Leipzig. Nässende Augen, triefende Nasen, gerötete Haut – die Demonstranten, die am 3. Februar in Leipzig-Schönefeld gegen einen rechtsgerichteten Aufmarsch vor dem Asylbewerberheim protestierten , haben sich ihre Gesundheitsschäden nicht nur eingebildet. Wie jetzt bekannt wurde, setzte die Polizei verbotene Chemikalien gegen die Demonstranten ein. Das könnte nun ein Nachspiel haben.
„Einsatzkräfte des Polizeivollzugsdienstes setzten ein Spezialfeuerlöschgerät ein. Das Gerät war mit Wasser gefüllt, versetzt mit dem Löschmittelzusatz FireAde 2000 und dem Frostschutzzusatz CW-Antifreeze", erklärt Sachsens Innenministerium gegenüber der Leipziger Volkszeitung. Das heißt: Von der Bereitschaftspolizei wurde eine chemische Substanz verwendet, die für diesen Sicherungseinsatz als Hilfsmittel offenkundig nicht zulässig war. FireAde ist zwar bei Demonstrationen etwa für das Löschen von Pyrotechnik erlaubt – der Einsatz gegen Personen, sofern diese nicht in Flammen stehen, aber nicht.
Bereitschaftspolizei handelte offenbar eigenmächtig
Ins
 Fadenkreuz gerät deshalb der Polizeipräsident von Leipzig, Bernd 
Merbitz. Er hatte am Abend der Demonstration gesagt, bei den 
gesundheitlichen Beschwerden handele es sich um einen Placebo-Effekt. 
Zitat: „Es wurde nur Wasser versprüht." Zu diesen Worten steht Merbitz 
nach wie vor. „Auf Nachfrage beim Polizeiführer wurde mir erklärt, dass 
es sich nur um Wasser handelt und keine anderen Hilfsmittel zum Einsatz 
gekommen sind. Mir war an diesem Abend nicht bekannt, dass FireAde 
eingesetzt wurde und wird. Das ist mir erst im Nachhinein mitgeteilt 
worden", erklärt der Polizeipräsident auf Nachfrage der LVZ. Mit anderen
 Worten: Selbst Merbitz ist von der Bereitschaftspolizei getäuscht 
worden.
Laut dem Innenministerium sollen sich die Beamten in 
vorderster Front von den Gegen-Demonstranten bedroht gefühlt haben. 
Augenzeugen – und dazu zählen auch Leipziger Polizisten – berichten 
allerdings, dass es nicht zu den beschriebenen gewalttätigen Übergriffen
 gekommen sei. In Dresden wird dagegen darauf beharrt: „Der Feuerlöscher
 war in der konkreten Situation das mildere Mittel gegenüber dem Einsatz
 von Pfefferspray oder eines Schlagstocks." Dennoch, so lässt 
Innenminister Markus Ulbig (CDU) mitteilen, stelle der Einsatz von 
FireAde „eine Ausnahme" dar. Deshalb werde der betreffende Einsatz im 
Ministerium nun „kritisch nachbereitet".
Linke verlangt Entschuldigung
Für
 die Linke-Stadträtin Juliane Nagel aus Leipzig, die die 
Gegen-Demonstration angemeldet hatte, ist dies bei weitem nicht 
ausreichend. „Es wäre angemessen, dass sich die Polizei bei den 
Demonstranten entschuldigt. Durch ein solches Vorgehen wird der 
zivilgesellschaftliche und antirassistische Protest diskreditiert. 
Menschen werden abgeschreckt, ihre Grundrechte wahrzunehmen", kritisiert
 Nagel das harte Vorgehen der Bereitschaftspolizisten und den Einsatz 
der gesundheitsgefährdenden Substanz. 
Leipzigs Polizeipräsident 
Merbitz reagiert umgehend: „Es tut mir aufrichtig leid, dass Menschen zu
 Schaden gekommen sind. Als Polizeipräsident hatte ich von dem 
FireAde-Einsatz keinerlei Kenntnis." Das Innenministerium rechtfertigt 
dagegen den Einsatz weiterhin als „Gefahrenabwehr". Mittlerweile liegt 
bereits die Anzeige eines Demonstranten gegen die Polizei vor. Insgesamt
 waren am 3. Februar vor dem Asylbewerberheim Leipzig-Schönefeld 58 
Beamte der PD Leipzig und 93 Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei 
anwesend. 
