Handelskammertags und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks an,
die ein Bleiberecht für jene Flüchtlinge fordern, die eine Ausbildung
aufnehmen wollen." Auch die abgeschobene junge Tschetschenin, die gut im
Umfeld integriert war, habe eine Ausbildung als Krankenpflegehelferin
beginnen wollen. "Wir diskutieren beim Thema Flüchtlinge vorrangig über
Kosten und Herausforderungen, statt die Potenziale und Chancen in den
Blick zu nehmen, die uns diese Menschen bieten können. Flüchtlinge
sollten vielmehr unkompliziert eine Arbeit beziehungsweise Ausbildung
aufnehmen dürfen, denn nur so können wir ihnen die Möglichkeit geben,
ein selbstbestimmtes Leben zu führen", so Zenker.
"Wer hat das veranlasst, welche herzlosen Polizisten waren das, warum
erfolgte die Abschiebung in der Nacht zwischen 3 und 4 Uhr?", fragte
Leser Andreas Baecke aus Leipzig. Und: "Ich schäme mich für die
Leipziger Behörden." Leser Bernd Pietsch sagte: "Diese Vorgehensweise
verstößt nicht nur gegen christlich-moralische Grundwerte, sondern auch
gegen die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der Menschenwürde."
Thomaskirchenpfarrerin Britta Taddiken, die mit Kollegen die
Online-Petition "Keine Winterabschiebung in Sachsen: Asyl ist eine Frage
der Menschlichkeit!" initiierte, nahm in der Silvestermotette in der
Thomaskirche Bezug auf das Asyl-Drama. "In welchem Geist wollen wir 2015
leben?", stellte sie als Frage in den Raum. "Müssen wir nicht darüber
diskutieren, dass diese Abschiebepraxis eines Rechtsstaats nicht würdig
ist?" Hier geschehe eine "menschenverachtende Praxis unter dem Mantel
des Rechts".
Link zur Petition: http://goo.gl/pnJbWg