Wo befinden wir uns in der Krise? „Er hat uns die Lust am Lachen für zehn Jahre genommen.“ (André Gide nach der Konferenz von Antonin Artaud: Artaud le Mômo) So verschiedene Kämpfe und Bewegungen wie der arabische Aufstand seit 2011, die „Occupybewegung“ oder die „Empörten“, die türkischen, brasilianischen oder bosnischen Demonstrationen, die ukrainischen Aufstände, die „Mistgabelbewegung“ in Italien, die Arbeiterstreiks und -aufstände in China, Süd- und Südostasien, Südafrika, und sogar, auf einem nicht vergleichbaren Niveau, die Ereignisse in der Bretagne in Frankreich im Herbst 2013 oder die Popularität politischer Thesen der extremen Rechten überall in Europa definieren innerhalb der Krise, welche 2007/2008 begonnen hat, eine besondere Sequenz des Klassenkampfes, welche ungefähr 2010 begonnen hat und in welcher wir uns gegenwärtig befinden.
2007: Eine Krise des Lohnverhältnisses
Im von der Restrukturierung hervorgebrachten Kapitalismus der 1970er/1980er Jahre (dessen Krise wir gegenwärtig erleben) war die Reproduktion der Arbeitskraft Gegenstand einer doppelten Entkopplung. Einerseits zwischen der Verwertung des Kapitals und der Reproduktion der Arbeitskraft, andererseits, durch den Kredit, zwischen dem Konsum und dem Lohn als Einkommen.
Der Bruch eines notwendigen Verhältnisses zwischen der Kapitalverwertung
 und der Reproduktion der Arbeitskraft zersplittert die in ihrer 
nationalen oder gar regionalen Begrenzung kohärenten 
Reproduktionsbereiche. Es geht darum, einerseits, die Reproduktion 
und die Zirkulation des Kapitals und, andererseits, die Reproduktion und
 die Zirkulation der Arbeitskraft zu trennen.
Die gegenwärtige Krise ist ausgebrochen, weil Proletarier ihre Kredite 
nicht mehr zurückzahlen konnten. Sie ist durch jenes Lohnverhältnis 
selbst ausgebrochen, auf welchem die Finanzialisierung der 
kapitalistischen Ökonomie gründete: für die „Schaffung von Wert“ 
notwendige Kürzung der Löhne; globale Konkurrenz der Arbeitskraft. Es 
ist das Lohnverhältnis, welches im Zentrum der gegenwärtigen Krise 
steht.
Am Anfang war alles gut...
In den „selbstmörderischen Kämpfen“, den Kämpfen der Arbeitslosen und Prekären oder der Papierlosen, den Streiks in Bangladesch, wo die Arbeiter die Fabriken anzünden, den Ausschreitungen in Griechenland 2008, den mehr oder weniger fordernden Kämpfen in Guadeloupe, den vielfältigen Kämpfen in Argentinien usw. zeigte sich die revolutionäre Dynamik dieses Kampfzyklus: Als Klasse zu handeln bedeutet gegenwärtig einerseits, nur das Kapital und seine Reproduktionskategorien als Horizont zu haben, andererseits, und aus diesem Grund, im Widerspruch mit der Reproduktion seiner eigenen Klasse zu stehen, sie in Frage zu stellen. Wir definierten das als einen Konflikt, eine Diskrepanz in den Handlungen des Proletariats, welcher den Inhalt und das zentrale Thema des Klassenkampfes darstellt. Nur dadurch konnten wir von der Revolution als Kommunisierung sprechen und wir hatten Recht. Aber...
Und dann begann alles zu verfaulen
Die Lohngesellschaft
Zu Beginn der 2010er Jahre kippt etwas. Die Staatsschuldenkrise führt in allen zentralen Ländern zu verstärkten Sparmassnahmen, der fiskale Druck wird grösser, der soziale Aufstieg durch ein Studium ist nur noch eine überholte Illusion, die Arbeitslosigkeit und die Prekarität entwickeln sich und betreffen Kategorien, welchen sie bis anhin mehr oder weniger erspart blieb, nämlich die Mittelklassen. Die Entwicklung geht von den griechischen Ausschreitungen hin zu den grossen Versammlungen auf dem Syntagmaplatz.
Das Eintreten von Kategorien wie jener der Mittelklassen oder der Jugend
 ist nicht einfach das schlichte Auftauchen von neuen Akteuren in einem 
bestehenden und unveränderten Spiel, sondern die jüngsten Entwicklungen 
der Krise konstruieren und zerschlagen gleichzeitig diese Akteure, doch 
v.a. verbreitet sich das Feld des Klassenkampfes vom Lohnverhältnis zur Lohngesellschaft. Das ist die gegenwärtige Sequenz.
Die reelle Subsumtion ist gleichbedeutend mit der Konstitution des Kapitals als Gesellschaft. Doch diese Konstitution als Gesellschaft ist gleichbedeutend mit der kapitalistischen Produktionsweise als Lohngesellschaft. Die Lohngesellschaft ist ein Kontinuum von Positionen und Kompetenzen, innerhalb welchem die Produktionsverhältnisse nur als Distributionsverhältnisse,
 die Ausbeutung als ungerechte Aufteilung des Reichtums, die 
gesellschaftlichen Klassen als Verhältnis zwischen Reichen und Armen 
erlebt werden.
Im Rahmen der Lohngesellschaft und der Distributionsverhältnisse 
betrifft der Angriff auf alle lohnabhängigen Einkommen u.a. die 
Mittelklassen und bringt sie dazu, auf die Strassen zu gehen und die 
Formen selbst dieses Moments der Krise machen „momentan“ (?) aus den 
Mittelklassen die Repräsentantinnen desselben. Das geschieht häufig im 
Rahmen eines konfliktreichen Zusammenkommens mit den Arbeitslosen und 
Prekären und erschafft umgekehrt eine distanzierte, wenn nicht 
misstrauische Haltung bei mehr oder weniger stabilen Arbeitern, welche 
sich nicht in der von ihrer Position in der Produktion ausgehenden 
Bewegung beteiligen oder, wie in der Türkei oder in Brasilien, 
vollständig parallel handeln. Durch die konstante und grobe 
Positionierungs- und Hierarchiearbeit, welche sie ausmacht, ist die 
Mittelklasse ein Tummelplatz der Lohngesellschaft mit ihren Aufstiegen 
und Niedergängen. Sie kämpft für die Reproduktion der Lohngesellschaft 
und die Bestätigung der Selbstvoraussetzung des Kapitals.
Zum selben Zeitpunkt erweisen sich die selben gesellschaftlichen 
Kategorien als wesentliche Akteure der sozialen Bewegungen in den 
Schwellenländern. China, Indien, Brasilien und die Türkei sind zwischen 
ihrer zusammenbrechenden funktionalen Rolle im System und ihrer 
erreichten, noch nicht verwertbaren Entwicklung in die Zange genommen. Es
 ist diesbezüglich kaum bedeutend, dass die Lohngesellschaft schon in 
jedem regionalen Bereich erreicht oder sich mehr oder weniger 
realistisch konstituierend ist, die Mittelklassen der Schwellenländer 
sind davon nur die fleissigsten Elemente. 
Die Krise des Lohnverhältnisses wird zu einer Krise der 
Lohngesellschaft, es wird Bewegung in alle Schichten und Klassen der 
Gesellschaft gebracht, welche vom Lohn leben. Überall in der 
Lohngesellschaft geht es um Politik und Distribution. Als Preis der Arbeit (Fetischform) führt der Lohn zu Ungerechtigkeit in der Distribution, das ist normal. Die Ungerechtigkeit der Distribution hat einen Verantwortlichen, der „seine Aufgabe nicht erledigt hat“: der Staat.
