Studie zu rechtsextremen Gewalttätern in Sachsen Von Jürgen Kochinke Dresden. Schon allein die Namen klingen martialisch. Sie nennen sich "Sächsische Hammerskins" (SHS) oder eben auch "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), ihre Aktionen können für die Opfer in der Tat lebensbedrohlich sein. Immer wieder machen Neonazi-Schläger oder rechtsextreme Gewalttäter in Sachsen von sich reden, und jetzt liegt erstmals eine groß angelegte Studie zum Thema vor. Dafür haben Wissenschaftler des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts sogenannte Mehrfach- und Intensivtäter aus der rechtsextremen Szene unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Neonazis gehen meist gezielt und planmäßig vor, handeln in Gruppen und attackieren vorwiegend sogenannte politische Gegner - Alternative, Linke, Studenten.
 Insgesamt haben die Wissenschaftler Unterlagen über 460 rechtsextreme 
Mehrfachtäter - darunter 70 Intensivtäter - aus den Jahren 2001 bis 2011
 untersucht. Dabei haben die Studien auch ergeben, dass die Täter meist 
mit stumpfen Hiebwaffen auf den Kopf ihrer Opfer einschlugen. Als 
zweithäufigste Form registrierten die Forscher Tritte auf bereits am 
Boden liegende Opfer. Insgesamt gab es 64 lebensbedrohliche Exzesstaten.
 Bei den Tätern handelte es sich fast ausschließlich um Männer. 46 
Prozent der Täter waren 18 bis 20 Jahre alt, 41,5 Prozent stammten aus 
der Gruppe der 14- bis 18-Jährigen.
Beachtlich ist auch, dass die straffällig gewordenen Neonazis keineswegs
 alle aus zerrütteten Familien stammten - im Gegenteil. Bei der Mehrzahl
 der Fälle sei von "unproblematischen, stabilen und geordneten 
Familienverhältnissen" auszugehen. Insgesamt verweisen die Autoren auch 
darauf, dass die Zahl der Gewalttaten in Sachsen - wie in anderen neuen 
Bundesländern auch - deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege. Und 
noch ein Unterschied zwischen Ost und West sei auffällig: Während es in 
den alten Ländern mehr fremdenfeindliche Delikte gebe als in den neuen, 
handele es sich im Osten häufiger um "Konfrontationsdelikte" - also 
Attacken gegen Linke und Antifa-Anhänger.
Einer der Kernsätze der Autoren zum Thema lautet: "Die meisten Gruppen 
verfolgen mit mehr oder weniger planhaftem, aufsuchendem Gewalthandeln 
das Ziel, ,zeckenfreie Zonen' zu schaffen." Dagegen habe sich lediglich 
eine der untersuchten 17 Gruppen in Sachsen dezidiert fremdenfeindlich 
verhalten. Das allerdings mit enormer Aggressivität. Der Anführer dieser
 Truppe, heißt es in der Studie, habe sich "mit seinem Gewaltverhalten 
dem Typus eines tötungsbereiten Rassisten" genähert.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) will nun die Ergebnisse der 
Untersuchung nutzen, um Brennpunkte rechtsextremer Gewalt in Zukunft 
früher erkennen und besser dagegen vorgehen zu können. "Der 
Rechtsextremismus ist und bleibt Schwerpunkt der Arbeit unserer 
Sicherheitsbehörden", sagte Ulbig gestern bei der Vorstellung der 
Studie.
Auch die Forscher selbst machen Vorschläge, zusammengefasst in einem 
Zehn-Punkte-Katalog. Die Kernforderungen lauten: Nötig sei eine 
konsequente Strafverfolgung. "Lassen wir den Rechtsextremen zu viele 
Spielräume, ermutigt sie das zu mehr Gewalt." Darüber hinaus müssten 
Mehrfachtäter als Gefährder eingestuft und zentral bearbeitet werden. 
Das sei notwendig, da diese Tätergruppe zwar relativ klein sei, aber 
einen erheblichen Einfluss auf die Gewaltdynamik ausübe. Auch dürfe die 
Rolle sogenannter "Hassmedien" wie rechtsextremer Musik nicht 
unterschätzt werden. "Ziel muss es sein, rechten Straftätern ihre 
Propaganda- und Hassplattformen zu entziehen."
