Gegen Nazis und Rassismus wird in Mittelhessen demonstriert. An die 350 Menschen ziehen am Wochenende durch eine kleine, beschauliche
Gemeinde in Hessen. Was friedlich abläuft, hat einen drastischen
Hintergrund. 2008 zündete Unbekannte in dem Ort das Haus einer
türkischstämmigen Familie an und sprühten das Wort "Hass" auf die
Fassade.
So etwas hat Dautphetal schon lange nicht mehr gesehen. Mit Fahnen von SPD und Antifa, mit Schildern und Transparenten ziehen an diesem Samstagnachmittag rund 350 Menschen durch die beschauliche Gemeinde im Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Über Äcker und zwischen Fachwerkhäusern hallen Parolen gegen Rassismus und Neonazis. Junge Antifa-Aktivisten aus Marburg und Gießen sind mit der Bahn gekommen, Mitglieder des linken Motorradclubs „Kuhle Wampe“ und Gewerkschafter. Anwohner mit Migrationshintergrund haben auch ihre Kinder mitgebracht.
Keine Akzeptanz
Vor sechs Jahren ist in Dautphetal das Haus einer türkischstämmigen Familie angezündet worden, Stunden zuvor hatten Unbekannte das Wort „Hass“ daran gesprüht. Die Hintergründe wurden niemals aufgeklärt, die Täter nie gefasst. Die Demonstranten wollen an den Brand erinnern – und gegen den Übergriff auf ein Flüchtlingsheim im nahegelegenen Wohratal protestieren, bei dem vier junge Männer Anfang Januar Türen und Fenster demoliert und die Asylsuchenden beschimpft und bedroht hatten. Man richte sich gegen „die Kontinuität rassistischer Gewalt“, ruft eine junge Aktivistin zu Beginn der Demo.
Philipp ist aus Marburg angereist. „Es lohnt sich, gegen Rassismus auf die Straße zu gehen“, findet der 23-jährige Student. Es lasse ihn nicht kalt, wenn in seiner direkten Umgebung Angriffe wie in Wohratal verübt würden, sagt er. Ganz am Ende der Demo läuft Ömer Gülsever, er trägt seinen kleinen Sohn auf dem Arm. Er habe die Familie, deren Haus damals gebrannt hat, gut gekannt, sagt Gülsever, vor allem deren jüngsten Sohn. „Wir sind hier zusammen aufgewachsen, mich hat das damals alles sehr berührt.“
Die Eltern der Familie hätten nach dem Brand nie wieder zur Normalität zurückgefunden, sagt Gülsever. Heute lebten sie wieder in der Türkei. Und auch er habe manchmal die Erfahrung machen müssen, „dass man sich als Migrant irgendwie beweisen muss, dass die Akzeptanz nicht da ist“. Umso freue ihn die heutige Demonstration – weil sie ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben setze.
Während Vertreter von Antifa-Gruppen und Linkspartei Reden gegen Ausgrenzung halten und auch die aktuelle Debatte um „Armutszuwanderung“ aus Osteuropa kritisieren, können viele Anwohner mit der Demonstration sichtlich wenig anfangen. „Wo sind sie denn hier, die Nazis? Sagt mir das doch mal!“, ruft ein älterer Mann den Demonstranten von seiner Haustür aus entgegen. Andere Anwohner beäugen den Protestzug durch ihre Fenster, einige halten den ungewöhnlichen Anblick mit der Kamera fest.
Keine Nazis in DautphetalEr könne die ganze Aufregung nicht nachvollziehen, sagt ein junger Mann, der am Rande des Aufzuges eine Zigarette raucht. Es sei doch gar nicht geklärt, ob der Hausbrand damals irgendetwas mit Rassismus zu tun gehabt hätte. Und Neonazis gebe es in Dautphetal auch nicht – „zumindest fallen die hier nicht auf“. Mit Linken, sagt er junge Mann mit abschätzigem Blick, könne er jedenfalls genauso wenig anfangen wie mit Rechten. „Ich kann die alle nicht leiden.“
Die Demonstration ist inzwischen an dem Haus angekommen, das 2008 gebrannt hat. Nach kurzem Stopp geht es zurück zum Bahnhof Friedensdorf. Dort bedanken sich die Anmelder für die Teilnahme, Banner und Fahnen werden eingerollt. Anwohner verteilen Tee, dann steigen die meisten Demonstranten in den Zug Richtung Marburg.