 Wenn die Krise des Lohnverhältnisses zu einer interklassistischen 
Bewegung als Krise der Lohngesellschaft wird, ist letztere eine 
Delegitimierung des Politischen, das im Namen einer wahren nationalen Politik denunziert wird. Die Frage der Legitimität des Staates gegenüber seiner Gesellschaft
 steht überall im Zentrum der Kämpfe dieser Sequenz. Je nach Umständen, 
lokalen Geschichten, Hintergrund der Konflikte kann das sehr 
verschiedene und auf den ersten Blick gegensätzliche Formen annehmen, 
doch der Inhalt ist der gleiche: Der Staat erscheint immer als 
Verantwortlicher und als Lösung.
Die merkwürdige Kombination zwischen Liberalismus und Staatsbürokratie, 
welche den Staat und die herrschende Klasse in den arabischen Ländern 
seit Beginn der 1970er Jahre definiert, ist an der Grenze ihrer 
Entwicklung angekommen und beträchtlich ins Wanken geraten. Doch die 
Wiederzusammensetzung der herrschenden Klasse und des Staates, in 
Ägypten wie auch in Tunesien, kann nicht auf endogene Art und Weise 
durchgeführt werden. Dies ist der Schlüssel zum Verständnis des 
arabischen Aufstands als langer Prozess mit Fortschritten und 
Rückschritten, wovon die Konfrontationen im Sommer 2013 zwischen den 
einerseits von den Muslimbrüdern, andererseits von der Armee 
repräsentierten Fraktionen der Bourgeoisie (mit den zerbrechlichen 
Hegemonien, welche sie provisorisch aufbauen können) eine Episode 
darstellten. Das Proletariat nimmt nicht nur daran teil, weil diese 
Konterrevolution der formale Ausdruck der politischen Grenzen selbst 
seiner Kämpfe ist, sondern auch weil seine eigene Strukturierung als 
Klasse in den Kämpfen und durch die Kämpfe es in diese 
Wiederzusammensetzung des Staates und der herrschenden Klasse 
hineinmanövriert.
„Die Entnationalisierung des Staates“ (Saskia Sassen)
Was man in der gegenwärtigen Globalisierung als global bezeichnen kann, beschränkt sich nicht auf einige „globale“ Institutionen, das Globale nimmt nationale Institutionen und Territorien in Beschlag. Das Ziel von Bretton Woods war es, die Nationalstaaten gegen die exzessiven Fluktuationen des internationalen Systems zu wappnen. Jenes der gegenwärtigen globalen Ära ist ein ganz anderes, nämlich die Einsetzung von globalen Systemen und Funktionsweisen innerhalb der Nationalstaaten, unabhängig von den Risiken für ihre Ökonomien. Die Entnationalisierung der staatlichen Kapazitäten ist gleichbedeutend mit einer Einflechtung globaler Projekte in die Nationalstaaten (Geld-, Fiskal- oder Sozialpolitik). Der Staat ist nicht ein Ganzes, die Globalisierung ist nicht eine allgemeine Schwächung des Staates, sie führt zu Transformationen in seiner Mitte, d.h. ein Werk der Trennung der staatlichen Elemente.
Die Logik des Finanzsektors integriert sich in die nationale Politik, um eine angemessene Wirtschaftspolitik, eine gesunde
 Finanzpolitik zu definieren, diese Kriterien haben sich für die 
nationale Wirtschaftspolitik in Normen verwandelt: Unabhängigkeit der 
Zentralbanken, inflationshemmende Politik, Parität der Wechselkurse, 
Konditionalitäten des Weltwährungsfonds. Im Gegensatz zur 
„Entnationalisierung“ war die keynesianische Politik eine Illustration 
„des integrierten Nationalen“, wie es Sassen formuliert: die Kombination
 nationaler Ökonomie, nationalen Konsums, nationaler Bildung und 
Erziehung nationaler Arbeitskraft und Kontrolle über das Geld und den 
Kredit.
In der Krise der Lohngesellschaft zeigen die um die Distribution geführten Kämpfe mit dem Finger auf den Staat als Verantwortlichen der 
Ungerechtigkeit. Dieser Staat ist der entnationalisierte Staat, von der Globalisierung durchdrungen und ihr Agens.
Die Staatsbürgerschaft wird also zu jener Ideologie, mit welcher der 
Klassenkampf geführt wird, wir sehen überall Flaggen. Während der 
„fordistischen Periode“ war der Staat zudem zum „Schlüssel des 
Wohlstands“ geworden, es ist diese Staatsbürgerschaft, welche sich 
während der Restrukturierung der 1970er und 1980er Jahre auf und davon 
gemacht hat. Obwohl die Staatsbürgerschaft eine Abstraktion ist, bezieht
 sie sich auf durchaus konkrete Inhalte: Vollbeschäftigung, Kernfamilie,
 Ordnung-Nähe-Sicherheit, Heterosexualität, Arbeit, Nation. Rund um 
diese Themen rekonstruieren sich die Klassenkonflikte in der Krise der 
Lohngesellschaft.
Die ideologische Rekonstruktion der Klassenkonflikte
Die Ideologie ist die Art und Weise, wie die Menschen ihre Verhältnisse zu ihren Existenzbedingungen als ihnen gegenüber als Subjekt verdinglicht erleben, in diesem Sinn ist die Ideologie nicht so sehr eine deformierte Spiegelung der Realität im Bewusstsein, sondern ein Ensemble von praktischen Lösungen für die Trennung der Wirklichkeit in Objekt und Subjekt, indem sie gerechtfertigt und bestätigt wird.
Das Verhältnis der Individuen zu den Produktionsverhältnissen ist 
insofern nie eine Unmittelbarkeit, als dass diese Verhältnisse 
Ausbeutung und Entfremdung bedeuten, es enthält ein „Spiel“, wo alle 
Instanzen der Produktionsweise intervenieren. Diese Nichtunmittelbarkeit
 ist es, welche in Frankreich den Unterschied zwischen dem „Front de 
Gauche“ und dem „Front national“ und den Vorteil letzterem gegenüber 
ersterem ausmacht. Politik, welche dieser Nichtunmittelbarkeit nicht 
Rechnung trägt, ist zum Scheitern verurteilt. Die „Linke der Linke“ ist 
dabei, darüber nachzudenken, doch ihr Problem ist, dass alle Probleme 
ein System bilden und dass dieses System als solches nach rechts 
tendiert. Als der PCF 1977 die „französische Produktion“ unterstützte, 
fügte er selbst an „mit Franzosen“.
Als Ideologie bietet die Staatsbürgerschaft eine Antwort auf das reale 
Problem der Epoche: die Krise des Lohnverhältnisses, welche zur Krise 
der Lohngesellschaft geworden ist, die Krise des entnationalisierten 
Staates, der unüberwindbare Gegensatz zwischen den Gewinnern und den 
Verlierern der Globalisierung. Doch der Rückgriff auf die nationale 
Staatsbürgerschaft ist dann in den Kämpfen selbst das Geständnis, dass 
diese Kämpfe auf der Basis und innerhalb der Lohngesellschaft unter 
einer Ideologie stattfinden. Einerseits bietet die nationale 
Staatsbürgerschaft eine Antwort auf das reale Problem der Krise der 
Lohngesellschaft; andererseits entspricht sie ihm nicht, denn sie 
behandelt es auf „unechte“ Art und Weise als Repräsentation von etwas 
anderem: des Werteverlusts, des Zerfalls der Familie, der nationalen 
Identität, der Arbeitsgemeinschaft. Was bedeutet, dass sie nur ihre 
eigenen Fragen beantwortet. 
Auf den ersten Blick ist diese Ideologie kritisch, aber nur insofern als sie die Sprache der Forderung im Spiegel ist, welcher ihr die Distributionslogik und die Notwendigkeit des Staates entgegen hält.
