Ihr findet hier eine Übersetzung aus dem Rolling Thunder #2 (2006)
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Dropping Out
eine revolutionäre Verteidigung von Verweigerung, Aussenseitertum und Subkultur
In diesem Moment legt eine Angestellte in einem Lebensmittelladen 
genmanipulierte Produkte aus, statt ihren eigenen Garten zu pflegen;
Ein Tellerwäscher schwitzt über einem dampfenden Waschbecken, während 
sich in seiner Küche zu Hause die ungewaschenen Teller stapeln;
Ein Koch nimmt Aufträge von Fremden an, statt für die Nachbar_innenschaft zu grillen;
Ein Werbefachmann entwirft Werbesprüche für ein Waschmittel, anstatt sich Gute-Nacht Geschichten für seine Nichten auszudenken;
Eine arme Frau kümmert sich um reiche Kinder in einem Kindergarten, statt Zeit mit ihren eigenen Kindern zu verbringen;
Ein Kind wird dort ausgesetzt, damit sich Fremde um es kümmern, statt die, die es kennen und lieben;
Eine Soziologiestudentin macht eine ethnographische Studie über 
Hausbesetzer_innen, statt an den Aktivitäten, die sie interessieren, 
teilzunehmen;
Ein Aktivist, der von der Arbeit erschöpft ist, macht einen Hollywood Film zur Unterhaltung an;
Ein Mann, der seine Sexualität mit einem_r Partner_in erkunden könnte, holt sich zu Internetpornos einen runter;
Ein Demonstrant, der einzigartige Perspektiven und Gründe zu 
protestieren hat, trägt ein vorgefertigtes Schild mit dem Label einer 
bürokratischen Organisation;
Und ein Möchtegern-Revolutionär, der alles Bekannte hinter sich gelassen
 hat um ein engagiertes, bedeutungsvolles und schönes Leben zu 
verfolgen, redet mit anderen Aussteiger_innen aus purer Langeweile und 
Bedrückung übers Fernsehen.
Das System läuft mit dem Blut und Schweiß unserer entführten Leben. Je 
mehr wir uns anstrengen auf Basis seiner Bedingungen zu überleben, umso 
schwerer wird es, es anders zu tun. Unsere Zeit und Energie aus seinem 
Rachen zurück zu holen, ist die Essenz und Vorbedingung für jede echte 
Existenz.
Die lähmende, gängige Vorstellung, dass jeder, selbst die Radikalsten, 
eine Rolle im Status quo spielt, versteckt die subversive Möglichkeit 
aller – auch der Radikalen – diese Rollen zurück zu weisen. Aussteigen 
meint, abzulehnen unseren Teil zu spielen, uns selbst aus der Schaltung 
zu entfernen und unsere Leben zurückzufordern.
Bist du ein Student, dann heißt das, institutionelle Bildung in zum Vorteil selbstbestimmter Bildung zurückzuweisen.
Bist du eine Angestellte, dann heißt das, keine Befehle mehr anzunehmen,
 aufhören deine Zeit, Arbeitskraft und dein Gewissen für einen Lohn zu 
verkaufen und statt dessen eigene Projekte zu entwickeln.
Bist du ein Mieter dann heißt das, nicht die Taschen der Vermieter 
fetter werden zu lassen, sondern in neue Wege zu investieren um Raum zu 
sichern und zu nutzen.
Bist du Konsumentin, dann heißt das, aufzuhören einzukaufen, deine 
Bedürfnisse zu reduzieren und andere Quellen für das, was du brauchst, 
zu finden.
Bist du ein Produzent, dann heißt das, die Produktionsmittel zu 
beschlagnahmen und sie außerhalb kapitalistischer Logik anzuwenden.
Bist du eine Reisende, dann heißt das, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.
Bist du ein Künstler, dann heißt das, kreativ zu leben, statt Waren anstelle von Leben zu erschaffen.
Bist du ein Mädchen oder ein Junge, dann heißt das, für das bipolare 
Gendersystem undurchschaubar, ein lebendiges Gegenbeispiel zu werden.
Bist du verliebt, dann heißt das, die Erwartungen und Verpflichtungen der konventionellen Romanze zurückzuweisen.
Bist du weiß, dann heißt das, die rassistischen Strukturen anzugreifen, die daraus einen Vorteil machen.
In hierarchischen Strukturen heißt das, weder zu kommandieren, noch zu gehorchen.
In rechtlicher Hinsicht heißt das, aufzuhören die Autorität von 
Richtern, Gerichten, Bullen anzuerkennen. Es heißt Konflikte ohne 
bewaffnete Fremde oder unpersönliche Institutionen zu lösen, dich selbst
 und deine Gemeinschaft gegen ihre Einfälle zu verteidigen.
In moralischer Hinsicht heißt das, abzulehnen, dass irgendeine Autorität außer deinem eigenen Gewissen dir Gesetze auferlegt.
In ästhetischer Hinsicht heißt das, herkömmliche Normen zu meiden um neue Standards und Werte zu entwickeln.
In politischer Hinsicht heißt das, abzulehnen repräsentiert zu werden 
oder andere zu repräsentieren und Wege zu finden, politische Macht auch 
außerhalb der etablierten Wege auszuüben.
In Hinsicht auf die Sozialisation heißt das, deine Konditionierung zu 
verlernen, so dass du weder deine vorgeschriebene Rolle akzeptierst noch
 anderen solche Rollen überstülpst.
In Hinsicht auf den Ehrgeiz heißt das, Erfolg neu zu definieren.
Und falls du schon ein_e Aussteiger_in bist, dann heißt das, Wege zu 
finden, dich mit anderen wieder zu euren eigenen Bedingungen zu 
verbinden.
Glaub es uns...
..aussteigen ist kontrovers. Auch wenn wir das Offensichtliche sagen, 
wir vom CrimethInc Ex-Workers' Collective sind 
Hardcore-Aussteiger_innen: wir haben keine Jobs, wir gehen nicht 
shoppen, wir hängen nicht in Bars ab. Wir verweigern das Rennen um 
Abschlüsse, Beförderungen und Rente in der Hoffnung selber eine neue 
Welt aufzubauen. Die kulturellen Normen, die zur besten Sendezeit 
vorgeführt werden, sind nicht unsere kulturellen Normen; die Werte der 
ehrgeizigen Hausbesitzer_innen und pflichtbewussten Patriot_innen sind 
nicht unsere Werte. In der Hoffnung die Lohnsklaverei, Patriarchat - und
 Entfremdung generell - aufzuheben, haben wir begonnen unser Bestes zu 
tun, sie in unseren eigenen Leben abzuschaffen, um dadurch einen 
Präzedenzfall zu schaffen, bei dem den Worten Taten folgen. Statt zu 
fragen, ob die Umstände reif für eine Revolution sind, akzeptieren wir, 
dass wir es vielleicht nie wissen, also ist dieser Moment genauso gut 
wie jeder andere, um es heraus zu finden. Diese Entscheidung führt uns 
an die Ränder dieser Gesellschaft – und diese Ränder werden oft schlecht
 gemacht, nicht nur von Konservativen 1, sondern auch von unseren 
bekannten Möchtegern-Revolutionär_innen2. Die Idee, dass jemand probiert
 die Gesellschaft zu ändern, indem sie sie aufgibt, klingt für einige 
Menschen widersprüchlich. Viele haben geschlussfolgert, dass wir und 
andere wie wir, eigentlich keine Revolutionär_innene und nur 
Hedonist_innen sind – dass unsere Bemühungen außerhalb des Systems zu 
überleben nur eine private Lösung für die Probleme des Kapitalismus 
sind, aber den Milliarden, die immer noch in seinen Klauen leiden, 
nichts zu bieten haben.
