Leipzig. Explodierende Preise bei Neuvermietungen - mehr Prozesse? Einen Zusammenhang möchte Richter Knut Petersen zwar nicht ausschließen. Eine Ursachenforschung betreibe das Amtsgericht Leipzig dazu aber nicht, betont der zuständige Abteilungsleiter. Seinen Angaben zufolge stieg die Anzahl der Verfahren in Mietsachen binnen fünf Jahren um immerhin 18 Prozent - von 3417 (2008) auf 4047 (2013). In ganz Sachsen sogar um 24 Prozent - von 11.910 (2008) auf 14.796 (2013).
Nach den Erfahrungen der Leipziger Mietrichter wird am häufigsten über 
Kündigungen und Räumungsklagen gestritten. Im Ranking geht es weiter mit
 Mietmängeln. Auf den Plätzen 3 und 4 folgen die Auseinandersetzungen 
um Kautionen sowie Betriebskosten. Den fünften Platz nimmt das Kapitel 
Preiserhöhungen ein.
 Dabei gar nicht so selten sei der Fall, 
dass der Vermieter eines etwa noch aus DDR-Zeiten stammenden, nicht 
erneuerten Gebäudes, das naturgemäß nicht mehr heutigen Wohnstandards 
entspricht, eine Erhöhung der Miete auf die "ortsübliche" verlangt. 
"Zunächst nachvollziehbar, wenden die Mieter dann im Prozess ein, diese 
Klage sei abzuweisen, weil durch den Vermieter jahrelang nichts zur 
Reparatur oder Erneuerung des Gebäudes oder der Wohnung unternommen 
worden sei", erläutert Petersen. "Darauf kommt es aber nicht an." Bei 
der Klärung, wie hoch die ortsübliche Miete für eine Wohnung ist, werde 
nur geprüft, wie viel Miete im Allgemeinen in einem Ort für Wohnungen 
mit derart niedrigem Wohnstandard bezahlt wird - und in Leipzig dabei 
der Mietspiegel zu Rate gezogen.
 Eine ganz andere Frage sei 
dann, ob die Beschaffenheit der Wohnung dem entspricht, was im 
Mietvertrag vereinbart sei. "Ist das nicht der Fall, kann die 
Einzelmiete so lange gemindert sein, bis die Wohnungsmängel beseitigt 
sind", so der Richter. Das wäre dann allerdings in einem anderen 
Verfahren zu klären.
 Als weiteren möglichen Grund zunehmender 
Auseinandersetzungen hat Petersen - neben der gestiegenen Einwohnerzahl 
in Leipzig - Folgendes ausgemacht: So argumentierten Vermieter nun 
damit, dass in Online-Portalen zur Wohnungssuche höhere 
Durchschnittspreise für Angebote angegeben würden. "Für die Höhe der 
ortsüblichen Miete einer Wohnung ist aber nicht maßgeblich, was derzeit 
als Miete für eine Neuvermietung verlangt wird. Maßgeblich ist vielmehr 
die Miete, die für bereits vermietete Wohnungen innerhalb der letzten 
vier Jahre tatsächlich bezahlt wurde. Die kann durchaus niedriger sein",
 betont er.
Wie berichtet, langen Vermieter beim Abschluss neuer Verträge - zumal 
angesichts der geplanten Mietpreisbremse - in jüngster Zeit noch mal 
richtig zu. Analysen des Immobilienportals Immonet zufolge gab es in 
Leipzig und Dresden von 2012 zu 2013 einen Preisanstieg von fast 7,5 
Prozent. Nach Ansicht von Anke Matejka dürften Preise bei 
Neuvermietungen vor Gericht aber "noch keine Rolle spielen". Dieses 
Thema käme dort erst in den nächsten Jahren an, meint die Vorsitzende 
des Leipziger Mietervereins. "Was wir aber in den letzten zwei, drei 
Jahren festgestellt haben: Es wird mehr über Miet-erhöhungen bei 
Bestandsmietverhältnissen gestritten. Diese Fälle haben sich bei uns 
verdoppelt."
 Auch der Eigentümerverband "Haus & Grund" in 
Leipzig hat verstärkten Beratungsbedarf bezüglich der ortsüblichen 
Vergleichsmiete sowie der Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel 
registriert, so Geschäftsführer Eric Lindner. Gerade angesichts 
steigender Prozess-Zahlen begrüße der Verband die Wiederbelebung der 
2004 geschlossenen städtischen Schlichtungsstelle für 
Mietstreitigkeiten. Das hatte die Grünen-Fraktion gerade erst im 
Stadtrat beantragt. Lindner zufolge stand der Eigentümerverband 
diesbezüglich bereits vor Monaten in Kontakt mit dem Mieterverein. Dazu 
Anke Matejka: "Wir sind grundsätzlich offen für Gespräche über eine 
Schlichtungsstelle." Geklärt werden müssten dazu allerdings viele 
Fragen. Etwa: Unter welchen Voraussetzungen soll das geschehen? Für 
welche Streitigkeiten soll sie zuständig sein?
 Dass 
Schlichtungen durchaus Aussicht auf Erfolg haben, zeigt auch die relativ
 hohe Rate bei Vergleichen am Gericht. Petersen zufolge liegt sie bei 15
 Prozent, sei damit fast doppelt so hoch wie bei allgemeinen 
Zivilsachen, womit beispielsweise Streit um Handwerkerrechnungen, 
Autokauf- oder Handyverträge gemeint sei. Grund: "Ein Mietvertrag ist 
ein Dauerschuldverhältnis, das heißt: Man muss über Jahre miteinander 
auskommen. Von daher besteht ein besonderes Interesse, Streit durch 
Kompromisslösungen beizulegen", glaubt Petersen.
 Für Zündstoff 
dürfte der neue Leipziger Mietspiegel sorgen, der noch 2014 herauskommen
 und meist höhere Mieten als sein Vorläufer ausweisen soll. "Je 
verlässlicher und qualitativ besser der Mietspiegel ist, desto weniger 
Prozesse gibt es", meint jedoch der Richter.
Aus der Leipziger Volkszeitung vom 24.11.2014