 Die unter dieser Ideologie angewandten Praktiken sind effizient, weil 
sie den Individuen ein plausibles Bild und eine glaubhafte Erklärung 
dessen vermitteln, was sie sind und erleben, und konstituierend für die Wirklichkeit
 ihrer Kämpfe. Die Fragen der Distribution, der Arbeit und der 
staatlichen Sozialhilfe, der Verwahrlosung der Territorien in der 
„nationalen Einheit“, der Werte, der Familie strukturieren adäquat das 
Verhältnis der Individuen zu den gegenwärtigen Problemen der 
Klassenkämpfe in dieser Sequenz der Krise.
Es geht darum, zu beweisen, inwiefern es ein objektiver Prozess der Produktionsverhältnisse ist, der sich von sich selbst ausgehend rekonstruiert in Form von für diese besondere Sequenz bezeichnenden ideologischen Praktiken.
Die Thematik der ideologischen Rekonstruktion der Klassenkonflikte
a) Das Territorium und das Lokale
Die Globalisierung und die Entnationalisierung der Staaten erschaffen grossflächige periphere Territorien, die von den wichtigen wirtschaftlichen Prozessen ausgeschlossen sind. Im Herbst 2013 war es dieses Gefühl des territorialen Ausschlusses, welches die bretonische Revolte der „Rotmützen“ gegen die Ökosteuer und die Schliessung von Unternehmen vereinigte. Für die Arbeiter in der Bretagne, im Nord-Pas-de-Calais, in der Picardie, in Lothringen oder in der Champagne-Ardenne ist der Angriff auf das Lokale durch den globalen Kapitalismus eine vernünftige Erklärung der erduldeten Probleme und Leiden unter verschiedenen Aspekten und die Wahrung jenes Lokalen eine glaubhafte Lösung.
Während der Schweizer Abstimmung vom 9. Februar 2014 über die 
„Begrenzung der Einwanderung von Arbeitern“ gewann das „Ja“ in den 
ländlichen Gegenden gegen die Städte und es gewann dort, wo es am 
wenigsten europäische, eingewanderte Arbeiter hat, aber am meisten nationale Arbeitslose.
In der ideologischen Rekonstruktion der Konflikte ist das Lokale die 
Schnittstelle mehrerer anderer Bestimmungen, welche weiter unten 
diskutiert werden: Es schart das „authentische Volk“ gegen die Eliten, 
die „Eierköpfe“, alles, was ausländisch ist, jene, welche vom 
Sozialsystem und den Steuern der anderen profitieren. In dieser Art von 
Revolte stellt das Gefühl der Vernachlässigung der ländlichen und 
stadtnahen Zonen in Anbetracht der Hegemonie der Metropolen die 
Legitimität des entnationalisierten Staates in Frage, es wird begleitet 
von „der Verärgerung über den Steuerdruck“ und die 
„Überreglementierung“, dem allgemeinen Willen, das „Sozialdumping“ zu 
beenden und „die Arbeitsplätze in der Heimat zu erhalten“.
Die brasilianischen Demonstrationen sind hingegen verbunden mit der 
massiven Expansion und Aufwertung der zentralen urbanen Zonen, zu einem 
Zeitpunkt, wo beträchtliche Teile dieser Städte in der Armut versinken 
und einen Niedergang ihrer Infrastrukturen erleben. Die Stadtpolitik 
stellt die Synthese jener Fragen dar, welche mit der Reproduktion der 
Arbeitskraft und somit mit der Reproduktion der Klassenunterschiede 
verbunden sind: Wohnfrage (Wohnen in jenem Raum, der von der 
„Stadtaufwertung“ erschüttert wird), Gesundheit, Bildung, Transport. Die
 Fragen der Dichte, der Qualität und des Preises der öffentlichen 
Dienste betreffen nicht nur die Reproduktion der Arbeitskraft, sondern 
auch die Probleme sozialer Mobilität.
In Rio oder Sao Paulo ist das den Kampf strukturierende 
gesellschaftliche Verhältnis, welches die Streitpunkte definiert, sei es
 in Bezug auf den Ausschluss aus den zentralen Wohnzonen oder auf die 
Transporte und die öffentlichen Dienste im allgemeinen, nicht das 
Kapital oder die Lohnarbeit, sondern das Grundeigentum, welches 
die Bodennutzung beherrscht. Der Interklassismus ist das Symptom dieses 
gesellschaftlichen Produktionsverhältnisses. Weil das Grundeigentum sie 
strukturiert und sich selbst zu ihrer zentralen Frage erhebt, betreffen 
die Klassenkämpfe als Kämpfe über die Stadtnutzung ein „sekundäres“ 
Produktionsverhältnis: Die Bodenrente ist nur ein Teil des im Verhältnis
 zwischen Arbeit und Kapital extrahierten Mehrwerts. Dieser „sekundäre“ 
Charakter zeigt sein eigenes Wesen in der Tatsache, dass die Kämpfe rund
 um das Einkommen und den Konsum organisiert sind.
In den unter der Ideologie des Lokalen existierenden Kämpfen kommt man, 
wenn auch nicht mit der gleichen Dynamik und den gleichen Perspektiven, 
vom Lohnverhältnis zur Lohngesellschaft, zum Lohn als 
Distributionsverhältnis, zur Legitimität des bestehenden Staates.
 Gut eingerichtet in der Abfolge dieser Missverhältnisse zeichnet sich 
die ideologische Rekonstruktion durch eine vielgestaltige Perversität 
aus.
b) Die Familie
Die Ideen von „Freiheit“, „Selbstbestimmung“ und „Emanzipation“ haben nicht nur praktisch keine Bedeutung mehr, sondern sind darüber hinaus, zusammen mit jener der „Entscheidung“, oder gar des „Rechts“, zu Emblemen des wirtschaftlichen Liberalismus selbst geworden. Sie sind für die „Verlierer der Globalisierung“ zu einer Drohung geworden. Auf die Familie angewandt erscheinen diese Ideen als eine taube und hinterlistige Unternehmung der Zerstörung all dessen, was als letzte fähige Schutzinstitution gegen den „Individualismus“ betrachtet wird.
Dieses Idealbild der sogenannt „traditionellen“, oder gar „ewigen“ oder 
„natürlichen“ Familie, ein Ort des Schutzes ausserhalb der rein 
wirtschaftlichen Verhältnisse, die jedoch den Frauen einen achtbaren 
materiellen Status gibt, um sich mit den sozialen Diensten zu 
konfrontieren; diese Familie mit den festen und beruhigenden 
Rollenbildern, welche viele Forderungen gegen die Bestimmungen der 
kapitalistischen Entwicklung, so wie sie die Krise offensichtlich
 machte, heraufbeschwört, ist relativ jung: Sie formt sich in der 
Zwischenkriegszeit rund um die Figur des männlichen Arbeiters, der 100% 
arbeitet, Rechte als Ehemann und Vater hat und ab Anfang der 1970er 
Jahre im Niedergang begriffen ist.
Die „geschlechtliche Indifferenzierung“ und die sogenannte 
„Gendertheorie“ werden über die Demonstrationen gegen die „Ehe für alle“
 hinaus gehend als Bedrohung erlebt, eine Bedrohung gegenüber einer 
Ordnung, wo die gesellschaftlichen Rollen dem biologischen Geschlecht 
entsprechen (oder auch umgekehrt...), wo die Geschlechter „komplementär“
 sind und wo jeder und jede ihre „traditionelle“ Stellung in der Familie
 einnimmt. Eine Stellung, welche droht, das Abtreibungsverbot für die 
Frauen zu verewigen.