Einige Mit-Aussteiger_innen haben sogar den selben Fehler gemacht und 
unsere Ermunterungen zur Selbstbefreiung als Alibis für egoistische 
Befreiung missbraucht. Verrückterweise denken sie, dass sie sich 
irgendwie vom globalen Kapitalismus befreien können, ohne ihm in die 
Quere zu kommen oder ohne gemeinsame Gründe mit anderen zu finden.
Im Gegenteil: wir machen uns keine Illusion darüber, dass wir unsere 
Leben führen können, wie wir sie führen wollen, während andere 
unterdrückt werden und die Welt von Gier und Gewalt regiert wird. 
Aussteigen ist für uns zuallererst eine Strategie im revolutionären 
Kampf gegen alle Strukturen der Herrschaft; es ist der effektivste 
Startpunkt, den wir für uns und unseresgleichen sehen um es mit dem 
Bestehendenaufzunehmen. In dem wir es ablehnen an diesem System 
teilzunehmen, versuchen wir die Regierung zu stürzen, alle Hierarchien 
abzuschaffen und die westliche Zivilisation zu kippen. Auf den folgenden
 Seiten werden wir darstellen, wie sozialer Wandel von den Rändern der 
Gesellschaft beeinflusst werden kann, versuchen diese Strategie von 
anderen Strategien für einen sozialen Wandel zu unterscheiden und bieten
 denen, die dieses Projekt mit uns teilen konstruktive Kritik.
Die Frage, welche Art von Revolution wir machen wollen, bestimmt auch, 
auf welche sozialen und psychologischen Strömungen wir uns beziehen. 
Sind wir Partisan_innen des Sozialen oder des Antisozialen? Des 
Allgemeinen oder des Besonderen? Formulieren wir Revolution als 
Anhäufung der gängigen sozialen Werte oder als ihre Aufhebung?
Und welche Individuen wollen wir als Gefährt_innen? Welche sozialen 
Klassen? Halten wir zusammen mit Professorinnen und Uni-Abbrechern? 
Identifizieren wir uns mit dem Almosen der Liberalen oder dem Groll des 
Ghettos? Stehen wir an der Seite der Gewerkschaften, fein in Reih' und 
Glied oder auf Seiten der Arbeiter_innen, welche die Gewerkschaften und 
Bosse gleichermaßen hassen? Sagen wir es so: Wir brauchen ein Bündnis, 
dass die Bewegung formt, organisiert und die Arbeit bestehender Gruppen 
unterstützt, sowie Solidarität und Zusammenhang herstellt wo keine_r 
ist. Oder sagen wir es so: SCHEIß DRAUF, LOS GEHTS!
Wähle dein Paradox
Wenn wir den Ausdruck „Dropping Out“ (im englischen mehrdeutig: 
„aussteigen“, „abbrechen“, „verweigern“, die Übers.) benutzen, reden wir
 nicht nur davon die Schule zu verlassen oder den Job zu kündigen. Für 
uns kennzeichnet der Ausdruck eine Verschiebung des Zentrums der 
Aktivitäten und Werte. Du kannst einen Job und einen Mietvertrag haben 
und trotzdem in das Projekt des Aussteigens eingeklinkt sein – es ist 
eine Frage, in was du den Großteil deiner Energie reinsteckst und zu 
welcher sozialen Strömung du einen Beitrag leistest.
Lass uns ebenfalls klarmachen, dass wir nicht versuchen einen neuen 
Moralcode zu etablieren. Bei christlicher Moral, die ihren Kern im 
Gehorsam gegenüber göttlichen Gesetzen hat, geht es nur darum eine weiße
 Weste zu haben, unabhängig davon ob es die Welt zu einem besseren Ort 
macht oder nicht. Ethnische Systeme, die vom Christentum abstammen, 
tendieren dazu absolut zu sein und verlangen die kategorische 
Zurückweisung bestimmter Verhaltensweisen ohne jeglichen Bezug zu ihren 
Effekten in der echten Welt. Pazifismus ist ein gutes Beispiel: Gewalt 
wird verboten, auch wenn das heißt, schlimmste Gewalt zu tolerieren. Wir
 wollen nicht sagen, dass wenn du ein_e Revolutionär_in sein willst, du 
kein Geld verdienen darfst, keine Lebensmittel mehr kaufen darfst oder 
keine Miete zahlen sollst. Wir schlagen eine allgemeine Strategie vor, 
die soweit angewandt werden soll, wie sie sich als tauglich erweist – 
keinen Bewertungsstandart. 
Heutzutage ist es nicht möglich sauber zu bleiben, im globalen 
Kapitalismus ist alles ein Kompromiss. Arbeit heißt, seine Zeit und 
Energie an eine zerstörerische und gewaltsame Ökonomie zu opfern. 
Arbeitslosigkeit aber bedeutet ohne Ressourcen dazustehen, die genutzt 
werden könnten um die Ökonomie zu untergraben. Es heißt von den 
Arbeiter_innen getrennt zu sein, mit denen man sich zusammenschließen 
könnte. Miete zu zahlen bedeutet das System des Privateigentums und den 
Vermieter_innen, die davon profitieren zu unterstützen, aber in diesem 
Land (die USA, Anm. d. Übers.) bietet das Besetzen kaum die nötige 
Stabilität für Wohnräume oder Gemeinschaftszentren. Das Internet zu 
benutzen fördert ein entfremdendes Medium, welches direkte Interaktionen
 ersetzt, aber es nicht zu nutzen heißt auf die Möglichkeit viele 
Menschen zu erreichen zu verzichten.
Wenn alles ein Kompromiss ist, dann ist die einzige Frage, welche 
Kompromisse die effektivsten sind um dein Ziel zu erreichen. Wenn der 
soziale Wandel, den du willst, notwendig institutionell ist, dann machst
 du besser deinen Abschluss und versuchst dein Bestes in den 
Institutionen. Wenn dir die Hierarchien gebaut auf Privilegien und Macht
 nicht zusagen, die grundlegend für diese Institutionen sind, bist du 
wahrscheinlich besser dran es außerhalb dieser zu versuchen. Wenn deine 
ideale Welt Fabriken und Lohnzettel enthält, dann ist es vernünftig, 
wenn du von der Fabrik aus darauf zu arbeitest. Wenn du darauf hoffst 
eine Gesellschaft ohne diese Wirtschaft und industrielle Verschmutzung 
aufzubauen, dann ist der erste Schritt wahrscheinlich die Wege auf denen
 du daran teil hast zu begrenzen.
Als Aussteiger_innen wetten wir, dass wir viel mehr mit unserer Zeit und
 unserem Einfallsreichtum machen können als mit irgend etwas für das wir
 sie verkaufen könnten. Dies ist ein essentiell antikapitalistisches 
Werturteil, das Freiheit über Eigentum und Status stellt und das Ziel 
und den Weg vereint. Wir riskieren es uns vom Rest der Menschheit zu 
isolieren, ohne den wir nicht das schöne Leben führen können nach dem es
 uns verlangt und ohne den wir nicht die revolutionären Veränderungen 
machen können, die wir anstreben. Aber dieses Risiko erscheint uns nicht
 viel schlimmer als die Risiken, die bleiben, wenn wir in den Rädern des
 Systems bleiben, auf Basis seiner Regeln ums Überleben kämpfen und das,
 ohne von seinen Werten übernommen zu werden.
Nichts davon bedeutet, dass nur Aussteiger_innen revolutionär sein 
können. Es reicht zu sagen, dass Aussteiger_innen, wie alle anderen, 
sich in revolutionären Kämpfen beteiligen können und dass dieser Kampf 
wahrscheinlich einen anderen Charakter haben wird, als Kämpfe in anderen
 Teilen der Gesellschaft. Idealerweise sollten unsere Bemühungen die 
Bemühungen derer, die im System kämpfen, ergänzen – und umgekehrt.
Revolution: Von Zentrum oder vom Rand?
