In Dresden sollen Pegidisten migrantische Jugendliche angegriffen haben. Eine Strafanzeige wollte die Polizei jedoch nicht aufnehmen.
Von Andrea Röpke und Andreas Speit
HAMBURG taz | Dunkles Veilchen und geprellte Rippen – die Verletzungen von Wadha (Nachname der taz bekannt) sind die sichtbaren Spuren des Angriffs in Dresden. Er fand nach der letzten Kundgebung der Pegida am 22. Dezember 2014 statt, die 15-jährige Wahda gehörte zu einer Gruppe Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Der Übergriff geschah „unter dem Applaus von Passanten“, sagt Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Eine Anzeige wollte die Polizei nicht aufnehmen, berichtet er, „sie glaubten ihr nicht“.
Über 17.500 Demonstranten nahmen am 22. Dezember an dem zehnten Abendspaziergang der Pegida teil. Die Aktion war gegen 20.30 Uhr gerade zu Ende, als etwa 50 Männer und Frauen in die Centrum Galerie kamen. Hier im Shoppingcenter war Wadha mit etwa 30 Jugendlichen im Alter von 15 bis 20 Jahren zum Weihnachtseinkauf verabredet. „Das Centrum ist als Treffpunkt von jugendlichen Migranten bekannt“, sagt Starosta.
Im Gebäude vermummten sich die Pegida-Anhänger, die Schals und Bekleidung vom Fußballverein Dynamo Dresden trugen, und griffen die Jugendlichen an. „Scheißkanacken“, schimpften sie und riefen „Wir sind das Volk“. Die Angreifer waren mit Messern, Schlagstöcken, Pfefferspray und Tasern bewaffnet.
Die Jugendlichen sollen vor den Hools zwischen 25 und 40 Jahren versucht haben zu fliehen. Sie rannten über die Rolltreppen und schlossen sich in Klos ein. Zwei ältere Jungs sollen von den Tasern getroffen zu Boden gegangen sein. Einigen Angegriffenen gelang es zu entkommen. Nicht so Wahda. Das Mädchen hat Asthma und konnte nicht schnell genug weglaufen. Sie stürzte. Die Angreifer schlugen auf ihren Kopf und Oberkörper ein.
„Sie haben Angst“
„Der Vorfall erinnert mich sehr an den Horror der 1990er Jahre“ sagt Starosta. Denn die Jugendlichen erzählten, dass vor dem Einkaufszentrum ganz normale Bürger gestanden hätten, die noch Beifall klatschten. Das Mädchen musste im Krankenhaus behandelt werden. Weitere Betroffene erlitten Schürfverletzungen.
Nach der Hetzjagd kam es vor dem Einkaufszentrum zu einem weiteren Angriff. Ein 24-jähriger Mann wurde mit einem Messer am Oberschenkel verletzt. Er soll an dem Pegida-Abendspaziergang teilgenommen haben. „Die Jugendlichen waren nicht bewaffnet“, sagt Starosta, sie wollten shoppen. Der Mitarbeiter des Kulturbüros kennt einen Großteil der betroffenen alevitischen Jugendlichen gut. Im vergangenen Jahr hat er mit ihnen einen Film „Wenn wir reden … Akzeptanz ist keine Pflicht, sondern selbstverständlich“ gedreht.
Am Vormittag des 24. Dezember fand Wadha mit ihrer Mutter den Mut, zur Polizei zu gehen. Ein Beamter in der Dienststelle Schießgasse „fertigte sie jedoch einfach ab“. Die Verletzungen, soll er gesagt haben, hätte sich das Mädchen selbst zugefügt. Über das Kulturbüro hat Starosta nun Anzeige erstattet. Die Polizei wollte sich auf Anfrage der taz am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen äußern.
Die betroffenen Familien der Hetzjagd sind erschüttert. Ihre Kinder würden die Eltern nicht mehr allein weggehen lassen. „Sie haben Angst“, sagt Starosta.