Für das Jahr 2015 widmet die Landeshauptstadt Potsdam ihre 
Jahreskampagne – unter dem Motto “Potsdam bewegt” – dem Sport. Sport sei
 wichtig für die Lebensqualität der Stadt und außerdem habe Potsdam viel
 zu bieten auf diesem Gebiet, heißt es in der Selbstbeschreibung. [1]
Auch aus antifaschistischer Perspektive eine interessante Sache, hatte 
Potsdam in den letzten Jahren doch tatsächlich einiges zu bieten – 
allerdings nicht so, wie die Köpfe hinter der Kampagne “Potsdam bewegt” 
sich das gedacht haben. Wir fingen Anfang 2012 an, über verschiedene 
Potsdamer Neonazis in unterschiedlichen Sport-, meist in 
Fußballvereinen, zu berichten. Bereits in den Jahren zuvor berichtete 
das Antifaschistische Pressearchiv Potsdam in seinen Jahresberichten von
 Neonazi-Fußballturnieren, an denen sich Potsdamer Neonazis beteiligten 
oder diese selbst organisierten. [2]
Zuletzt veranstaltete der Landesverband 
der “Junge Nationaldemokraten” (JN) Brandenburg am 31. März dieses 
Jahres ein Fußballturnier, an dem sieben verschiedene Teams, darunter 
auch eines aus Potsdam und ein weiteres aus Potsdam-Mittelmark, 
teilnahmen. Letzteres belegte dabei den ersten Platz und konnte sich im 
Finale gegen die Junioren-Mannschaft des “Bunker 88″ aus Lübben 
(Dahme-Spreewald) durchsetzen.
Veranstaltungen wie diese dienen neben dem Spaß am Spiel und Sport auch 
der Stärkung einer ideologisierten Vorstellung der Körperzüchtigung. Vor
 allem aber dienen sie der Vernetzung von Neonazigruppierungen und 
nicht, oder nur lose, organisierten Neonazis. Eine Bindung an die JN 
bzw. die NPD oder Nicht-Partei-Strukturen ist die Hoffnung der 
Organisator_innen solcher Turniere.
Die in den letzten zwei Jahren daraufhin 
als Reaktionen veröffentlichten Statements, Pressemitteilungen und 
Artikel verschiedener Organisationen und Vereine offenbaren unserer 
Meinung nach allerdings ein Verständnis der Thematik, welches wir als 
ein Symptom des Problems wahrnehmen, das es eigentlich anzugehen gilt.
Verschiedene Vereine und Einrichtungen (u.a. Jugendclub Alpha, 
Treffpunkt Fahrland, MBT Potsdam, Stadtsportbund Potsdam, 
Landessportbund Brandenburg, Sportschule Potsdam) erarbeiteten bereits 
im Mai letzten Jahres eine “Handlungsmatrix”, die einen Umgang “mit 
Vorwürfen rechtsextremistischer Betätigung in öffentlichen und 
zivilgesellschaftlichen Einrichtungen” erleichtern soll.
Das von den Vereinen sowie dem Stadt- und Landessportbund 
vorgeschlagene, diskutierte und offenbar bis heute praktizierte Vorgehen
 ist unserer Ansicht nach deshalb so kritikwürdig, da es die 
eigentlichen Probleme verschleiert und zu kritisierende Positionen 
dethematisiert; also an den völlig falschen Stellen ansetzt. Es geht auf
 zwei A4-Seiten “Handlungsmatrix” eben nicht darum, wie mit der Person, 
der neonazistische Aktivitäten vorgeworfen werden, umgegangen wird, 
sondern lediglich um den Umgang mit den Vorwürfen. Feigenblattpolitik 
kann schwer greifbarer illustriert werden.
Instrumentalisierung von Migrant_innen zur Dethematisierung rassistischer Verstrickungen
Immer wieder fällt uns auf, so auch in den hier verhandelten konkreten 
Fällen, dass die auf die Neonazis in ihren Vereinen und Initiativen 
Angesprochenen mit dem Scheinargument der doch “im Verein integrierten 
Migrant_innen” reagieren – eine Anspielung auf die Repräsentation einer 
vorgeblichen Offenheit und Diversität.