Viel der Kritik an denen, die glauben, dass Verweigerung eine 
revolutionäre Strategie ist, scheint von unbewussten Annahmen über 
Revolutionen herzurühren. Möglicherweise stehen die Kritiker_innen unter
 dem Einfluss des marxistischen Revolutionsmodells. Nach diesem Modell 
setzt sich eine Idee unter den arbeitenden Massen durch, die sich dann 
entlang der Klassenstruktur organisieren um die Kontrolle über die 
Infrastruktur und Institutionen ihrer Gesellschaft zu ergreifen. Damit 
dieses Modell funktioniert, müssen Radikale in diese Massen integriert 
werden; leben, denken und sprechen wie sie, um Einfluss auszuüben. Die 
Leute konnten ihre Fabriken und Büros nicht einfach verlassen – wer 
hätte sie sonst weiter betrieben, wenn die Leute erst mal die Macht 
übernommen haben?
Auch heutzutage ist diese Strategie wohl kaum ein Weg zu der Freiheit, 
nach der wir suchen. Sie stellt Masse über Individualität und Einheit 
über Vielfalt; sie beschäftigt sich mit den Menschen entsprechend den 
Rollen, die sie in der bestehenden Gesellschaft spielen, statt den 
Wünschen und Träumen, die dahinter winken. Die, die diese Strategie 
anwenden wollen, müssen miteinander um das Monopol auf die richtige 
Theorie und Organisation konkurrieren, so wie Firmen darum konkurrieren 
den Markt zu beherrschen. Und obwohl die ultimative, einschließende 
Klassenbewegung aufgebaut werden soll, fühlen sich die Individuen 
ironischerweise oft marginalisiert. Ihre einzigartigen Perspektiven und 
Erfahrungen werden belanglos und ihre Bedürfnisse treten zurück hinter 
der Notwendigkeit des Kampfes, ihre Leben schrumpfen angesichts der 
großen Erzählung der Geschichte.
Die Massen der marxistischen Theorie leben heutzutage als Mainstream der
 modernen Gesellschaft. Gewöhnliche Klugheit schreibt vor, dass die, die
 den sozialen Wandel entfachen beim Mainstream Anklang finden müssen und
 dass das nur innerhalb seiner Ränge möglich ist. Dieser Logik folgend, 
sieht es so aus, als wäre es die erste Pflicht der Revolutionär_innen so
 gut wie möglich wie alle anderen zu sein. Durch das Aussteigen geben 
Radikale die Möglichkeit andere zu beeinflussen auf und wählen 
egoistisch ihre eigene Freiheit statt der noblen Verwaltung der 
Revolution.
Aber lasst uns annehmen, dass es auch einen anderen Weg Richtung 
Revolution gibt: statt im angeblichen Zentrum der Gesellschaft 
anzufangen, beginnen Revolutionär_innen an den sogenannten Rändern, 
offen jede Teilnahme verweigernd und einen komplett anderen Lebensweg 
popularisierend3. Indem die Vorteile dieser Lebensweise demonstriert 
werden, werden mehr und mehr Menschen angezogen, wodurch dieser 
Lebensstil immer sichtbarer wird und immer fähiger, die dominante 
Ordnung herauszufordern. Diese anderen Lebensweisen müssen nicht 
einheitlich sein - wie das Denken von marxistischen Revolutionär_innen –
 im Gegenteil, sie können unendlich verschieden sein. Je mehr die 
Möglichkeiten variieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass mehr 
Menschen etwas finden, was zu ihnen passt. Das einzig Essentielle ist, 
dass die angebotenen Wege sich fundamental von denen der alten Ordnung 
unterscheiden – sagen wir antikapitalistisch und nicht-hierarchisch als 
minimale Definition – und das sie einfach für andere zugänglich sind.
Letztere Strategie kann immer noch in der revolutionären Übernahme der 
Produktionsmittel und der Abschaffung von Klassen, Privilegien und 
staatlicher Macht enden. Aber dies nicht von einer homogenen Masse unter
 ideologischer Führung getan, sondern von autonomen Gruppen, die 
bezüglich ihrer eigenen Bedürfnisse agieren und da wo es möglich ist 
kooperieren. Besser noch, dann gibt es kein großes Durcheinander, wenn 
die Revolution beginnt und sich plötzlich jede_r an einen neuen Lebens- 
und Beziehungsstil gewöhnen muss – diese Revolution wird schon eine 
Weile am Laufen sein, wenn es so weit ist.
Das Gespenst des Mainstreams ein für alle Mal zerstreuen
Lasst uns zu der Feststellung zurückkehren, dass es einen Mainstream 
gibt, an den Revolutionär_innen sich anbiedern müssen. Wer ist dieser 
Mainstream genau? Jede Familie mit 1,6 Kindern? Alle die für die 
Gewinner_innen der letzten Wahl gestimmt haben? Alle mit einem Auto, 
einer Kreditkarte, und - lasst uns ehrlich sagen, woran wir denken – 
weißer Hautfarbe?
Vielleicht sollten wir besser fragen, wer die meiste Macht hat zu 
bestimmen, was der Mainstream ist und wer davon profitiert wie er 
geschaffen ist? Die Antwort auf die erste Frage ist ohne jeden Zweifel: 
die Unternehmensmedien. Mehr als alles andere heutzutage präsentieren 
sie Menschen einander. Was sie als gewöhnlich und normal darstellen wird
 die übliche Vorstellung davon, was gewöhnlich ist, die Norm dafür, was 
normal ist. Wenn das so ist, dann lautet die Antwort auf die zweite 
Frage: die Struktur der Unternehmensmacht, der die Unternehmensmedien 
dienen. Also lässt sich sagen: die reine Feststellung, dass es einen 
Mainstream gibt, ist Unternehmenspropaganda. Sie dient dazu, Produkte 
populär zu machen (wir müssen „mit den Nachbarn mithalten“), hält uns 
damit beschäftigt, dass wir versuchen aus Meinungsumfragen etwas 
übereinander zu lernen, statt bei Nachbarschaftsversammlungen - und vor 
Allem erhält sie das verunsichernde Gefühl, dass jede_r einer homogenen 
Masse „normaler“ Leute unterlegen ist, aufrecht.
Mainstream ist nicht nur einfach ein Wort, es ist ein halber Gegensatz. 
Das Gegenteil von „Mainstream“ ist „Subkultur“ - wenn Kritiker_innen das
 Potential von Aussteiger_innengemeinschaften unterschätzen, ist eines 
ihrer Argumente, dass diese nur subkulturell sind. Die meisten der 
Gegensätze, die uns in den kapitalistischen Medien präsentiert werden, 
sind falsch – zum Beispiel Soldat/Terrorist oder Politik/Ökonomie. 
Könnte also Mainstream/Subkultur auch ein falscher Gegensatz sein?
Nehmen wir die Mainstream Medien als Beispiel; alle denken, die 
Nachrichtensprecherin hat keinen Akzent – ein Akzent ist, was die Leute 
im Kiez haben, weil sie nicht wie „alle anderen“ sind, sogar wenn alle 
im Land so sprechen, außer die Nachrichtensprecherin. Aber jemand von 
außerhalb, sagen wir ein Besucher aus der Schweiz würde feststellen, 
dass die Nachrichtensprecherin mit Akzent spricht, so wie die Leute im 
Kiez, nur das ihrer normal erscheint, weil sie mehr Sendezeit erhält.
Ebenso sind alle Merkmale, die für Mainstream gehalten werden 
subkulturell, so sicher wie ein Rainbow Gathering subkulturell ist. 
Fußball gucken ist subkulturell, Internet benutzen ist subkulturell und 
Protestantismus ist ebenso subkulturell wie Krishnas. Die Leute von 
denen wir glauben, dass sie Mainstream Eigenschaften haben, sind nicht 
unbedingt mehr als die irgend einer anderen Subkultur: in den USA sitzen
 mehr junge Menschen im Knast als die Jungen Republikaner und die Jungen
 Demokraten gemeinsam Mitglieder haben.
