Am 27. November 2014 steht in Öhringen ein junger Antifaschist vor dem Amtsgericht. Ihm wird vorgeworfen, dem baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall bei einer Podiumsdiskussion an einer Hochschule in Ludwigsburg im Februar 2014 eine Torte ins Gesicht geworfen zu haben.
Gall konnte aufgrund der Torten-Aktion nicht an dem Gespräch zum Thema "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von Buchenwald bis zu den NSU-Morden" teilnehmen. Er verließ die Veranstaltung, um sich im Krankenhaus die Sahne aus dem Gehörgang entfernen zu lassen.
Laut
 Anklage soll sich der Aktivist somit der versuchten Körperverletzung, 
der versuchten Sachbeschädigung und der Nötigung schuldig gemacht haben.
Im Anschluss an die Aktion hatte sich eine "Heilbronner Konditorei für konsequente Aufklärung" zu dem Wurf bekannt. 
In
 einer Erklärung begründete die Gruppe ihre Intervention mit der 
Blockade der grün-roten Landesregierung und insbesondere des 
SPD-Innenministers bei der Aufklärung des "Nationalsozialistischen 
Untergrundes" (NSU). An dieser Verweigerungshaltung der Verantwortlichen
 in Stuttgart hat sich bis heute nichts geändert.
Wenige Tage nach 
dem Tortenwurf veröffentlichte eine "Ermittlungsgruppe Umfeld" der 
Polizei einen Bericht. Dieser sollte die Verbindungen der 
Nazi-Terroristen des NSU nach Baden-Württemberg offenlegen, lieferte 
aufgrund seiner Substanzlosigkeit allerdings mehr Fragen als Antworten. 
Den staatlichen Behörden bescheinigte der Bericht, alles richtig gemacht
 zu haben – kein Wunder, wenn die Polizei sich selbst untersucht. 
Auch eine "Enquetekommission" die nur aufgrund öffentlichen Druckes eingerichtet wurde, erwies sich schon nach den ersten Sitzungstagen als Farce. Die Kommission hat kein Konzept und vor allem kein Recht Akten anzufordern oder Zeugen vorzuladen. Sie ist ein zahnloses Instrument, das vor allem als Ablenkungsmanöver benutzt wird, um einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema NSU zu verhindern.
Wie
 unverfroren das baden-württembergische Innenministerium unter Reinhold 
Gall weiterhin an seinem Blockade-Kurs festhält, wurde erst Ende August 
2014 wieder deutlich. Die "Enquete-Kommission" hatte den Wunsch 
geäußert, die beiden ehemaligen Leiter der "Soko Parkplatz" anzuhören. 
Diese polizeilichen Sonderkommissionen waren für die Untersuchung des 
mutmaßlichen NSU-Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in 
Heilbronn verantwortlich. Gall verweigerte den Polizisten die 
Genehmigung, vor dem Gremium auszusagen und sabotiert damit persönlich 
sogar eine zaghafte Beschäftigung mit dem rätselhaften Mord in Heilbronn
 2007.
Dabei gibt es weiterhin mehr als genug ungeklärte Fragen.
Warum
 werden die Verbindungen von Michèle Kiesewetter zur Nazi-Szene nicht 
untersucht? Warum tummeln sich gerade in Baden-Württemberg
zahlreiche Personen aus dem NSU-Umfeld? Welche Rolle spielen faschistische Netzwerke wie "Blood and Honour" und "Hammerskins"?
Warum starb der Nazi-Aussteiger Florian Heilig an dem Tag, als er beim LKA Stuttgart zum NSU befragt werden sollte?
Wie
 rassistisch ist eine Polizei, die jahrelang gegen Migrant*innen und 
Sinti und Roma ermittelt und gleichzeitig die Mitgliedschaft eigener
Beamter im "Ku-Klux-Klan" unter den Tisch kehrt? 
Und
 was führt ein Verfassungsschutz im Schilde, dessen "V-Männer" einen 
"Ku-Klux-Klan" in Schwäbisch Hall gründen und der Akten schreddert, wenn
 Aufklärung droht?
Anstatt sich mit diesen Fragen auseinander zu 
setzen, zerren die Ermittlungsbehörden jetzt einen Antifaschisten vor 
Gericht, der mit einer symbolischen Aktion gegen die "Schwamm drüber!"- 
Strategie der baden-württembergischen Landesregierung protestieren 
wollte. Sie wollen eine weitere Möglichkeit nutzen, um unbequeme 
antifaschistische Akteure zu kriminalisieren. 
Wir weisen 
diesen Versuch entschieden zurück und erklären unsere Solidarität mit 
dem angeklagten Tortenwerfer. Nicht die Platzierung von Himbeersahne auf
 dem Innenminister Reinhold Gall gehört untersucht, sondern die 
faschistischen Netzwerke und ihre Verbindungen zu den deutschen 
Behörden!
Wir rufen zur solidarischen Begleitung des anstehenden Prozesses auf.
Prozesstermine:
Kundgebung vor dem Öhringer Amtsgericht: Donnerstag, 27. November 2014 | 8.30 Uhr | Karlsvorstadt 18 Öhringen
Prozessbeginn: 9.00 Uhr
Unterstützende Gruppen:
AK Antifa Mannheim
AK Antirepression Freiburg
Antifaschistische Aktion Heilbronn
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart& Region (AABS)
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
Antifaschistische Jugend Rems/Murr
Antifaschistische Linke Bühl Achern
Antifaschistische Linke Freiburg
Autonome Antifa Schwäbisch Hall
DKP Schwäbisch Hall/ Kommunisten Hohenlohe
Die Linke Kreisverband Schwäbisch Hall/ Hohenlohe
Offenes Antifaschistisches Treffen Heilbronn (OAT)
Organisierte Linke Heilbronn (OL)
Unterstützende Einzelpersonen:
Ariane Raad
Arne Gailing
Bahar Pencabligil
Florian Vollert
Heike Hänsel, MdB Die Linke
Janka Kluge, Landessprecherin der VVN - BdA Baden-Württemberg
Jochen Dürr, Landessprecher der VVN - BdA Baden-Württemberg
Katharina Kaupp
Lothar Letsche, Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der VVN–BdA Baden Württemberg
Michael Janus
Sigi Hubele
Silvia Ofori
Thomas Müssig
Volker Bohn, Stadtrat