Dabei sind für uns zwei Aspekte problematisch: Einerseits spielt die 
Tatsache, dass Migrant_innen ebenfalls in den Vereinen sind, keine 
Rolle. Dies ist noch keine klare Aussage über den Charakter der Vereine 
und sagt ebenso nichts über das Wirken der Neonazis innerhalb der 
Vereine aus. Darüber hinaus können auch aktive Neonazis mit 
Migrant_innen befreundet sein, sie zumindest tolerieren oder sich 
einfach im Kontext ihres eigenen Sportvereins zurücknehmen.
Das zweite, und unserer Ansicht nach noch problematischere an diesem 
Argument ist die dabei aktiv vorgenommene VerAnderung der vermeintlichen
 Migrant_innen. Mit dem Begriff der VerAnderung (vgl. “othering”) ist 
hierbei gemeint, dass die als nicht weiß und damit “nicht deutsch” 
wahrgenommenen Jugendlichen, von denen in vielen Fällen überhaupt nicht 
bekannt ist, ob sie Migrant_innen sind, also z. B. vielleicht eine 
Migrationsgeschichte in der ersten oder zweiten Generation haben [3], 
und in vielen Fällen durch ihr Äußeres zu Migrant_innen gemacht werden, 
also in der Konsequenz durch rassistische Zuschreibungen erst als diese 
hergestellt werden.
Wenn diese Konstruktion des Migrant_innen-Begriffs Anwendung findet, so 
befinden wir uns klar im Fahrwasser rassistischer Diskurse und 
Produktionen einer weißen [4] Mehrheitsbevölkerung gegenüber den 
vermeintlich “Anderen”. Dass und wie diese “Anderen” dabei hergestellt 
werden, ist eines dieser von uns benannten Symptome des Problems, das 
hier eigentlichen angegangen werden soll.
Sozialarbeit lieber den Sozialarbeiter_innen überlassen?
Ein weiteres unserer Meinung nach gefährliches und unreflektiert 
vorgebrachtes Argument ist, was sich im Titel “Die eine und die andere 
Hand” eines Artikels der Lausitzer Rundschau (LR) vom 27. Oktober 2013 
verbirgt, der sich mit den von uns veröffentlichten Tatsachen um den 
Potsdamer Neonazi Thomas Pecht beschäftigt. Hierin wird
 Markus Meyer, der Vorsitzende des Vereins “SG Eintracht 90 Babelsberg”,
 in dem der besagte Neonazi spielt, zitiert: “Wenn wir unsere Hand von 
ihm wegziehen, dann bleibt ihm doch nur noch die andere.” [5] Damit 
spielt er auf die vermeintliche Verantwortung des Vereins gegenüber dem 
Neonazi Pecht an und meint zu wissen, dass dieser sonst noch mehr Zeit 
für die Neonaziszene hätte.
Dass dieses Argument, bei dem sich der Verein als letzte Instanz vor 
Pechts “Abrutschen” in die Neonaziszene ausgibt, angesichts der tiefen 
Verstrickungen ihres Stürmers in die organisierte völkische Neonaziszene
 Potsdams, Brandenburgs sowie darüber hinaus und seine eigenen 
Kadertätigkeiten in verschiedenen Neonazigruppierungen wie ein 
schlechter Witz klingt, täuscht beinahe darüber hinweg, dass dies 
vermutlich ernst gemeint war.
Wir lehnen diese Umgangsweise strikt ab. Wer glaubt an dieser Stelle 
eine sozialarbeiterische Praxis anzuwenden, die maximal bei so genannten
 Mitläufer_innen greift, die_der hat entweder sehr wenig Wissen über die
 deutsche Neonaziszene oder bewegt sich dabei bewusst auf einem sehr 
schmalen und gefährlichen argumentativen Pfad. In jedem Fall ist es eine
 Überschätzung der eigenen sozialpädagogischen Kompetenzen und eine 
absolute Fehleinschätzung der Situation. Nicht ohne Grund hat das 
Konzept der so genannten akzeptierenden Jugendarbeit bezüglich rechter 
Cliquen und Neonazis in der Vergangenheit mehr als deutlich versagt und 
wird von Expert_innen und Pädagog_innen seit vielen Jahren nicht mehr 
propagiert; wenn auch, wie im offenbar unbelehrbaren Jugendclub 
Treffpunkt Fahrland e.V., noch praktiziert.
 In der Bildunterschrift eines 
Mannschaftsfotos, was im Zuge der Auseinandersetzungen um das Thema 
entstanden ist, heißt es: “Gesicht und Haltung zeigen – auch mit einem 
Rechtsextremisten im Verein. Der Fußballverein Eintracht 90 Babelsberg 
mit Banner des Landessportbundes.”
In der Bildunterschrift eines 
Mannschaftsfotos, was im Zuge der Auseinandersetzungen um das Thema 
entstanden ist, heißt es: “Gesicht und Haltung zeigen – auch mit einem 
Rechtsextremisten im Verein. Der Fußballverein Eintracht 90 Babelsberg 
mit Banner des Landessportbundes.”
Was hier als vermeintlich selbstbewusster Umgang mit einem 
widersprüchlichen Thema suggeriert wird, resultiert unserer Ansicht nach
 aus einer verschobenen Perspektive, die zu einer Dethematisierung 
führt.
Dass Pecht keine Lust hatte, auf dem Foto zu sein, ist aus seiner 
Perspektive konsequent und nicht verwunderlich. Dass dies darüber hinaus
 auch ein klares Statement seinerseits ist, wird nicht gesehen oder 
verschwiegen. Wenn sich ein aktiver Neonazi zu solch einer 
Positionierung nicht verhält und fernbleibt, ist das kein Zufall, 
sondern ein klares Statement. Desweiteren ist das Foto ein, wenn auch 
vorgeblich kritisches, Bekenntnis zum Neonazi Pecht seitens des Vereins 
und verschleiert einen Nicht-Umgang mit der Thematik.
Wir denken, dass dies genau der falsche Umgang der “Sportgemeinschaft 
Eintracht 90 Babelsberg” mit diesem Problem ist und meinen auch, dass 
diese beim Fall Thomas Pecht nicht um einen Vereinsausschluss 
herumkommt. Alles andere wäre so skandalös, wie die Situation bereits 
seit mindestens März 2012, genauer gesagt aber seit Pechts Beginn bei 
der “SG Eintracht” vor über sieben Jahren, ist. [6]
“[S]olange er sich an die Regeln hält”, so der Vereinsvorsitzende Meyer,
 wollen sie ihn nicht ausschließen. Damit bezieht er sich offenbar auf 
die Regeln, die für das Spiel an sich gelten – nicht solche, die einen 
möglichst diskriminierungsarmen Umgang innerhalb der Gesellschaft 
gewährleisten könnten. Menschenverachtende Ideologie, wie Pecht sie 
vertritt, steht diesen Zielen konfrontativ gegenüber.
Foulspiel der Potsdamer Antifa oder legitime Grätsche gegen Mario Schober?
In der Tageszeitung PNN wird Anfang Juni 2014 über eine Sprühaktion an 
einem Sportplatz am Stern berichtet. Darin heißt es: “Unbekannte haben 
auf der von dem Verein genutzten Sportanlage in der Newtonstraße in 
Großbuchstaben das Wort ,Naziunterstützungsverein‘ gesprüht.” [7] Weiter
 heißt es in dem PNN-Artikel: “Fortuna-Schatzmeister und 
Vorstandsmitglied Gert Laßmann sagte, es sei ihm ,völlig schleierhaft, 
warum unser Verein in die Naziecke gestellt wird‘. So sei Fortuna am 
Bundesprogramm ,Integration durch Sport‘ beteiligt, viele Kinder in den 
Jugendmannschaften hätten einen Migrationshintergrund.”
Unsere Kritik, zumindest was den letzten von Laßmann vorgebrachten Punkt
 angeht, dürften wir bereits klargemacht haben. Auch dass ihm “völlig 
schleierhaft” sei, warum der Verein “in die Naziecke gestellt wird”, ist
 uns völlig schleierhaft. Denn die Kritik am Torwart der 2. 
Männer-Mannschaft Mario Schober sollte ihm spätestens seit dem Februar 2012 bekannt sein. [8]
Insgesamt ist festzustellen, dass Potsdam sich überhaupt nicht bewegt. Seit Jahren sind aktive Neonazis in Vereinen und werden dort nicht nur geduldet, sondern seit den öffentlichen Debatten auch noch aktiv in Schutz genommen. Aber nicht nur das, es wird sich weiterhin problematischer rassistischer Argumentationslinien bedient, die meinen, weil Menschen als Migrant_innen wahrgenommen würden, bedeute dies ein Vorfinden einer toleranten Vereinsstruktur. Dabei wird nicht erkannt, dass schon das Vorbringen eines solchen Arguments rassistische Bilder erzeugt und Gruppen wie “Wir-Deutschen” und “Die-Migrant_innen” schafft. Sich solcher platten Bilder zu bedienen und dabei zu verteidigen, dass Neonazis in den Vereinen aktiv sind, zeigt einmal mehr, wohin sich hier die Sportvereine Potsdams bewegen: ins Abseits.
[1] http://www.pnn.de/potsdam/880836/
[2]
a. http://arpu.blogsport.eu/2012/02/20/cheer-for-ns-potsdamer-neonazi-mario-schober/
b. http://arpu.blogsport.eu/2012/02/22/neonazi-mario-schober-mehr-als-unglaubwurdig-verein-verharmlosend/
c. http://arpu.blogsport.eu/2012/03/27/thomas-pecht-volkssport-fur-die-volksgemeinschaft/
d. http://arpu.blogsport.eu/2012/05/30/gewaltromantik-trifft-auf-neonazidenken-crimark-neonazi-hools-in-rot-weis/
e. http://arpu.blogsport.eu/2012/06/04/schober-und-pecht-noch-immer-etabliert-vereine-hofieren-neonazis/
f. http://arpu.blogsport.eu/2013/04/08/potsdamer-neonazis-auch-2013-sportlich/
g. http://arpu.blogsport.eu/2013/04/29/stadtsportbund-unterstreicht-seine-ohnmachtigkeit-gegen-neonazis-in-den-eigenen-reihen/
und http://apap.blogsport.eu/publikationen/
[3] Hier eröffnet sich die Frage, bis wann Menschen, deren Eltern oder 
Großeltern eine Migrationsgeschichte haben, selber Migrant_innen bleiben
 oder eben einfach Menschen mit der Staatsbürgerschaft ihres jeweiligen 
Geburts-, also Herkunftslandes sind.
[4] Der Begriff wird hierbei nicht als Markierung einer Hautfarbe, sondern als soziale Positionierung verstanden.
[5] http://www.lr-online.de/regionen/cottbus/Die-eine-und-die-andere-Hand;art1049,4370586
[6] http://arpu.blogsport.eu/2012/03/27/thomas-pecht-volkssport-fur-die-volksgemeinschaft/
[7] http://www.pnn.de/potsdam/861186/
[8] http://arpu.blogsport.eu/2012/02/20/cheer-for-ns-potsdamer-neonazi-mario-schober
Bild 1: Thomas Pecht (Bildmitte) am 2. März 2014 als Stürmer für die “SG Eintracht 90 Babelsberg”
Bidl 2: Fotografisches Statement der “SG Eintracht 90 Babelsberg” gegen “Rechtsextremismus” – ohne Neonazi Thomas Pecht
Bilder mit Bildunterschriften: https://linksunten.indymedia.org/en/node/127243
Artikel auf der AR_P//U-Website mit allen Bildern und Bildunterschriften: http://arpu.blogsport.eu/2014/11/11/potsdam-bewegt-sich-nicht-potsdamer-sportvereine-und-ihre-neonazis/
Antifaschistische Recherche_Potsdam//Umland