Anstatt das Bild zu akzeptieren, das die Medien von der Gesellschaft 
malen - eine Gesellschaft, in der der Mainstream von einem verrückten 
Rand eingekesselt ist - sollten wir uns Gesellschaft als verflochtenes 
Netz, sich überlappender Subkulturen vorstellen. Alle sind gleichzeitig 
Teil von mehreren Subkulturen: Fernfahrer_innen teilen zum Beispiel 
gemeinsame Erfahrungen, Sprache und ähnliche Dinge, also könnte mensch 
sagen, sie formen eine Subkultur. Aber alle von ihnen sind auch Teil 
anderer Gemeinschaften, abhängig von ihrer Ethnie, ihrem Wohnort, ihrer 
Religion, ihres Musikgeschmacks und so weiter. Gesellschaft so zu 
betrachten ist heutzutage viel nützlicher, da Nord Amerika4 immer 
multikultureller und multiethnischer wird. Und neue Möglichkeiten für 
Fernreisen und Kommunikation ermöglichen es, soziale Gruppen anhand von 
Freizeitinteressen zu formen.
Es gibt Eigenschaften, die ein Großteil der Gesellschaft gemeinsam hat, 
die aber durch die Vorstellung eines Mainstreams verschleiert statt 
offengelegt werden. Fast alle müssen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu 
überleben und sind mehr oder weniger über diesen Angriff auf ihre 
persönliche Autonomie verärgert. Fast alle sind von juristischen und 
ökonomischen Gesetzen betroffen, an deren Ausarbeitung sie nicht 
beteiligt waren. Und, wie oben bereits bemerkt, haben fast alle die 
entfremdende Erfahrung sich durch die Unternehmensmedien, die die 
Standards ohne Bezug zu unseren echten Leben und Sehnsüchten bestimmen, 
gegenübergestellt zu sein. Das haben wir in der modernen 
kapitalistischen Welt gemeinsam: keine uniforme Kultur, sondern die 
Auferlegung einer falschen Uniformität.
Wie sich auch herausstellt, gibt es allgemeine Eigenschaften, die 
Revolutionär_innen beanspruchen können, um Widerstand zu entfachen, aber
 sie sind das Gegenteil von den Eigenschaften, die angeblich den 
Mainstream ausmachen. Radikale die das für sich nutzen wollen, können 
das nicht tun, in dem sie sich wie „alle anderen“ benehmen, sondern 
indem sie diese Annahme, dass jede_r sich so benehmen müsste, zerstören.
In einer Gesellschaft, die auf standardisierten Normen beruht sind alle 
geheime Außenseiter_innen5. Und eigentlich wissen sogar die vermeintlich
 typischsten Angehörigen dieser Gesellschaft, dass sie nicht wie „alle 
anderen“ sind – sonst hätten sie nicht so viele emotionale Probleme, 
oder müssten sich diese hässlichen Haare vom Körper entfernen oder sich 
Gedanken über den Drogentest machen. Aber sie behalten es für sich 
selbst, aus Angst und Scham. Und weil sie diese Brüche verstecken wenn 
sie anderen Menschen gegenüber treten, sehen sie den „Mainstream“, eine 
standardisierte Masse von Menschen.
Eine Strategie, die offene Marginalität ermutigt, strebt danach, an den 
geheimen und einzigartigen Teilen der Menschen, die keinen 
aufgezwungenen Normen entsprechen, anzuknüpfen. Sie spielt mit der Idee,
 dass die Leute aus der Masse treten, um offen die einzigartigen 
Individuen zu sein, die sie schon sind. Im Gegensatz zu der 
bevormundenden Ansicht, dass die Massen infiltriert und übernommen 
werden müssen, respektiert diese Strategie die Autonomie, Individualität
 und Intelligenz derer, mit denen sie gemeinsame Sache machen will.
Kein Warten auf einen Platz am Tisch, kein Fragen nach einem Stück vom Kuchen
Natürlich ist das Privileg auch nur normal zu erscheinen für die meisten
 von uns unerreichbar, da die selben Normen, die mit dem Mainstream 
assoziiert werden, auf Rassismus und Patriarchat basieren. Ein weißer 
Mann aus dem Mittelstand hat eine andere Beziehung zu diesen Normen, als
 eine Frau aus einer haitianischen Einwandererfamilie – auch wenn er 
diese Beziehung als einschränkend und entfremdend erfährt, profitiert er
 doch von ihr auf eine Art und Weise, wie es die Frau nie könnte. Aber 
beide, egal ob sie durch Zwang oder durch ihre Wahl marginalisiert 
werden, können eine Position als Außenseiter_in annehmen, die in 
Konflikt mit der ungerechten Gesellschaft steht.
Diese Möglichkeit ist ein Alptraum für Konservative und Linke 
gleichermaßen, da beide im kapitalistischen System stecken und wissen, 
dass alle anderen es auch müssen, damit das System weiterhin 
funktioniert. Um diese Gefahr auszugleichen, schlagen linke 
Reformer_innen die Ausdehnung einiger Vorteile der privilegierten 
Klassen auf die „unterprivilegierten Minderheiten“ vor, ohne die 
Strukturen, die dieses hierarchische System erhalten, zu ändern. 
Gemeinschaften, die bereits marginal sind, können in diese Strategie 
investieren um zu ein paar winzigen Privilegien zu kommen oder sie 
verweigern das Mitmachen und kämpfen gegen das gesamte System. Meistens 
ist es notwendig beides zu tun, nur um zu überleben – aber muss die 
jährliche Gay Pride Parade in San Francisco denn wirklich von einer 
riesigen Brauerei gesponsert werden?
Keine Privilegien zu haben, heißt noch lange nicht die Art und Weise, 
wie Privilegien verteilt werden, anzufechten. Normen werden von allen 
aufrecht erhalten, nicht nur von denen, denen sie Vorteile verschaffen. 
In Indien sind auf den meisten Werbetafeln hellhäutige Models zu sehen 
und Frauen benutzen „Fairness Cream“ um ihre Hautfarbe aufzuhellen. 
Obwohl weder Produzent_innen des MakeUps, noch die Konsument_innen 
jemals weiß sein können, nehmen sie alle gleichermaßen Teil an der 
Glorifizierung des Weiß-Seins. In diesem Sinne können die am wenigstens 
Privilegierten genauso aussteigen, wie die am meisten Privilegierten, 
insofern, dass sie sich weigern auf Basis der Werte des hierarchischen 
Systems miteinander zu konkurrieren. Dieses System wird tatsächlich 
niemals abgeschafft, außer sie tun es. Da habt ihr es: als revolutionäre
 Strategie angewendet, ist Verweigerung nicht nur Ausdruck von 
privilegierter Selbstsucht, sondern eine universell anwendbare Methode 
um Privilegien selbst zu bekämpfen.
Gemeinschaften williger Aussteiger_innen sollten jede Anstrengung 
unternehmen, sich mit anderen Außenseiter_innen zu verbinden. Indem wir 
die Solidarität zwischen allen Aussteiger_innen und Außenseiter_innen 
pflegen, können wir Ressourcen teilen – sichergehend, dass sie in die 
Hände derer kommen, die unter anderen Umständen keinen Zugang zu ihnen 
hätten; gleichfalls, mit der Perspektive jener, die Privilegien anders 
erfahren, können wir anfangen die Scheuklappen zu entfernen, die mit 
Privilegien einher gehen.