Alles ereignet sich also, als ob der Kampf gegen die oder eher die 
schlichte Ablehnung der gesellschaftlichen Verhältnisse, welche über die
 Produktion und die Reproduktion bestimmen, im Namen der von der 
Restrukturierung abgeschafften früheren Welt geführt würde, eine frühere
 Welt, welche zum idealen Gegenmodell erhoben wird. Umso mehr, 
weil dieses ideale Gegenmodell zu einem sehr aktuellen Wert gegen die 
ideologische Effizienz einer Gendertheorie wird, welche überall nur 
freie und frei zu wählende Verhaltensweisen sieht: Vorurteile oder 
Repräsentationen. Diese ideologische Effizienz besteht darin, Praktiken 
zu konstruieren und zu legitimieren, die den Zwang und die 
gesellschaftlichen Bestimmungen leugnen, welche die Genderunterscheidung
 konstruieren. Wenn man keine Wahl hat, nimmt man die „liberale“ 
Gendertheorie im besten Fall als ein Hirngespinst, im schlimmsten Fall 
als eine Beleidigung wahr. Gegen diese willkürliche Genderkonzeption, 
welche, wie es eine Journalistin der Monde (vom 5. Februar 2014) 
formuliert, dazu führe, dass „die Ungleichheiten der Geschlechter ein 
Produkt unserer Repräsentationen sind“, ist das, worin sich „das Volk“ 
im konservativen Diskurs wiedererkennt, die Anerkennung des zwingenden 
Charakters des Sozialen. Der gesellschaftliche Zwang ist nicht nur da 
und stark, er behauptet auch seine Positivität, die Familie ist der 
Festungswall des Volkes und der „menschlichen Authentizität“ gegen den 
Individualismus, die Eliten und Bildungs-, Nahrungs- und 
Sexualitätsspezialisten usw.
c) Die Authentizität, die intellektuellen Eliten und die Nation
Die wirtschaftliche Unsicherheit hat dazu geführt, dass ein Teil des Proletariats und der Mittelklassen die Sicherheit woanders, in einem „moralischen“ Universum sucht, wo alles ziemlich stabil sein und das alte, mit der verschwundenen Welt verbundene Verhaltensweisen wieder rehabilitieren soll. Jener Elite, welche früher mit den Besitzenden, den grossen Industrie- und Finanzfamilien assoziiert wurde, werden nun die Linke, die Intellektuellen und die Spezialisten zugewiesen, welche begierig seien nach sozialen, sexuellen, gesellschaftlichen und rassischen Innovationen. Dieses Umschwenken fand in den USA Anfang der 1970er Jahre statt und man sieht es nun überall in Europa aufgrund der oben genannten Gründe: die Konstitution der durch die Restrukturierung der 1970er Jahre abgeschafften Welt als ideales Gegenmodell als Widerstand und gegenwärtige Ablehnung des aus dieser Restrukturierung hervorgegangenen Kapitalismus.
Wir haben von der Wichtigkeit der Familie und ihrer „traditionellen“ 
gesellschaftlichen Rollen in der Rekonstruktion des Klassenkonflikts 
innerhalb der Lohngesellschaft gesprochen und die Mobilisierung gegen 
die Abtreibung ist an der Schnittstelle zwischen der Erhaltung dieser 
Rollen und dem Kampf gegen die Eliten. Für die aktuellen ideologischen 
Erfordernisse ist die Welle von Gesetzen zur Liberalisierung der 
Abtreibung in den 1960er und 1970er Jahren nicht mehr ein Resultat der 
Frauenkämpfe, sondern nur noch eine Einmischung der Ärzte und Richter 
ins Familienleben. In den Mobilisierungen gegen die Abtreibung ist der 
Fokus nicht nur auf die Bestätigung der traditionellen geschlechtlich 
differenzierten Rollen und der Familie gemäss einer „natürlichen 
Ordnung“ (in Tat und Wahrheit jene der vorhergehenden Phase der 
kapitalistischen Produktionsweise) gerichtet, sondern die „natürliche 
Ordnung“ wird auch zu einem wichtigen Thema des Kampfes gegen die 
intellektuelle Elite, welches auf einer ideologischen und 
gesellschaftlichen Ebene alle ökonomischen und gesellschaftlichen Bestimmungen kristallisiert, welche aus der Restrukturierung der 1970er Jahre hervorgegangen sind.
Diese kulturelle Ablehnung der Globalisierung in der Periode des in die 
Krise eingetretenen Kapitalismus konstruiert eine populäre authentische 
Identität, welche dem Nationalismus als Referenz dient. Das beinhaltet 
Dinge, die durchaus trivial sein können. In den USA ist die 
republikanische Partei die Partei der Bier- oder richtigen 
amerikanischen Kaffeetrinker und nicht jener, welche einen Latte 
macchiato bestellen, jener, welche in die Kirche gehen und Feuerwaffen 
besitzen; in Frankreich ist der Front national die Partei jener, welche 
Schweinefleisch essen, Rotwein trinken und durch und durch laizistisch 
sind (wobei eine notwendige Gleichschaltung der Muslime durchaus 
vertretbar ist). Es gibt keinen Nationalismus, nicht einmal eine 
Verteidigung der nationalen Souveränität, ohne Identität und 
Authentizität, ohne die Möglichkeit, „wir“ und „sie“ sagen zu können.
Das Volk, eben genau in einer Polysemie (demos, ethnos, 
Pöbel), welche es deckungsgleich macht mit einer stets von der Elite 
bedrohten Nation, ist gleichzeitig Depositar und Erfinder dieser 
Authentizität. Diese Veränderung des Terrains und der Instanz gegenüber 
den sozialen und wirtschaftlichen Angriffen ist das Wesen selbst der 
Ideologie als Verhältnis der Individuen zu ihren Existenzbedingungen als
 Produktionsverhältnisse. Man rate, was ein Arbeiter der Raffinerie von 
Berre in Frankreich hört, wenn eine ehemalige Raffinerie von Shell 
(englisch und holländisch), die dann zur (an der Wall Street kotierten) 
LyondellBasell wurde, welche sich weigert, sie an Sotragem 
(italienisches Tradingunternehmen, das an einen Slowaken weiterverkauft 
wurde) weiterzuverkaufen und er dadurch seinen Arbeitsplatz verliert und
 Cohn-Bendit sagt: „Die europäische Identität ist im Werden begriffen 
und kann nur einer postnationalen Identität entsprechen. Insofern als 
diese nichts mit einer starren Identität zu tun hat, ist sie freilich 
bequem für die Individuen. Europäer zu sein, bedeutet gewissermassen, 
keine vorherbestimmte Identität zu haben.“ (Le Monde vom 2. Februar 2014.)
In der gegenwärtigen Sequenz ist die Nation die Sprache und die 
praktische Formatierung der wirtschaftlichen Forderung, sei es auf 
aggressive Art und Weise gegenüber dem Ausland und den „inneren Feinden“
 wie in der Ukraine oder auf progressive Art und Weise wie in Brasilien.
 In der Ukraine ist der Nationalismus der Arbeiterklasse gewiss eine der
 klarsten Gemeinsamkeiten zwischen dem Westen und dem Osten: Swoboda im 
Westen, die kommunistische Partei im Osten.
Wir sahen Nationalflaggen in Athen, Rio, Istanbul, Kairo und Tunis, in 
Bosnien, in Sarajevo oder Tuzla haben wir sie nur nicht gesehen, weil 
sie nur einen komplett korrupten Scheinstaat symbolisiert hätten, gegen 
welchen die Arbeiterrevolte unmittelbar zu einer Bürgerbewegung für eine
 nationale Restauration geworden ist. Wir sahen sie auch am 9. Dezember 
2013 in den Strassen Italiens, während der sogenannten 
„Mistgabelbewegung“ (forconi). Dieser 9. Dezember war eine 
Vereinigung gesellschaftlicher Gruppen und Ideologien, welche andere 
nicht minder überraschende und beunruhigende Dinge ankündigt. Zu Beginn 
war es eine Revolte der traditionellen Mittelklassen, der sich an diesem
 9. Dezember etliche prekäre Jugendliche und ältere Arbeitslose, sowie 
Mieterkomitees gegen Räumungen, die sozialen Zentren Turins, das Zentrum
 des sozialen Aufbaus von Mailand, die Volksbefreiungsbewegung und die 
Mieterkomitees von San Siro angeschlossen haben. Man kann den Erfolg der
 forconi mit jenem der Unione sindacale die base an den 
Gewerkschaftswahlen in Ilva Tarente, der grössten Stahlfabrik Italiens 
(11000 Arbeiter), sowie mit dem Erfolg des Generalstreiks am 18. Oktober
 und den von der USB organisierten Massenaufmarsch in Rom in Verbindung 
bringen. Auf allen Ebenen ist es das gleiche abgekartete Spiel zwischen 
politischer, wirtschaftlicher und gewerkschaftlicher Macht, das 
abgelehnt wird: die casta.
Die Nation wird nur zu einem Kampfthema, wenn sie als bedroht 
konstruiert wird, doch die Bedrohungen können nur in den von der Nation 
auferlegten Begriffen formuliert werden. Die Authentizität und die 
Nation als ideologischer Hintergrund von konfliktträchtigen Praktiken 
ist nur unter der Bedingung einer anderen Verschiebung wirksam: Der 
wirtschaftliche Konflikt muss zuerst in einen kulturellen Konflikt 
verwandelt werden (es handelt sich nur um eine Priorität in der 
logischen Konstruktion, in der Unmittelbarkeit des Erlebten, alle Themen
 existieren nur interdependent voneinander). Die Reichen und die Armen 
werden den Zweck erfüllen.
d) Reiche und Arme
Nach dem, was wir über die Distributionsverhältnisse, die Krise der Lohngesellschaft und ihre Ungerechtigkeiten, die Krise des entnationalisierten Staates als Verantwortlicher dieser Ungerechtigkeiten gesagt haben, braucht es keine weiteren Erläuterungen, um zu verstehen, wie Klassenwidersprüche zu Konflikten zwischen Reichen und Armen werden. Es geht somit eher darum, zu verstehen, wie sich solche Konflikte in kulturelle Konflikte verwandeln, wo die Reichen nicht mehr genau jene sind, welche man gedacht hätte, und wo die Armen sich gegenseitig bekämpfen.
Am Anfang war der „Wert der Arbeit“, die „Sozialschmarotzer“ wurden durch ihn geschaffen
Zuerst geht es darum, „den Wert der Arbeit zu rehabilitieren“ (als ob er es nötig hätte). Die Errungenschaften der Arbeiter werden zu einem Recht auf Faulheit, Betrug, Abhängigkeit vom Staat, berufsständische Vorteile, zu einem Hindernis der Entwicklungen. Es geht nicht um einen Kampf gegen die Arbeiter, sondern gegen jene, welche den Wert der Arbeit entstellt haben. Somit werden die Klassenkonflikte auf eine Art und Weise redefiniert, dass die Kluft, welche schon nicht mehr zwischen dem Kapital und der Arbeit, sondern zwischen Reichen und Armen verläuft, durch diese erste Verwandlung zu einer Kluft zwischen zwei mutmasslichen Fraktionen des Proletariats wird: „jene, welche nicht noch mehr leisten können“ und „die Profiteure und Sozialschmarotzer“. Diese Kluft ist je nach Umständen und Bedürfnissen als Antagonismus in Umlauf gebracht worden, welcher die Arbeiter und die „kleinen Mittelklassen“ manchmal gegen die „Bonzen“, welche eine Stufe höher stehen (Angestellte, gewerkschaftlich gedeckte Arbeitskraft und Spezialregime); manchmal gegen die etwas weiter unten stehenden „Sozialschmarotzer“ abrichtet, oder gegen beide gleichzeitig.
Die Situation und die Lebensweise der Reichen hingegen, welche 
seitenlang in der Klatschpresse abgehandelt werden, scheinen dermassen 
unzugänglich, dass sie diese Arbeiter nur noch insofern betreffen, als 
handle es sich um eine andere Menschheit, eine Parallelwelt. Doch der 
Arbeitslosengelder- oder Wohnungszulagenbetrüger bestiehlt uns: „Wer 
bezahlt denn schlussendlich?“ Die Tatsache, dass die Staatsdefizite, 
entsprechend den Ausbeutungs- und Akkumulationsmodalitäten im aus der 
Restrukturierung der 1970er-1980er Jahre hervorgegangen Kapitalismus, 
wissentlich mit einer bemerkenswerten Konstanz in allen westlichen 
Ländern seit 30 Jahren aufgebaut worden sind, wird nie angesprochen, 
ausser, um zu sagen, dass man zu grosszügig gewesen ist. In diesem 
Prozess der Spaltung ist das Ende der Arbeiteridentität nicht ganz 
unwichtig. Der Rückgang der Industrie, die Schwächung der 
Arbeiterkollektive und die Prekarisierung der Arbeit drücken sich durch 
individualistische Wahrnehmung des erlebten Verhältnis zum 
Gesellschaftlichen und dem Politischen aus, der Wert der Arbeit ist 
nicht mehr eine kollektive Macht gegen die Bosse, sondern eine Frage der
 Wahl und des individuellen Verdiensts. 
Die wirtschaftliche Bruchlinie verläuft also immer weniger zwischen 
Kapitalisten und Arbeitern, nicht einmal zwischen Reichen und Armen, 
sondern eher zwischen Lohnabhängigen und „Sozialschmarotzern“, „Weissen“
 und „Minderheiten“, „Arbeitern“ und „Betrügern“. Die Occupybewegungen 
haben diese Spaltungen einen Moment lang erschüttert, ohne dass es 
wieder zu signifikanten Brüchen zwischen den Klassen gekommen wäre. 
Alles blieb eine Frage des Einkommens, und nicht der Produktionsweise, 
auf eine ideologische Segmentierung folgte ein ideologisches Amalgam 
ohne Bedeutung.
Die „Sozialschmarotzer“, welche zu jenen geworden sind, „welche nicht 
arbeiten wollen“, haben zudem den enormen Vorteil, dass sie Träger 
diverser nicht-wirtschaftlicher Unterscheidungen sein können: ethnische 
Gruppen, kaputtes Familienleben, Drogen, Kriminalität.
Und noch zu dieser Spaltung dazu: der Rassismus
Im Rahmen der „Erhaltung des Sozialstaates“ oder seiner „Restauration“ im Namen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ideologischen Gegenmodells der „30 goldenen Jahre“, vermischen sich die Nation, die Staatsbürgerschaft und „die Authentizität“ mit der Kluft zwischen „jenen, welche nicht noch mehr Leistung bringen können“ und den „Anderen“. Es geht nicht mehr darum, gegen den Ausländer aufgrund einer rassischen Konzeption der Nation zu sein, sondern im Namen eines viel einvernehmlicheren Ideals: die Erhaltung des französischen oder britischen usw. „Gesellschaftsmodells“. Der Haupteffekt dieses gegen die Ausländer gerichteten Krieges gegen den Betrug ist die Kopplung der Finanzierungskrise der Systeme der sozialen Sicherheit mit einer Frage der nationalen Identität.
Diese Rassialisierung der „Erhaltung des Sozialstaates“ folgt dem 
gleichen Prinzip wie die Rassialisierung des Kampfes gegen die 
Arbeitslosigkeit. Es geht darum, nie das gesellschaftliche und 
wirtschaftliche System zu kritisieren, sondern alles in die Wege zu 
leiten, damit die der Lohnarbeit inhärente Konkurrenz zwischen Arbeitern
 dazu führt, dass sich die Arbeiterklasse mehr schlecht als recht den 
gegenwärtigen Bedingungen der Krise beugt. Die Einwanderung wird nicht 
als Ursache der Arbeitslosigkeit dargestellt, was nicht zwingend jede 
Analyse widerlegen könnte, und auch nicht als Ursache jeglicher 
Erfahrung schliessender Unternehmen ausgeschlossen werden kann; „nur“ 
als verschlimmernder Kollateraleffekt. „Benutzen wir diesen Hebel 
sofort, dann kümmern wir uns um die strukturellen Probleme“: Das war in 
Frankreich grosso modo die Position der kommunistischen Partei Anfang 
der 1980er Jahre und jene des Front national heute.
Doch die Arbeiter haben nicht die geringste Macht, weder über die 
Nachfrage nach, noch über das Angebot von Arbeit: Obwohl die 
Kapitalakkumulation die Nachfrage nach Arbeit vergrössert, vergrössert 
sie auch das Angebot, indem sie Überschüssige erzeugt. Es ist ein 
abgekartetes Spiel. Was all diese Bedrohungen zu einer Synthese 
zusammenfügt und ihnen eine Kohärenz gibt, ist die Globalisierung und 
die Entnationalisierung des Staates. Die Gesetze der 
Kapitalakkumulation, welche notwendigerweise Überschüssige erzeugen, 
werden sekundär, sie scheinen nur so zu funktionieren, weil die 
„nationale Gemeinschaft“ zerrissen worden ist.
Die aus diesem Bruch entstandenen Konflikte sind dazu verurteilt, unter 
der Restauration der Nation beseitigt zu werden, und die Konkurrenz 
unter den Arbeitern wird nicht mehr als solche gesehen, sondern in immer
 ethnisierteren Begriffen.
Die Arbeiter haben nicht nur weder die geringste Macht über die 
Nachfrage nach, noch über das Angebot von Arbeit, sie haben auch keine 
über den Effekt der Reservearmee auf die Löhne, genauso wenig wie über 
die Segmentierung und Zusammensetzung derselben. Ein grosser Teil der 
Arbeiterklasse erlebt die Effekte einer Mechanik, die man verschwunden 
glaubte, jene der absoluten Verarmung. In dieser Mechanik ist in der 
gegenwärtigen Situation der gleiche Prozess der Umwandlung der 
Klassenwidersprüche in Konflikte zwischen Reichen und Armen, doch allen 
voran, mittels dem Nationalen, der Authentizität, dem Volk und dem 
Rassismus, zwischen Armen am Werk.
Der Rückgriff auf eingewanderte Arbeiter ist die sparsamste Weise, um 
die Arbeitskraft günstiger zu finden, es entspricht diesem Mechanismus 
der Substitution (ein Resultat der Arbeitsteilung und des 
Maschinenbetriebs, Funktionsweise der absoluten Verarmung), wodurch der 
einheimische Arbeiter verdrängt wird, und die Bosse verkünden darauf, 
dass es glücklicherweise „die Einwanderer gibt für jene Aufgaben, welche
 die Staatsbürger nicht mehr machen wollen“, wobei es offensichtlich 
scheint, dass diese Aufgaben von Natur aus den Einwanderern entsprechen und dass es ihre Anwesenheit ist, welche die Löhne drückt.
Eine sehr breite Durchschnittskategorie der Arbeiter bleibt in den 
westlichen Ländern im nationalen Rahmen eingeklemmt, eine Tatsache, die 
eine Quelle innerproletarischer Konflikte ist. Die schlecht bezahlten, 
prekären, eingewanderten und zunehmend weiblichen Arbeitskräfte der 
„Weltstädte“ sind nicht Teil eines zurückgebliebenen Sektors der 
Wirtschaft, dieses Segment existiert direkt in einer globalen Wirtschaft
 und entspricht einer nicht nationalen Organisation von Segmenten des 
Proletariats. In Verbindung mit anderen Gemeinschaften und ihren 
ausgewanderten Landsleuten in anderen Ländern erarbeiten sie Strategien 
innerhalb des globalen Systems. Trotz ihrer Prekarität und ihres Elends 
scheinen diese sich in der Globalisierung konstituierenden 
Klassensegmente in den Augen dieser Durchschnittskategorie, sowohl 
wirtschaftlich als kulturell, die gleichen Interessen wie die „Gewinner 
der Globalisierung“ zu haben.
Danach erschien der Staat und die „Parasiten“
Die oben beschriebene Rehabilitation des Werts der Arbeit begnügt sich nicht damit, „Arbeiter“ und „Sozialhilfebezüger“ entgegenzusetzen, sie hat auch den unermesslichen Vorzug, eine dritte Kategorie zu erschaffen, jene der „Parasiten“. Diese „Parasiten“ sind leicht erkennbar, es ist die Elite, nicht jene des Reichtums, sondern jene der arroganten Diplome, der Spezialisten jeglicher Art, welche meistens in staatlichen Agenturen verkehren, welche alles regulieren und administrieren und welchen es nicht genügt, ihre Taschen durch Steuern zu füllen, sie behandeln auch das authentische Volk und seine Werte mit Herablassung. Was diese Elite und das Volk entgegensetzt ist gleichbedeutend mit dem Gegensatz zwischen Arbeit und Parasitentum und dieser Konflikt wird im Namen von Werten geführt. Die Verwandlung des Klassenwiderspruchs in einen Konflikt zwischen Reichen und Armen und dadurch zwischen Arbeitern einerseits und Sozialhilfebezügern und Parasiten andererseits hat auch die wunderbare Wirkung, die Protagonisten in Begriffen der Werte zu definieren.
Der praktische Haupteffekt dieses kulturellen Konflikts ist es, die 
wirtschaftliche Grundlage aller Konflikte verschwinden zu lassen, oder 
präziser, aus der Lösung des kulturellen Konflikts die Bedingung der 
Lösung der wirtschaftlichen Probleme zu machen. Diese unproduktive
 Elite, welche die Künstlichkeit gegenüber der natürlichen Authentizität
 des Volkes repräsentiert, hält den Staat in Beschlag und lebt als 
Parasit „indem sie das Geld der Steuern verschlingt“. Die Form, welche 
die Konflikte in der Lohngesellschaft annehmen, verändert den 
Klassenwiderspruch dahingehend, dass die Tatsache, dass alle 
Staatsorgane Klassenorgane sind, wortwörtlich genommen wird. Es handelt 
sich nicht mehr um Klassenorgane da Ausdruck und im Dienst einer 
wirtschaftlich herrschenden Klasse, welche alle Produktionsmittel 
besitzt, sondern um Organe, welche an sich eine Klasse konstituieren und
 in deren Dienst stehen. 
Natürlich kommt es in dieser Sequenz auch zu Streiks und 
gesellschaftlichen Konflikten, doch ihre Grundlage ist die Tatsache, 
dass dieser oder jener Kapitalist, dieses oder jenes Unternehmen ihre 
Rolle als Kapital nicht wahrnehmen, die Schuldigen kommen also in
 die Kategorie der „Parasiten“ und der „Geniesser“ im Gegensatz zu den 
„wahren Produzenten“ und den „normalen Leuten“. Die Unzufriedenheit und 
gar die gesellschaftliche Erbitterung erlangen einen Sinn, gemäss 
welchem der Kapitalismus komplett ausgenommen oder eine phantasmatische 
Finanz für die Umstände konstruiert wird. Indem die Frage der 
Klassenkonflikte von den Produktionsverhältnissen getrennt wird, was der
 Lohngesellschaft eigen ist, wird eine präzise konservative Perspektive 
eröffnet, welche all die oben angesprochenen Themen enthält und eine 
sehr wohl reale subjektive Erfahrung untermauert, welche eine in ihrem 
Ausdruck ihre wirtschaftliche Grundlage leugnende Klassenfeindseligkeit 
hegt. Es ist eine Tatsache, dass die strikt fordernden und 
wirtschaftlichen Arbeiterkämpfe zahlreich sind und manchmal eskalieren, 
doch man kann diese Kämpfe nicht von einem allgemeinen Kontext 
isolieren, innerhalb welchem und durch welchen sie einen Sinn annehmen, zu dessen Konstitution sie selbst beitragen.
Eine provisorische Schlussfolgerung
In der Sequenz, in welcher wir uns befinden, fasst die Tatsache das gegenwärtige Problem des Klassenkampfes zusammen, dass die Verweigerung der gegenwärtigen Situation nicht ihre von ihr ausgehende Überwindung ist, wie dies in einer ersten Zeit der Krise angedeutet wurde, sondern das Bedürfnis, zu einer vergangenen Situation zurückzukehren. Doch all das ist durchaus in der Gegenwart verankert.
Erst jetzt, mit der Krise dieser Phase des Kapitals und seines Staates 
und präziser ihrem Werden als Krise der Lohngesellschaft und des 
entnationalisierten Staates, wird das Verschwinden der ganzen 
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ideologischen Zusammenstellung 
als Formatierung des alltäglichen Lebens offensichtlich, welche 
schliesslich während den „30 goldenen Jahren“ systematisch geworden war,
 und dieses Verschwinden drängt sich als Zusammenfassung und Ursache 
allen Übels dieser Zeit auf. Die gegenwärtige Situation führt dazu, dass
 das, was verschwunden ist, zum idealen Gegenmodell der 
gegenwärtigen Gesellschaft und ihrer Krise, dieses Staates, seiner 
Ungerechtigkeit, seiner Gleichgültigkeit, seiner Morallosigkeit erhoben 
wird. Die Krise der Lohngesellschaft mit der Erhebung der 30 goldenen 
Jahre zum idealen Gegenmodell ist das Wesen der Krise der Globalisierung
 in den zentralen Gebieten; sie ist strikt zeitgenössisch und mit den 
Lohnkämpfen in den aufkommenden Gebieten verbunden. Und der Staat wird 
immer zur Kristallisierung der Widersprüche.
In dieser Sequenz spielt sich bis jetzt alles als Krise des Verhältnisses des Staates zu seiner Gesellschaft ab und alle spielen mit.
 Es gibt eine enge Verknüpfung zwischen der Krise des Lohnverhältnisses,
 der Legitimitäts- und Anerkennungskrise des entnationalisierten 
Staates, dem Interklassismus und der Politik. Diese Verknüpfung, dieser 
Knoten ist gleichbedeutend mit der gegenwärtigen Sequenz der Krise als 
Klassenkampf.
Welche Dynamiken sind gegenwärtig in dieser Sequenz am Werk?
Die Krisensequenz der Lohngesellschaft ist ein Moment der spezifischen Krise der kapitalistischen Produktionsweise wie sie sich nach der Restrukturierung entwickelt hat
Mit der Krise des Lohnverhältnisses, die zur Krise der Lohngesellschaft geworden ist, stellt sich die Frage nach einem mit dieser nun kriselnden Phase des Kapitals verbundenen Widerspruch. Der innere Widerspruch dieser Phase der Verwertung liegt zwischen der unmittelbar produktiven Arbeit und der Bedingung selbst dieser produktiven Arbeit: die Tatsache, eine sozialisierte Arbeitskraft zu sein. Wir sind in diese Krise eingetreten und sie beinhaltet das der „sozialisierten Arbeitskraft“ inhärente Moment des Interklassismus. Trotz all ihrer Ambivalenz, welche mit dem widersprüchlichen Verhältnis zur produktiven Arbeit zusammenhängt, stellt die Krise der Lohngesellschaft ein Moment dar, das man historisch im Verhältnis zum vorhergehenden Entwicklungsmodus verorten und verstehen kann.
Die Instabilität der Sequenz „Krise der Lohngesellschaft“
In ihrer interklassistischen Allgemeinheit und auf der Grundlage des Lohns als Distributionsverhältnis konzentrieren sich die sozialen Bewegungen auf die Legitimität des Staates gegenüber seiner Gesellschaft, sie beschreiben den Lohn gleichzeitig als Preis der Arbeit, Form der Aufteilung und alle Einkommen als abhängig von der Arbeit, jene der Rente, des Profits, des Zinses und somit als etwas Allgemeines. Der Lohn als Preis der Arbeit beschreibt also, was er kaschiert: der Lohn als Wert der Arbeitskraft, notwendige Arbeit und alle anderen Einkommen als verwandelte Formen des Mehrwerts.
Angespannte Einheit
Die „angespannte Einheit“, welche tatsächlich in den interklassistischen Kämpfen existiert, sollte nicht die Konflikte verdecken und auch nicht zur Mutmassung führen, dass ihre Lösung schon gegeben und das Zusammenkommen der Kämpfe Teil ihres Wesens ist. Die Auflösung der Mittelklasse, die Überwindung des Stadiums der Aufstände und die Durchbrechung dieses „Glasbodens“, welcher bezüglich der meisten sozialen Bewegungen die Frage der Produktion immer noch bleibt, hängen von konjunkturellen Praktiken ab.
Warum sollte die Mittelklasse nicht eher zum Sieg der Konterrevolution 
beitragen? Warum sollte der mehr oder weniger stabile Teil der 
Arbeiterklasse im Kontext der Segmentierung derselben nicht seine Kämpfe
 und die Resultate verriegeln, welche er sich davon erhofft, wie es in 
Tunesien und Ägypten geschehen ist. Zudem kann diese „angespannte 
Einheit“ auch in der Politik absorbiert werden, wie wir es 2009 im Iran 
gesehen haben.
Die Gemeinschaft der Kämpfe ist sowohl in Brasilien als auch in der 
Türkei oder Mexiko alles andere als offensichtlich trotz gelegentlichem 
Zusammenwirken. Der Glasboden der Produktion bleibt das zentrale Problem.
 Das heisst nicht, dass es keine Streiks, keine fordernden 
Arbeiterbewegungen mit oder ohne Gewalt, siegreich oder nicht, gibt, 
doch nie, so scheint es zumindest, artikulieren sich diese Kämpfe in 
einer konfliktreichen Synergie mit den „sozialen Bewegungen“, deren permanenter und notwendiger Hintergrund sie allerdings sind.
Die Notwendigkeit für die kapitalistische Klasse, den Kern des Problems anzupacken
Die doppelte Entkopplung der Reproduktion der Arbeitskraft, die gegenwärtigen Formen der Globalisierung, die Entnationalisierung des Staates und die Frage seiner Legitimität als gemeinsamer Nenner der Kämpfe, die lokale Neuzusammensetzung der herrschenden Klassen sind die gegenwärtigen Erscheinungsformen der Krise. Doch die Besonderheit der gegenwärtigen Krise, als Krise des Lohnverhältnisses, die zu einer Krise der Lohngesellschaft geworden ist, definiert unvermeidlich eine Situation, in welcher die kapitalistische Klasse dazu gebracht wird, den Kern des Problems anzupacken: das Ausbeutungsverhältnis. Für die kapitalistische Produktionsweise und somit für die kapitalistische Klasse ist die Überwindung/Lösung dieser Erscheinungsformen, wie schon unter anderen Bedingungen, in den 1930er oder 1970er Jahren, unlösbar mit einer Restrukturierung der Grundlage selbst der Produktionsweise verbunden: das Ausbeutungsverhältnis. Dieser notwendige Gang zum Kern des Problems ist, nach der Entwicklung der Krise als Krise des Lohnverhältnisses hin zu einer Krise der Lohngesellschaft, gleichbedeutend mit einer Entwicklung hin zu einer Geldschöpfungskrise welche, innerhalb der Krise des Lohnverhältnisses, wovon sie Teil ist, letztere festhält und überwindet, indem sie zu einer Krise des Werts als Kapital wird, die einzige Krise des Werts.
Die Unbeugsamkeit der produktiven Arbeit
Innerhalb dieser Notwendigkeit für die kapitalistische Klasse, den Kern des Problems anzupacken, erscheint auch die zentrale Frage der produktiven Arbeit.
Jeder Proletarier hat zwar ein formell identisches Verhältnis zu seinem 
besonderen Kapital, er hat jedoch nicht, je nachdem, ob er produktiver 
Arbeiter oder nicht ist, das gleiche Verhältnis zum sozialen Kapital (es
 handelt sich nicht um Bewusstsein, sondern um eine objektive 
Situation). Stünde nicht der Widerspruch, welcher die produktive Arbeit 
für die kapitalistische Produktionsweise, und somit auch für das Proletariat
 darstellt, im Zentrum des Klassenkampfes, könnten wir nicht von 
Revolution sprechen (sie wäre etwas der Produktionsweise exogenes, im 
besten Falle eine humanistische Utopie, im schlimmsten nichts).
Die produktiven Arbeiter sind deshalb noch lange nicht von Natur aus und
 permanent revolutionär. In ihrer besonderen Handlung, die nichts 
spezielles, sondern einfach nur ihr Engagement im Kampf ist, kommt der 
die Gesamtheit der Gesellschaft als Klassenkampf strukturierende 
Widerspruch auf sich selbst, auf seine eigene Bedingung zurück, denn das
 Ausbeutungsverhältnis setzt den produktiven Arbeiter nicht mit einem 
bestimmten Kapital ins Verhältnis, sondern unmittelbar, in seinem 
Verhältnis zu einem bestimmten Kapital, mit dem sozialen Kapital. Das, 
was in der Reproduktion des Kapitals konstant kaschiert wird (denn es 
liegt in der Natur selbst der kapitalistischen Produktionsweise, dass 
dieser Widerspruch nicht klar erscheint: Der Mehrwert wird 
definitionsgemäss zu Profit und das Kapital ist prozessierender Wert) 
kommt nicht nur als innerer Widerspruch der Reproduktion (hier die 
Einheit der Produktion und der Zirkulation) an die Oberfläche, sondern 
als das, was den Widerspruch existieren lässt: die Arbeit als 
Substanz des Werts, welcher im Kapital nur Wert sein kann als 
prozessierender Wert. Der Widerspruch (die Ausbeutung) kommt auf sich selbst, auf seine eigene Bedingung zurück. Den Kern des Problems anzupacken bedeutet, wie auf Eiern zu gehen.
Die Frage des „Glasbodens“ als Synthese dieser Dynamiken
Wenn man die breiten sozialen Bewegungen und den Interklassismus mit der sie begleitenden Instabilität als fordernde Bewegungen innerhalb der Lohngesellschaft betrachtet, welche den Lohn als Produktionsverhältnis, als ein notwendiges Moment der Krise in ihrer Besonderheit sowohl kaschieren als auch enthüllen, wenn man die angespannte Einheit nicht nur als Problem der Überwindung des Interklassismus, sondern auch als Problem der Überwindung der Segmentierung betrachtet, wenn man die Notwendigkeit der kapitalistischen Klasse, den „Kern des Problems“ anzupacken und, innerhalb dieses Kerns, die Unbeugsamkeit der produktiven Arbeit betrachtet, dann liegt die gegenwärtige Dynamik, sowohl vom Standpunkt des Kapitals als auch des Proletariats, genau in diesem Punkt des Bruches, welche für den Widerspruch zwischen dem Proletariat und dem Kapital darin besteht, diesen „Glasboden“ zu durchbrechen, den die Produktion für die auf der Ebene der Reproduktion bestehenden sozialen Bewegungen darstellt, doch auch für die fordernden Kämpfe, wie heftig sie auch sein mögen, den fordernden Charakter zu überwinden, eine Glasdecke zu durchbrechen. Für einen fordernden Kampf ist die Überwindung der Forderung gleichbedeutend mit der Verortung des Widerspruchs zwischen den Klassen auf der Ebene seiner Reproduktion. Es ist wahr, dass das Hauptresultat des Produktionsprozesses die Erneuerung der Trennung zwischen Arbeit und Kapital ist. Doch das geschieht nicht ohne Einbindung der Existenz der Zirkulation und des Handels und die Tätigkeit aller Instanzen der Produktionsweise, auch jene des Staates. Somit ist die Klassenzugehörigkeit, ausgehend vom Produktionsprozess, doch in den Praktiken, welche ihn übersteigen, als ein äusserer, vom Kapital auferlegter Zwang gesetzt, d.h. als Reproduktion auferlegt, und wird als solcher praktisch erkannt. Es ist unmöglich zu bestimmen, in welchem Sinn das „Zusammenkommen“ stattfinden könnte, umso mehr, weil es sich nicht um ein „Zusammenkommen“ handeln kann, sondern, ausgehend von etlichen besonderen Kämpfen, um eine Erschaffung einer absolut neuen Situation, welche die Gesamtsituation für alle existierenden Kämpfe ändert: eine Konjunktur.
Es wäre wider den Geist dieses Textes, aus einem derart allgemeinen Überblick Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn auch die Durchbrechung des Glasbodens und/oder der Glasdecke die Synthese der Dynamiken dieser Sequenz darstellt, so ist diese jedoch keine unvermeidliche Notwendigkeit, sie ist auch der Moment der Entscheidung für die kapitalistische Klasse, der Moment, wo die verschiedenen Möglichkeiten einer Restrukturierung gerinnen, welche bis anhin als inkohärente Grundzüge existierten, die Teil einer herrschenden allgemeinen Bewegung sind, jene der Verstärkung der Charakteristika der sich ihrem Ende nähernden Periode, genau wie in der Anfangsphase jeder Krise. Wenn man diese Synthese nicht als allgemeine Bestimmung DER Revolution betrachtet, sondern als spezifische Überwindungsmöglichkeit eines historisch besonderen Ausbeutungsverhältnisses, muss die Möglichkeit dieser Synthese in einer durch die Gesamtheit der Bestimmungen dieser Sequenz definierten Konjunktur verortet werden. Man kann die Hypothese aufstellen, dass China, Süd- und Südostasien am besten die Zutaten dieser Fusion vereinigen: Wichtigkeit der Arbeitskämpfe im Kontext der Asystemie der Lohnforderung und deren immer unhaltbarerer Charakter; bedeutende soziopolitische Bewegungen, Schlüsselsituation, um die Zoneneinteilung der Globalisierung zu kippen und total unwirksam zu machen. Es geht nicht darum, zu sagen, diese Region sei bereits oder werde zu jener der „Herrscher der Welt“, doch dass ihre Wichtigkeit und ihre sowohl internen als auch mit dem globalen Kapitalismus verbundenen Charakteristika daraus das „schwache Glied“ dieser Welt machen. Wir haben da einer ganz anderen Arbeit nachzugehen.
Lakonisches Schlusswort
Wir sind im Moment weit von der steigenden und unmittelbaren Sichtbarkeit der Klassen- und Genderwidersprüche und ihrer Verbindung mit der Revolution und dem Kommunismus entfernt, die Verwandlung der „Theorie der Kommunisierung“ wie so viele zuvor in eine Ideologie, sowohl als Parole als auch als akademischer Ausweis schwebt über unseren zerbrechlichen Köpfen.
Théorie communiste
April 2014
Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

