Glaubt man der Auskunft von Sachsens Justizminister Dr. Jürgen Martens (FDP) auf die parlamentarische Anfrage der Grünen, geht Überwachung im Freistaat wie folgt vonstatten. Man installiert eine Überwachungseinheit im Gesamtwert von rund 8.000 Euro bestehend aus Kamera, Brennstoffzellen als Energieversorger und Fernwartungs- und Überspielungsmöglichkeiten samt Verkabelung in einem verlassenen Haus. Dann wischt man die Scheibe zur Straße blank, dreht sich um und verlässt ungesehen das Haus. Haben wir was vergessen? Nein, die Kamera bleibt natürlich aus – das gehört sich so.
Was kurios begann, endet wohl auch so. In einem Haus in der 
Simildenstraße entdeckten Anfang April Leipziger Antifa-Aktivisten eine 
vollständige Überwachungseinheit. Genehmigt wurde sie im Februar, 
eingebaut am 20. März, so der Justizminister Dr. Jürgen Martens (FDP) 
auf Nachfrage. 10 Tage lief also die vom Amtsgericht Dresden genehmigte 
Maßnahme bereits, auf drei Monate war sie insgesamt geplant.
Die Technik gehörte zur Dresdner Staatsanwaltschaft, wie sich nach 
anfänglichen Dementis seitens der Leipziger Polizei und 
Verfassungsschutz herausstellte. Ziel der Überwachung scheint der linke 
Szenetreff „Similde“ schräg gegenüber der verlassenen Immobilie zu sein.
 Vermutet werden bis heute Ermittlungen im linken Szeneumfeld Connewitz.
 Alles deutet auf eine Maßnahme wegen des Vorwurfes der Bildung einer 
kriminellen Vereinigung hin, was auch die Geheimhaltung seitens der 
Staatsanwaltschaft Dresden und des Innenministeriums erklären würde.
Fragwürdig bei dieser Art der Observation war mit ihrer Entdeckung die 
einhergehenden Rechtsverletzungen gegenüber unbeteiligten Passanten und 
Gästen der „Similde“. Diese müssten über die Aufnahmen zumindest im 
Nachgang in Kenntnis gesetzt werden, so die Haltung der sächsischen 
Grünen, welche sich damit auf geltendes Recht berufen. Doch dazu wird es
 eher nicht kommen, denn Jürgen Martens hat auf die Anfrage der Grünen 
eine gelinde formuliert absonderliche Auskunft in petto. 
Frage: „Zu welchem Zeitpunkt sind Betroffene der Überwachungsmaßnahme 
über ihre Betroffenheit informiert worden?“ Antwort Jürgen Martens: „Die
 Kamera war bis zu ihrer Entdeckung und Entwendung nicht eingeschaltet. 
Von der Überwachungsmaßnahme war daher niemand betroffen.“
Jürgen Kasek, Rechtsanwalt und Leipziger Vorstand der Grünen drückt es diplomatisch aus, wenn er sagt: „Zwischen Installieren und Auffinden der Kamera lag augenscheinlich eine Zeitspanne von mehreren Tagen. Dass die Kamera nicht eingeschaltet gewesen sein soll ist vor diesem Hintergrund wenig glaubwürdig. Offenbar möchte man die Betroffenen nicht darüber in Kenntnis setzen.“. Auch für einen Justizminister gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn er hier wider Erwarten lügen sollte. In einer weiteren Antwort gegenüber den Grünen ist er da weitaus auskunftsfreudiger.
Frage: „Wie viele weitere Kameras zu Überwachungszwecken unterhält der 
Freistaat Sachsen oder eine seiner Behörden an welchen Standorten in 
Leipzig zu welchem Zweck auf welcher Rechtsgrundlage?“ 
Antwort des Justizministers: „Von den sächsischen Staatsanwaltschaften 
werden derzeit zwei Kameras zu Observationszwecken im Stadtgebiet von 
Leipzig eingesetzt. (…) Eine Kamera wird mobil im Leipziger Stadtgebiet 
eingesetzt. Der Standort der zweiten, festinstallierten Kamera kann bis 
zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht näher 
eingegrenzt werden.“
Mehr könne und dürfe er berechtigt nicht zu den weiteren Standorten 
sagen, da sonst Rückschlüsse auf den Zweck der Ermittlungen möglich und 
die Ermittlungen selbst gefährdet wären. Auf eine weitere Frage hin, 
schreibt der Justizminister Martens dann noch die Orte auf, an denen die
 Leipziger zu Laiendarstellern in der täglichen Soap der Polizei werden.
„Durch die Polizeidirektion Leipzig werden auf der Grundlage des 
Sächsischen Polizeigesetzes an insgesamt vier Orten fünf 
Überwachungskameras zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung betrieben: 
Willy-Brandt-Platz (Hauptbahnhof), Grund: Bekämpfung der 
Straßenkriminalität, Roßplatz Nr. 13, Bekämpfung der 
Straßenkriminalität,  Wolfgang-Heinze-Straße/Bornaische (Connewitzer 
Kreuz), Grund: Bekämpfung der Straßenkriminalität und Eisenbahnstraße 
84, Grund: hier die Bekämpfung der Drogen- und Straßenkriminalität.“
Den Grünen ist das alles zu viel Geeier und zu viel Überwachung bei zu 
wenig Polizeibeamten im öffentlichen Raum. „Aus unserer Sicht müssen 
auch die weiteren raumbezogenen Überwachungskameras zur vorbeugenden 
Kriminialitätsbekämpfung dringend überprüft und letztlich abgebaut 
werden“, so Grünen - Vorstandsmitglied Carolin Waegner.
Studien würden belegen, dass den Kameras weder ein abschreckender noch 
generell ein kriminalitätssenkender Effekt bescheinigt werden kann. Auch
 der Vorgänger des amtierenden Polizeipräsidenten hatte in einem 
Interview eingeräumt, dass die Kameraüberwachung im besten Fall 
lediglich zu einer Verdrängung der Kriminalität führe. „Die Kosten der 
Maßnahme stehen in keinem Verhältnis zum erhofften Erfolg - statt auf 
Kameras muss verstärkt auf Polizei gesetzt werden“, so Waegner weiter. 
Zustimmung zumindest  zu den fehlenden Polizeibeamten hat sie bereits 
Ende 2013 erhalten, als der amtierende Polizeipräsident Leipzigs, Bernd 
Merbitz im Stadtrat öffentlich „mehr Polizisten nach Leipzig“ forderte.
Während das Innenministerium gemeinsam mit dem Justizministerium also 
weiter versteckte Kamera spielt, kann man hier drei Dinge konstatieren. 
Die Polizeikräfte wurden und werden derzeit weiter abgebaut und sollen 
offenbar durch mehr Kameratechnik ersetzt werden. Die Leipziger Antifa 
wird sich erneut auf Ostereiersuche begeben, mindestens eines ist noch 
im Versteck. Und Überwachung ist in Sachsen überhaupt nicht schlimm. Das
 ganze teure Überwachungsgerät wird ja nur installiert, aber nicht 
eingeschaltet.