Aufständische Subkulturen
Wenn es den Mainstream nicht gibt, kein Anführer an den man appellieren 
kann und standardisierte Normen in sich repressiv sind, dann steht der 
Anspruch, radikalen sozialen Wandel nach dem oben beschriebenen 
marxistischen Modell zu erreichen, vor enormen Herausforderungen. Der 
alternative Anspruch andererseits sieht vielversprechender als jemals 
zuvor aus. Wenn unsere Gesellschaft aus einem weiten Rahmen von 
Subkulturen besteht, dann ist explizit subkultureller Widerstand 
vielleicht die beste Strategie – denkt an einen diffusen Guerillakampf 
statt an zwei Armeen, die sich Mensch gegen Mensch gegenüber stehen. 
Radikale können anfangen, wo auch immer sie sind, aus jedem sozialen 
Kontext, und können diesen Stück für Stück umformen. Frauen in ihrer 
Mid-Life Crisis können ihre abgeschiedenen Vorstadthäuser zu 
Gemeinschaftswohnungen machen, Gangs können sich als antikapitalistische
 Organisationen neu erfinden, Musiker_innen und Zuhörer_innen können 
Netzwerke von Shows abseits des Marktes entwickeln. Das ist Aussteigen –
 nicht als Individuen, sondern als Gemeinschaften.
Es ist einfacher diese Art von Dialog, der revolutionäre Hoffnungen und 
Kämpfe möglich macht, in Subkulturen zu führen, als in der gesamten 
Gesellschaft. Das ist wahrscheinlich am einfachsten daran wahrzunehmen, 
wie sich verschiedene Widerstandsbewegungen aus ethnischen, religiösen 
oder geschlechtsbasierenden Subkulturen gebildet haben. Zum Beispiel die
 Black Panthers und ähnliche Gruppen, die ausurbanen schwarzen 
Communities kamen.Die Stonewall Riots wären ohne den queeren Untergrund 
in New York nicht zu denken gewesen. In beiden Fällen war es nicht nur 
Unterdrückung, die den Widerstand ausgelöst hat, sondern auch soziale 
Strukturen in denen er gedeihen konnte. Darum haben sich auch die Kräfte
 des rassistischen Kapitalismus verschworen um die Nachbarschaften der 
Schwarzen nach den 1960ern aufzulösen, damit es keine Watts Riots oder 
militant organisierte Frühstücksausgaben6 mehr geben konnte.
In einer Gesellschaft, in der Race und Geschlecht als feste und 
essentielle Merkmale angesehen werden, werden hauptsächlich weiße 
Subkulturen als ehrenamtlich angesehen. Interessant zu sehen, dass sie 
oft als Ghettos bezeichnet werden. Dies scheint zu implizieren, dass es 
zwangsläufig eine subkulturelle Spaltung zwischen ethnischen Gruppen 
gibt, aber dass es für weiße Mittelstandskinder sinnlos ist, zu 
versuchen sich bewusst abzusetzen.
Kann es sein, dass dieser Spott das subversive Potential dieser 
Subkulturen bezüglich ihrer Fähigkeit sich zu einem Ort des Widerstands 
zu entwickeln versteckt (oder sogar verstecken soll)? Wenn dem so ist, 
dann sind soziale Gruppen, wie die Punk Szene oder das Pagan Milieu 
keine revolutionären Sackgassen, sondern potentielle Ausgangspunkte für 
ernsthaftere Abweichungen von dieser Gesellschaft. Das Problem ist 
nicht, dass sie sich von einer Mainstreamkultur ableiten, sondern dass 
sie sich nicht weit genug von kapitalistischen sozialen Beziehungen 
wegbewegen. Falls sie es doch tun, können die Resultate jedoch explosiv 
sein.
Es gibt jede Menge Beispiele dafür – Punk Rock ist berüchtigt dafür 
Generationen von Anarchist_innen beeinflusst zu haben, so wie pagane 
Kreise ein Netzwerk älterer antikapitalistischer Aktivist_innen 
begünstigt haben. Kritiker_innen bemängeln, dass diese Beispiele nicht 
nur durch ihre subkulturelle Natur begrenzt sind, sondern auch, dass nur
 subkulturell zu sein das Potential der anarchistischen Bewegung 
generell beschränkt. Aber wahrscheinlich können wir diese Analyse auch 
umdrehen: was wenn sie gerade deshalb effektiv sind, weil sie 
subkulturell sind und die gesamte anarchistische Bewegung davon 
profitieren könnte dies zu bemerken?
Vielmehr war ein Großteil des Anstoßes der bekanntesten anarchistischen 
Projekte der letzten vier Jahrzehnte eindeutig subkulturell. Wenn wir 
akzeptieren, dass offen subkulturell zu sein vielmehr eine Stärke als 
eine Schwäche ist, egal ob für ethnische Gruppen oder weiß dominierte 
Aussteigerinnengemeinschaften, dann können wir uns vom Bedauern unserer 
Erfolge zum Verbessern einer Strategie bewegen, die sich mit den 
eigentlichen Fallen des Aussteigens beschäftigt.
Aufgeben ohne Fliehen
Das grundlegende Problem beim Aussteigen ist, dass es dir sofort eine 
Lebensweise entzieht, ohne notwendigerweise eine andere bereit zu 
stellen. Wir können nicht genug betonen, dass wir nicht nur von ein paar
 Leuten reden, die ihren Job kündigen, sondern von der Entwicklung eines
 Netzwerkes aus Aussteiger_innengemeinschaften. Analog dazu steht die 
Eskalation der Taktiken in militanten Kämpfen: wenn du allein 
eskalierst, kannst du isoliert und geschlagen enden; wenn du Taktiken 
als Gemeinschaft, mit der Hilfe von anderen Gemeinschaften eskalierst, 
kannst du einen Impuls geben, der die Balance der Macht verändert. Wenn 
wir individuell aussteigen, müssen wir gemeinsame Sache machen, um nicht
 allein zu verhungern und unser Potential zu verschwenden.
Nur zu oft trennen sich Aussteiger_innen in Nordamerika von den 
Hemmnissen ihres alten Lebens und beginnen eine Art freien Fall, bei dem
 sie von einer Sache zur nächsten treiben ohne sich selbst irgendwo 
einzubringen. Dies ist generell typisch für unsere Gesellschaft: weil 
sie Leben ohne eine feste Basis starten, tendieren Menschen dazu 
Verpflichtungen nicht einzugehen und darauf zu warten, dass die perfekte
 Option von allein auftaucht – obwohl es Hingabe ist, die die Dinge in 
erster Linie möglich macht. Anstatt also unsere Leben damit zu vergeuden
 auf der Suche nach dem vorgefertigten Utopia ziellos umherzuziehen, 
fangen wir besser Hier und Jetzt damit an die Dinge die wir wollen 
aufzubauen. Der Gedanke hinter der Verweigerung ist doch, unsere Zeit 
und Kreativität konstruktiv zu nutzen, oder?
Das andere Extrem sind Aussteiger_innen, die es sich in ihrem neuen 
Leben bequem machen, in welchem sie scheinbar mit allem versorgt sind, 
ohne den Status Quo anzugreifen. Nachhaltig in einer unnachhaltigen 
Gesellschaft leben zu wollen ist höchstens idealistisch. Die, die allen 
den Rücken zukehren und „aufs Land zurück“ gehen, betrügen sich selbst 
und alle anderen um die Welt, die wir gemeinsam erschaffen könnten. 
Früher oder später kommen die Verschmutzer_innen und Entwickler_innen 
auch auf den letzten Hektar – solange der Kapitalismus nicht zerstört 
ist, ist keine organische Farm sicher, egal mit wie viel Permakultur. 
Wenn sich Aussteiger_innen, egal ob individuell oder gemeinschaftlich, 
allein wiederfinden, dann üblicherweise nicht, weil sie keine 
Möglichkeit haben sich mit anderen zu verbinden, sondern weil sie die 
Vorzüge ihrer Möglichkeiten nicht nutzen. Zwischen lokalen und 
regionalen Gemeinschaften, Familienverbänden und subkulturellen Kreisen 
bewegen sich alle in vielen verschiedenen Zusammenhängen gleichzeitig. 
