Verbot der „Autonomen Nationalisten Göppingen“: Das Irrlichtern der Neonazis im Land

Erstveröffentlicht: 
18.12.2014

Demonstrationen und nächtliche Fackelzüge: Auch in Baden-Württemberg sind die Rechtsextremisten aktiv. Innenminister Reinhold Gall (SPd) hat nun ein Zeichen gesetzt.

 

Von Reiner Ruf

 

Stuttgart - Nach mehr als 20 Jahren hat ein baden-württembergischer Innenminister wieder eine Gruppe von Rechtsextremisten verboten. Es war der Sozialdemokrat Frieder Birzele gewesen, der 1993 die „Heimattreue Vereinigung Deutschlands“ (HVD) auflöste. Sie zählte 30 Mitglieder und galt als besonders militante Vereinigung von Neonazis. Damals regierte im Land eine große Koalition, eine aufgeheizte Asyldebatte wurde begleitet von Anschlägen auf Asylbewerberheime, und in den Landtag waren gerade die rechtsradikalen Republikaner eingezogen.

 

Nun hat Innenminister Reinhold Gall, auch er ein Sozialdemokrat, die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ verboten. Das ist rechtlich möglich, sofern die betreffende Gruppierung aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgeht beziehungsweise das Ziel verfolgt, Straftaten von nicht unerheblichem Umfang zu begehen.

 

Aufkleber, Plakate, Transparente

 

In Göppingen beobachtete die Polizei seit dem Jahr 2010 immer häufiger Sachbeschädigungen, bei denen das Emblem der Neonazi-Gruppe hinterlassen wurde. Im ganzen Landkreis fanden sich Aufkleber, Plakate und Transparente. Den Sicherheitsbehörden wurde klar, dass es da eine Gruppe von Leuten gab, die sich zum historischen Nationalsozialismus bekennen und die deutschen Kriegsverbrechen relativieren. So wurden die Neonazis zum Beispiel anlässlich des Todestags des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess aktiv. Auf der Internetseite der Gruppierung fanden die Ermittler ausgeprägt rechtsextremistisches Gedankengut: Begriffe des Nationalsozialismus, Diffamierung des Widerstands gegen die NS-Diktatur und NS-Heldengedenken.

 

Der Verfassungsschutzbericht 2013 hebt auf eine Demonstration am 12. Oktober vergangenen Jahres ab, die den „Autonomen Nationalisten Göppingen“ zuzurechnen sei und mit etwa 140 Teilnehmern in der Stadt zu den größten Kundgebungen des Jahres 2013 in Baden-Württemberg zu zählen sei. Schon 2012 hatte es eine ähnliche Demonstration in Göppingen gegeben. Und auch für 2014 war eine Neuauflage geplant. Motto: „Kapitalherrschaft beenden! Freiheit für alle Völker – Souveräne Staaten schaffen!“ Dazu kam es aber nicht mehr.

 

Denn der Elan der Gruppe ließ nach einer internen Abspaltung sowie der Inhaftierung zweier führender Köpfe erkennbar nach – auch wenn sie noch Mitte November in Uhingen an einem Bauzaun ein Stoffbanner hinterließen mit dem Text: „§ 129 abschaffen! Wir halten Stand! ANGP“. Der Paragraf 129 des Strafgesetzbuches stellt die Bildung einer kriminellen Vereinigung unter Strafe. Und ANGP ist das Akronym für „Autonome Nationalisten Göppingen“.

 

Die Umtriebe der „Unsterblichen“

 

Die beiden Führungsfiguren der Göppinger „Autonomen Nationalisten“ sitzen in Untersuchungshaft, weil sie gemeinsam mit weiteren Neonazis aus verbündeten Gruppen eine Art Koordinierungsgremium gebildet haben sollen, um die Aktionsform „Die Unsterblichen“ zu organisieren. Bei diesen flashmobartigen Umzügen zogen die Beteiligten maskiert und mit Fackeln des Nachts durch die Straßen – um alsbald wieder zu verschwinden.

 

Einen Fackelzug der „Unsterblichen“ erlebte zum Beispiel am 2. Oktober 2011 die Gemeinde Karlsbad im Landkreis Karlsruhe. 50 bis 60 überwiegend maskierte und schwarz gekleidete Personen marschierten mit Fackeln und verbotener Pyrotechnik durch den Ort. Dabei skandierten sie NS-Parolen und grölten einschlägiges Liedgut. Bereits im August 2012 veranlasste die Staatsanwaltschaft Durchsuchungen bei acht Verdächtigen. Am vergangenen Mittwoch wurden zehn weitere Objekte durchsucht, mit Schwerpunkt in Baden, aber auch in Württemberg. Den sieben Tatverdächtigen halten die Ermittler Volksverhetzung und die Verletzung des Versammlungsrechts vor.

 

Das Verbot der „Heimattreuen Vereinigung“ im Jahr 1993 durch Innenminister Frieder Birzele wurde übrigens ein Jahr später vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigt.