Anwohner und Händler diskutieren im Rabet
Von Frank Schubert
 Zu den 20 "Freiräumen" entlang der Eisenbahnstraße, die sich am 
Sonnabend zum Auftakt des mehrwöchigen "Ost-Lichter"-Festivals 
präsentierten, gehört auch der Stadtteilpark Rabet. Hier veranstaltete 
die Initiative "Rassismus tötet" zusammen mit dem Verein Roter Baum 
einen antirassistischen Kulturtag. Hip-Hop-Musik, Infostände, 
Siebdruck-Angebote, Graffiti-Wand und Workshops gegen die einseitige 
Wahrnehmung des Stadtteils als Problemviertel und kriminelle 
Parallelgesellschaft mit hohem Migrantenanteil.
 Trotz hartnäckiger Regenschauer war die Veranstaltung den ganzen Tag 
über gut besucht. Besonders großes Interesse gab es an einer 
Podiumsdiskussion mit dem provokanten Titel "Die Eisenbahnstraße - 
gefährlichste Straße Deutschlands?!" Ein großes Banner mit der 
Aufschrift "Kriminell ist nicht die Eisenbahnstraße, sondern kriminell 
ist das System" verdeutlichte unmissverständlich die Position der 
antirassistischen Aktivisten. Ganz so systemkritisch und verbal-radikal 
ging es auf dem Podium zwar nicht zu. Trotzdem erteilten die 
eingeladenen Anwohner und Geschäftsinhaber dem Ruf der Straße als 
Kriminalitätsschwerpunkt eine einhellige Absage.
Rolf Müller (77) von der Händlergemeinschaft "Lo(c)kmeile 
Eisenbahnstraße", dessen Familie hier seit 1955 das Unternehmen 
"Messer-Müller" betreibt, erhielt viel Beifall für seine Aussage: "Die 
Eisenbahnstraße ist nicht kriminell, sie wird nur von einigen Medien 
dazu hochstilisiert." Einzelfälle würden verallgemeinert. Er selbst 
komme gut mit den hier lebenden Türken, Kurden und Russen aus, 
berichtete der Instrumentenschleifermeister. Rudaba Badakhshi vom 
Migrantenbeirat der Stadt erinnerte daran, dass ein Großteil der 
Menschen mit Migrationshintergrund inzwischen einen deutschen Pass habe,
 daher nicht pauschal als Ausländer bezeichnet werden  sollte. "Wir 
müssen trennen zwischen Kriminalität und der Zuschreibung auf eine 
bestimmte Gruppe." Sie wies auf das rege Vereinsleben, kulturelle 
Aktivitäten und die vielfältigen Läden hin, die auch Menschen aus 
anderen Stadtteilen anziehen. Burcu Arslan erzählte davon, dass sie acht
 Jahre in Asylheimen gelebt hat und in dieser Zeit nicht arbeiten 
durfte. Inzwischen studiert sie Politikwissenschaft und begrüßt es sehr,
 dass immer mehr Studenten und junge Leute in die Eisenbahnstraße 
ziehen. 
Weniger Einigkeit gab es auf dem Podium beim Thema Polizei. Zwar 
begrüßten alle die Einrichtung des neuen Polizeipostens in der 
Eisenbahnstraße, der allerdings nur tagsüber besetzt ist. Ob sich 
dadurch wirklich etwas verbessert, müsste überprüft werden, forderte 
Rudaba Badakhshi. "Wichtiger ist doch, wie schnell die Polizei da ist, 
wenn sie gerufen wird." Sie kritisierte die zunehmenden 
verdachtsunabhängigen Kontrollen als "Racial Profiling" - oft würden 
Migranten nur wegen ihres Aussehens kontrolliert. Und Burcu Arslan 
berichtete davon, dass die Präsenz der Polizei manchmal höher ist als 
ihr tatsächliches Engagement. So sei eine Streife einmal bei einer 
Schlägerei einfach vorbeigefahren. Darauf angesprochen hätte einer der 
Beamten gesagt: "Ich bin Polizist für Leipzig, nicht für die 
Eisenbahnstraße. Dafür riskiere ich mein Leben nicht."