Zu oft glauben Aussteiger_innen, dass sie ihre verrückten Ideen für sich
 und Ihresgleichen behalten sollten. Auf der anderen Seite können 
überraschende Ergebnisse entstehen, wenn diese Ideen mit Leuten geteilt 
werden, die nicht Teil deiner Clique sind. Dabei ist es nicht nötig von 
Tür zu Tür zu gehen und Fremde zu bitten „der Bewegung“ beizutreten. 
Alles was wir tun müssen, ist die Menschen aus unseren Leben mit den 
radikalen Projekten zu verknüpfen, in denen wir bereits sind – und 
andersrum. 
Abschließend ist es höchst wichtig, dass Aussteiger_innen Wege finden, 
ihre Bedürfnisse auf eine Art zu befriedigen, die andere daran teilhaben
 lässt. Aktionen, die unsere Ressourcen zur allgemeinen Verfügung 
stellen - wie Food not Bombs oder Umsonstläden - haben ihr Potential 
bewiesen. Im besten Fall heben sie die Grenzen von individuellen 
Subkulturen auf und zeigen Modelle, wie das Leben sein könnte, die 
sofort für alle begreiflich sind.
Das „Expanding Bubble“ Modell
So wie Kritiker_innen von Aussteigerstrategien unbewusste Annahmen 
haben, die ihre Einschätzungen prägen, so haben auch Aussteiger_innen 
oft unbewusste Annahmen über den sozialen Wandel. Viele scheinen auf 
Basis eines, wie wir es nennen „Expendable Bubble“ Modells, zu agieren. 
Bei dieser Einstellung wird ein einzelner subkultureller Bereich von 
innen transformiert, wodurch er zur Blase wird, an die 
Revolutionär_innen dann ihre Hoffnungen hängen. Die Teilnehmendendenken 
von sich, dass sie gegen den Strom der Gesellschaft leben. Menschen die 
von außen darauf schauen, interpretieren diese Einstellung dann 
möglicherweise als persönlichen Angriff. Das kompliziert die Sache noch,
 da ja der Knackpunkt der Strategie das Vergrößern der Blase ist, um 
mehr und mehr Leute einzubeziehen: „Letztes Jahr waren tausend Leute auf
 der Konferenz und dieses Jahr rechnen wir mit zweitausend. Es geht 
voran!“
Der Vorteil des „Expendeable Bubble“ Modells ist, dass es viel Energie 
auf einen kleinen Bereich fokussiert. Ansprüche an die breitere 
Bevölkerung tendieren dazu sich auf ein Thema zu beschränken; in der 
Blase andererseits ist es für die Menschen möglich ihre sozialen 
Beziehungen total zu verändern, wenn nicht sogar ihre Leben. Dadurch 
entsteht ein Ort der Möglichkeiten, der vorher undenkbar gewesen wäre. 
Vorstellungen und Bedürfnisse werden sozial produziert; die Menschen 
müssen erst eine andere Welt erfahren um daraus etwas zu konzipieren, 
vom dafür Kämpfen gar nicht zu sprechen.
Gleichzeitig hat dieses Modell aber auch Nachteile. Auf eine Art und 
Weise ist es sogar konservativ. Es bestimmt ein Fragment des sozialen 
Spektrums zum eigenen Territorium und implizit stellt es die 
Verteidigung dieses Territoriums über alles andere. Die Ansprüche, 
dieses Gebiet zu erhalten, kann die Leute beschränken, die sonst 
ambitioniertere Projekte angehen würden. Innere Differenzen werden oft 
als ebenso gefährlich wie äußere Feinde wahrgenommen. Die 
„Squat-Bewegung“ stellt diese Tendenzen gut dar, degeneriert von einer 
Bewegung für totale Freiheit zu einem Abwehrkampf um ein paar 
historische Besitztümer für eine elitäre In-Group.
Diese konservative Atmosphäre kann radikale Subkulturen abschreckend für
 andere machen. Diese Abgeschreckten sind nicht unbedingt engstirnig 
oder haben schwache Nerven. Es kann auch sein, dass sie sich durch die 
Beschränkungen ihrer eigenen Subkultur bereits unfrei fühlen und deshalb
 kaum von einer anderen Subkultur, die ebenfalls statisch und beengend 
erscheint, angezogen werden. Ein Iro wirkt auf eine Frau, die die 
Schnauze voll davon hat, ihre Haare jeden Tag fürs Büro zurecht zu 
machen, wesentlich weniger anziehend als auf einen Teenager, der Mode 
als den einzigen Aspekt seines Lebens erfährt, den er selbst unter 
Kontrolle hat. Solange nicht klar ist, dass der Iro nur beiläufig etwas 
mit der Kritik am Kapitalismus zu tun hat, kann man die Frau kaum für 
ihr Urteil kritisieren. Je ungezwungener die Kultur einer Blase ist, 
umso wahrscheinlicher ist es, dass sie über ihre Grenzen hinaus Menschen
 anzieht.
Aus gleichem Grund sollten Aktivist_innen niemals das Aufzeigen von 
Wegen zur Befreiung mit der Bewerbung ihrer eigenen Subkultur 
zusammenfügen. Es sollte niemals vorkommen, dass es unser Ziel wird, 
alle Menschen zu assimilieren, so wie es das Ziel derer ist, die davon 
reden, die Massen zu konvertieren.
Wenn es darum geht, warum sich individuelle Blasen meist nicht 
vergrößern, gibt es oft Bedenken, dass sie zu verschieden vom Rest der 
Gesellschaft sind oder nicht verschieden genug. Manche mögen sagen, dass
 die Begriffe und Benimmregeln, die einer radikalen Subkultur eigen sind
 auf potentielle Mitstreiter_innen befremdend wirken. Andere mögen 
wiederum vermuten, dass dies notwendig ist um den Sexismus und 
Rassismus, der Subkulturen nach wie vor innewohnt, konkret zu benennen
Solche Debatten scheinen zu der Annahme zu führen, das das Wichtigste 
für die Blase ist größer zu werden. Für Revolutionär_innen, die nach 
einer mehrförmigen Revolution streben, wie sie oben beschrieben wurde, 
gibt es aber wichtigere Fragen. Ist die Kultur in der Blase befreiend 
für die, die darin aktiv sind? Können die Menschen innerhalb der Blase 
gemeinsame Sache mit Leuten von außerhalb machen?
Subkulturelle Räume können ideal sein, um die Bedürfnisse einer 
bestimmten Gruppe zu befriedigen, aber eben aus diesem Grund ist ihre 
Nützlichkeit auch begrenzt. Es macht mehr Sinn sich darauf zu 
fokussieren, diese Räume miteinander zu verbinden, statt sie zu 
vergrößern. Um ihr Potential zu sehen, sollten wir sie nicht als sich 
vergrößernde Blasen betrachten, sondern als individuelle Stämme, die 
zusammen und mit anderen eine revolutionäre Föderation formen können.
Verheerende Flüchtlinge
Aussteiger_innen sind nicht unfehlbar. Nur weil wir die Mechanismen des 
Kapitalismus nicht mehr bedienen sind wir noch lange nicht außen vor. 
Solange der Kapitalismus alles aufsaugt, was ihm in die Finger kommt, 
sind wir genauso verantwortlich dafür ihn zu stoppen, wie alle anderen. 
Wenn nicht, dann riskieren wir, unwissend die Frontlinie seines Angriffs
 zu sein – so wie Menschen, die aus einen krankheitsgeplagten Land 
fliehen, aber die Krankheit noch in sich tragen und überall hinbringen, 
wo sie hingehen.
Lasst uns nicht vergessen, dass Nordamerika von Aussteiger_innen 
kolonialisiert wurde. Sie wollten einer unterdrückerischen Gesellschaft 
entkommen, ohne ihre Rolle darin voll zu verstehen. So endeten 
europäische Immigrant_innen damit, dass sie eine identitäre Gesellschaft
 auf den Leichen derer erschufen, die den Frieden, den sie suchten, 
genossen. Heutzutage findet der selbe Prozess in kleinerem Umfang in 
Form von Gentrifizierung statt. Auf der Suche nach bezahlbaren Mieten 
sind Aussteiger_innen aus der Mittelklasse oft die erste Welle von 
Leuten, die in lebhafte Nachbarschaften ärmerer, farbiger Menschen 
ziehen. Dies macht die Nachbarschaften interessant für Makler_innen, was
 die Mietkosten wieder in die Höhe treibt und die ursprüngliche 
Bevölkerung vertreibt. Die Frage, die Gentrifizierung aufwirft, ist die 
selbe Frage, mit der Aussteiger_innen in ihrem Mikrokosmos leben müssen:
 wie können wir mehr dafür tun den Kapitalismus zu untergraben, als ihn 
aufrecht zu erhalten? Wie können wir symbiotische Beziehungen mit 
Menschen eingehen, die einen anderen Lebensweg beschreiten, wenn alles 
so festgelegt ist, dass wir uns gegenseitig gefährlich sind? Und 
ernsthaft, wo sollen wir leben?
Wenn Aussteiger_innen mehr dafür tun Andere von ihren Ideen zu 
entfremden, als sie zu ermutigen alternative Entwürfe zu probieren, dann
 sind sie keine Revolutionär_innen, sondern nur Verteidiger_innen des 
Status Quo in einer ungewohnten Gestalt. Aussteigen ist der Anfangspunkt
 für den revolutionären Kampf und nicht das Ziel.
Werte des Mittelstands untergraben
Heutzutage sehen wir in den Vereinigten Staaten kaum ausgebeutete 
Arbeiter_innen, die sich als Klasse gegen ihre Unterdrücker_innen 
organisieren. Damit dies möglich wäre, müssten sich die Arbeiter_innen 
als Arbeiter_innenklasse sehen – aber viele hier sehen sich als 
Mittelstand und identifizieren sich mit denen, die von der 
hierarchischen Verteilung des Wohlstands profitieren. Irgendwie ist das 
auch nicht weiter verwunderlich: denn man kann sagen, dass die 
Arbeiter_innenklasse der Vereinigten Staaten der Mittelstand der Welt 
ist. Sie profitieren von der unbegrenzten Ausbeutung der Arbeiter_innen 
überall anders auf dem Planeten. Aber es ist auch eine Illusion: dank 
der Kreditbranche können Arbeiter_innen den Schein eines 
mittelständischen Lebensstils aufrechterhalten - um den Preis nun noch 
mehr von der besitzenden Klasse abhängig zu sein.
Andere Arbeiter_innen wissen, dass sie nicht zum Mittelstand gehören, 
aber der Glaube, dass sie dazu gehören können, wenn sie nur hart genug 
arbeiten, hält sie ruhig. In einer Gesellschaft mit einer gewissen 
ökonomischen Mobilität hindert das Verlangen nach mehr Wohlstand die 
Leute daran, für größere soziale Veränderungen zu kämpfen. Wenn ihr Ziel
 der bloße Wohlstand ist, dann verspricht das Auskonkurrieren ihrer 
Kolleg_innen bessere Chancen als der lange Weg einer Revolution. Nur die
 Reichtümer, die der Kapitalismus nicht bieten kann, wie Freiheit, Würde
 und eine nachhaltige Beziehung mit der natürlichen Umwelt, können zu 
einem revolutionären Kampf motivieren.
Wenn so viele Herzen mit Materialismus und Kokurrenzdenken gefüllt sind,
 dann ist der erste Schritt Richtung Revolte die Subversion dieser 
Werte. Die Funktionslosigkeit, Armseligkeit und Widerwärtigkeit dieser 
Werte und dieser Kultur müssen ans Licht gebracht werden, wo jede_r sie 
sehen kann. Ein Aussteiger_innen-Widerstand hat hier einiges zu bieten. 
Wenn sie auf Basis von anderen Werten agieren, untergraben 
Aussteiger_innen die Annahme, dass Gier und Egoismus „natürliche“ 
Aspekte der Menschen sind und zeigen so die Vorteile anderer Lebenswege.
 Möglicherweise sind „Aussteigen“ und das Mobilisieren der 
„Arbeiter_innenklasse“ doch keine gegensätzlichen Strategien – so lange 
wie Aussteiger_innengemeinschaften bescheiden bleiben und mit anderen 
Bereichen der Gesellschaft verknüpft sind, können sie einen Beitrag zur 
Entwicklung revolutionärer Taktiken und Ziele liefern. Die Geschichte 
zeigt es: von den auf Zügen trampenden Hobos der „Industrial Workers of 
the World“ bis zur italienischen „Autonomia“ der 1970er7; erfolgreiche 
revolutionäre Arbeiter_innenorganisierung war immer mit Revolten gegen 
Arbeit und Klasse an sich verbunden.
Eine Idee deren Zeit gekommen ist
In einem sozialen Kontext in dem die Idee von Revolution kaum verbreitet
 ist, ist es wahrscheinlich unvermeidbar, dass der revolutionäre Kampf 
an den Rändern geführt wird. Wie sehr sich manche 
Klassenkampftheoretiker_innen auch als Stimme der Allgemeinheit sehen, 
sie sind heutzutage nur eine noch obskurere Gruppe als die 
Aussteiger_innen, die sie verachten.
Das ist kein Zufall. Dadurch, dass die Jobs im Produktionsbereich in 
andere Länder verlagert wurden, macht die Arbeiter_innenklasse gerade 
eine schmerzvolle Umwandlung von einer produktionsorientierten Ökonomie 
zur Dienstleistungsökonomie durch. Arbeiter_innen, die ehemals ihr 
ganzes Berufsleben in einer Fabrik verbracht haben und dort starke 
Beziehungen und Strategien zum Ausüben von Arbeiter_innenmacht 
entwickelt haben, arbeiten jetzt in Gelegenheitsjobs in Shoppingcentern.
 Die Positionen ihrer Kolleg_innen wechseln ständig und oft müssen sie 
von einer Stadt zur nächsten ziehen und dabei jede Art von Gemeinschaft 
zurücklassen. Zusammen mit der Demoralisierung aufgrund von immer 
sinnloseren Aufgaben führt dies zur Aushöhlung traditioneller 
Organisation am Arbeitsplatz.
Revolutionäre Bedingungen entstehen aus einer sozialen Kontinuität. Wenn
 heutzutage Arbeitsplätze (bzw. Erwerbsbiografien) diese Kontinuität 
nicht mehr bieten, müssen wir uns an anderen Orten organisieren. Wenn 
sich die Menschen nicht mehr als Arbeiter_innen verbinden können um die 
Kontrolle über ihre Arbeitsplätze zu erlangen, dann können sie sich 
vielleicht als Menschen, die die Arbeit verachten, verbinden und die 
Kontrolle über ihr Leben außerhalb der Arbeit zurück erlangen. Damit 
wollen wir nicht sagen, dass Organisation am Arbeitsplatz überflüssig 
ist oder dass Revolutionär_innen keinen Aufwand betreiben sollten, um 
radikale Arbeiter_innenorganisationen zu unterstützen. Es soll nur 
bedeuten, dass es für einige von uns mehr Sinn macht, dies von außerhalb
 der Produktionssphäre zu tun. Wenn wir alle, eine_r nach der anderen, 
die Arbeitsplätze verlassen ohne die Produktionsmittel zu kontrollieren,
 sind die Auswirkungen natürlich offensichtlich – sicher wäre es besser 
wenn die Fabriken einfach besetzt werden würden und die Sache ein für 
alle Mal erledigt wäre – aber bis das passiert, sollten die von uns, die
 es können, mit einem Generalstreik auf individueller Basis beginnen. 
