Das neue ›Aufenthaltsrecht für Ausländer‹ und Demokratie … Am 3.12.2014 hat die schwarz-rote Bundesregierung mit ihrer satten Mehrheit eine ›Reform des Aufenthaltsrechts‹ beschlossen. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat diese Gesetzesverschärfung eine ›eine einladende und eine abweisende Botschaft‹.
Beginnen wir mit der guten Nachricht: Wer seit Jahren als
Ausländer hier schuftet, deutsch spricht und nicht kriminell ist, soll
bleiben dürfen.
Kommen wir zum Eigentlichen, zur ›abweisenden Botschaft‹: Wer
›uns‹ als Ausländer nicht passt, soll noch schneller abgeschoben werden.
Dabei führt diese schwarz-rote Bundesregierung Haftgründe an, auf die
selbst Neonazis nicht gekommen wären:
»Pro Asyl kritisierte die geplanten Änderungen scharf. ›Es soll rigoroser abgeschoben werden‹, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er verwies vor allem auf die im Gesetzentwurf definierten Gründe für die Annahme einer Fluchtgefahr, die eine Abschiebehaft beziehungsweise den neuen Gewahrsam rechtfertigen. Danach wird von Fluchtgefahr etwa ausgegangen, wenn ein Asylbewerber ›erhebliche Geldbeträge‹ für Schleuser aufgewandt hat. Gesprochen wird von Summen zwischen 3.000 und 20.000 Euro. Das sei hanebüchen, sagte Burkhardt. ›So gut wie jeder Flüchtling musste für seine Flucht viel Geld ausgeben, weil es keine legalen Wege nach Europa gibt‹, sagte er. Deutschland mache mit dem Gesetz weiter die Grenzen dicht.« (FR vom 3.12.2014)
Diese ›Reform des Aufenthaltrechts‹ ist ein unüberhörbares
Signal an AfD, an die NPD, an die HoGeSa-DemonstrantInnen (Hooligans
gegen Salafisten) in Köln und Hannover, an die ›Patriotischen Europäer
gegen die Islamisierung des Abendlandes‹ in Dresden. An alle, die sich
noch nicht auf die Straße trauen.
An alle, die verdammt gerne Ausländer raus rufen würden und es sich noch nicht trauen, die heute ersatzweise ›Salafisten raus‹
brüllen müssen, solange sie noch den Schutz der Mitte benötigen, die
ihnen alles an die Hand legt, wenn es um die Bekämpfung des
›gewaltbereiten Islamismus‹ geht, solange man Rassismus noch nicht ganz
offen zeigen kann und will.
Die ›Reform des Aufenthaltsrechts‹ ist die konsequente Umsetzung der neonazistischen Parole: ›Kriminelle Ausländer raus‹, die seit Jahren von der NPD propagiert wird.
Diese ›Reform des Aufenthaltsrechts‹ hat in der Tat eine
»einladende Botschaft«: Ihr seid nicht rechtsextrem. Eurer Anliegen ist
vielmehr bestens bei uns, in der Mitte aufgehoben.
Dass es auch ›gute Ausländer‹ weiß mittlerweile sogar jeder
Rassist. Schließlich brauchen alle ›gute Ausländer‹, die Industrie, die
Neonazis, die multikulturelle Gesellschaft, ob als Putzfrau oder
Krankenschwester, ob als Bauarbeiter oder IT-Spezialist – solange ›wir‹
bestimmen, wer gut (für uns) ist.
Was sich hier als Reform tarnt, ist eine unerträgliche Art, die
Bedingungen der Flucht in Haft- und Abschiebegründungen zu verwandeln.
Nicht immer ist es ein Neonazi, ein Baseballschläger, der Flüchtlinge, Menschen, die hier Schutz suchen, tötet.
Innenministerkonferenz in Köln
Auf der Innenministerkonferenz am 6. Dezember 2014 in Köln
werden die Gesetzesverschärfungen beim Aufenthaltsrecht für Ausländer in
die Tat umgesetzt.
Dazu nimmt der Aufruf zu einer Demonstration in Köln wie folgt Stellung:
»Der brutale und zynische Umgang europäischer Staaten mit den Opfern globaler Armut, sog. ›humanitärer‹ Interventionen oder von Bürgerkriegen besonders an den Außengrenzen der EU wird uns täglich vor Augen geführt. Mit der Grenzschutzorganisation ›Frontex‹ werden Flüchtende gezielt an den Grenzen abgewehrt und häufig durch gezielte ›Pushback‹-Verfahren an der Einreise gehindert und ihrem Schicksal auf offenem Meer überlassen. Die Grenzen der Festung werden mit Flugzeugen und Drohnen überwacht, sie sind mit Mauern und Stacheldrahtzäunen befestigt. Die deutsche Außen- und Asylpolitik ist dabei ein entscheidender Faktor um ausgrenzende und verelendende Praxen weltweit durchzusetzen. Abschottung, Vertreibung und Abschiebung sind die Mittel deutscher Innenpolitik. Mit nationalistischer und rassistischer Propaganda wird gegen Schutzsuchende, Geflüchtete und illegalisierte Menschen auch innerhalb der Staatsgrenzen Stimmung gemacht und diese der Verfolgung durch Staatsorgane ausgeliefert. Besonders drastisch reagieren die Verfolgungsbehörden auf selbstorganisierten Protest von Betroffenen, bei Demonstrationen gegen Abschiebungen, gegen Residenzpflicht und die unwürdigen Lebensverhältnisse in sog. Asylbewerberheimen. Der symbolträchtige Widerstand von Geflüchteten in Hamburg und zuletzt in Berlin (Oranienplatz, Ohlauer Straße) ist den Behörden eine besonderer Dorn im Auge.« (http://noimk.org/aufruf/)
Das Aufenthaltsrecht der Demokratie
Dass nicht nur das Aufenthaltsrecht für Ausländer verschärft
werden soll, sondern auch das Aufenthaltsrecht der Demokratie in Form
eines Bewegungsverbotes, bestätigt die Kölner Polizeiführung. Sie verbot die Demonstration und ›genehmigte‹ lediglich eine Kundgebung.
Dem schloß sich sogar der SPD-Oberbürgermeister an:
»Oberbürgermeister Jürgen Roters begrüßt die Einschränkung der Demonstration: ›Auf der einen Seite wird das Demonstrationsrecht gewahrt, und gleichzeitig wird dem Sicherheitsbedürfnis der Kölner und der Besucher, die an dem stark besuchten Adventssamstag in der Stadt sind, Rechnung getragen.‹
Der Oberbürgermeister solle einem solch demokratiefeindlichen Vorgehen nicht noch Beifall zollen, erklärt Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender der Linken im Rat und teilt gleich noch in Richtung Polizeipräsident aus: ›Herr Albers ist als Polizeipräsident für die Ausschreitungen von Nazis und Hooligans Ende Oktober mit über 50 Verletzten verantwortlich. Auf dem rechten Auge ist er blind.‹ Angelika Link-Wilden, Kreissprecherin der Linken, kritisiert Albers ebenfalls: ›Offenbar sind dem Polizeipräsidenten die Profitinteressen des Einzelhandels wichtiger als das Demonstrationsrecht der Kölnerinnen und Kölner.‹ (Kölner Stadtanzeiger vom 4.12.2014)
Wolf Wetzel Dezember 2014
Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2013, 2. Auflage