Seit den 1960ern wurden Aussteiger_innen immer bedeutender in sozialen 
Aufständen. Das ist auch kein Zufall. Die erhöhte Mobilität der 
Arbeiter_innenschaft und die Bedeutungslosigkeit von Lohnarbeit an sich 
sind lästig für klassische Arbeiter_innenorganisationen, aber sie sind 
große Vorteile für eine Bewegung, die ein internationales Netzwerk von 
Aussteigergemeinschaften aufbaut. Wenn wir hoffen, mit dem Anfachen der 
Revolution erfolgreich zu sein, brauchen wir zeitgemäße Strategien; in 
diesem Sinne ist Aussteigen eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Ohne Angst vor Extremen
Statt zu versuchen eine Masse im Zentrum der Gesellschaft 
zusammenzuführen, zielt die Aussteiger_innenstrategie darauf ab, die 
Bevölkerung zu polarisieren – mit den Worten eines bekannten 
Deklassierten - einen offenen Bruch zu erzeugen zwischen denen, die die 
Welt so wollen wie sie ist und denen, die das nicht wollen.
Die Machthaber_innen erlangen ihre scheinbare Unverwundbarkeit derzeit 
aus dem Glauben, dass sich ihnen niemand ernsthaft entgegen stellt. 
Viele Linke teilen eine unnatürliche Furcht davor, als Extremist_innen 
abgestempelt zu werden. Dies hat sie in den letzten Jahren politisch 
impotent gemacht. Dadurch, dass sie ihre Positionen immer mehr in 
Richtung ihrer Gegner_innen verschoben haben, um den Anschein zu 
erwecken, dass sie zur politischen „Mitte“ gehören, haben sie die 
Initiative an rechte Gruppen abgegeben, an die sie nun jährlich immer 
mehr Boden verlieren. Rechte und Konservative kommen nun raus und 
erscheinen mit Prinzipien, selbstsicher und dynamisch. Ideen, die vor 10
 Jahren noch absurd reaktionär erschienen, werden heute als 
Voraussetzungen für den politischen Diskurs für voll genommen.
Radikale sollten diesen Fehler niemals begehen. Wir müssen auf Basis 
unserer Vorstellungen ruhig, zuversichtlich und so offen wie möglich 
agieren und Sachen aussprechen. Die Auffassung, dass wir Extremist_innen
 sind, kann uns nicht so entscheidend zurückhalten, wie die Vorstellung 
dass wir etwas zu verstecken hätten. Wir wetten, dass es nicht der 
momentane Inhalt unserer Ideen ist, der Leute von uns abschreckt – wenn 
dem so wäre, wäre es tatsächlich ein langer Weg bis zur Revolution. 
Vielmehr ist es die Unsicherheit und Abwehr in uns selbst, die wir 
überwinden müssen. Indem wir die Dinge ungeniert so benennen, wie wir 
sie sehen, können wir Diskussionen neu bestimmen und neue Gebiete im 
politischen Spektrum öffnen. Und wenn wir Ungerechtigkeit überall wo wir
 sie sehen bekämpfen, zwingen wir die Repressionsorgane sich als das zu 
zeigen, was sie sind. Wir müssen uns nicht alle unter einem Banner 
vereinen, wir brauchen nur die falschen Grenzen der Gesellschaft offen 
zu legen, die Menschen dazu inspirieren, entsprechend ihrer tiefsten 
Verlangen Position zu beziehen und zur letzten entscheidenden 
Auseinandersetzung rufen.
Nachhaltigkeit und direkte Aktion
Aussteiger_innengemeinschaften müssen sich irgendwie selbst erhalten. 
Der schnellste Weg aus der Armut ist das verlernen von falschen 
Bedürfnissen, die die kapitalistische Gesellschaft konstruiert – aber 
wenn diese Gemeinschaften mehr sein sollen als Ghettos für 
Verlierer_innen und Asket_innen, brauchen sie immer noch Zugang zu 
konkreten Ressourcen. Dies kann auf gewöhnlichem Weg erreicht werden – 
gärtnern, kollektiver Landkauf, Heimarbeit, Nebenjobs – oder auf 
kriminellen Weg. Der erste Weg ist praktisch genug, hat aber den 
Nachteil eine gewisse Selbstgefälligkeit zu fördern. Der zweite Weg ist 
meist nicht so praktisch, aber gibt uns Vorteile, die wir sonst nicht 
hätten. Man kann sagen was man will über Kapitalist_innen, die uns das 
Seil verkaufen, mit dem wir uns aufhängen – aber es ist relativ 
wahrscheinlich, dass sie es uns nicht zu den Preisen verkaufen, die wir 
uns bei Löhnen, die sie uns zahlen, leisten können. Sich mit einem 
stärkeren Konkurrenten anzulegen ist immer riskant, aber die 
Voraussetzung für revolutionäre Aktivitäten ist, dass sie es wert sein 
können – und Anarchist_innen, die jetzt schon militante direkte Aktionen
 durchführen, riskieren eh schon was.
Das „direct action movement“ in den USA unterscheidet sich sehr von 
seinem Gegenpart in Übersee, in der Hinsicht, dass militante Taktiken 
hier kaum genutzt werden um Ressourcen zu gewinnen. Wenn europäische 
Squatter_innen einen Kampf gewinnen, dann sichern sie einen physischen 
Ort, an dem sie ihre Widerstandskultur entwickeln und von wo aus sie 
ihre Angriffe auf Privateigentum und Kapitalismus fortsetzen. Im 
Gegensatz dazu sind militante Aktionen in den USA meistens nur 
symbolische Unterbrechungen des Normalbetriebs. Abgesehen von der 
Aufmerksamkeit und potentiellen Verbündeten, die sie erreichen, können 
diese Aktionen kaum Ressourcen für die Bewegung bereitstellen, während 
sie viel Energie hinsichtlich Aufwand und rechtlicher Folgen kosten. Das
 erklärt vielleicht warum das „direct action movement“ in den USA 
zwischen kurzen Ausbrüchen der Aktivität kaum den Schwung aufrecht 
erhalten kann.
Selbst wenn es nachhaltig sein sollte, scheint es doch kein Weg zu sein,
 Gemeinschaften, die direkte Aktionen durchführen, zu pflegen und zu 
vergrößern. Wir brauchen Ressourcen, die wir mit anderen teilen können, 
falls sie ihre eigenen Wege, für sich selbst zu sorgen, zurückschrauben,
 um uns zu unterstützen. Je mehr Ressourcen durch direkte Aktionen 
bereit gestellt werden, umso mehr Menschen nehmen sie an. 
Es gibt auch Beispiele, wie in den USA Ressourcen durch direkte Aktionen
 verfügbar werden, auch wenn dies im Großen und Ganzen im Kleinen 
stattfindet: containern, file sharing, klauen und trampen auf Zügen. Man
 könnte sagen, dass die meisten der bekannten anarchistischen 
Aktivitäten der letzten 15 Jahre durch diese Formen der direkten 
Aktionen ermöglicht wurden: die Verbreitung von Food Not Bombs kann mit 
der Popularisierung vom Containern verknüpft werden, so wie der 
Höhepunkt der 'zine-Revolution mit der Verbreitung von photocopy scams8 
zusammen hing. Genauso, wie die Antigipfelproteste, die '99 bis '01 
ihren Höhepunkt hatten, durch eine Ausbreitung von Betrügereien, 
Ladendiebstählen und Ähnlichem charakterisiert waren, die die 
Bedürfnisse von Vielen befriedigten, die in der Mobilisierung 
mitmachten. Diese bescheidenen Beispiele zeigen, wie wichtig es ist 
nachhaltige Formen der direkten Aktion zu entwickeln.
Direkte Aktionen, die nur die Bedürfnisse ihrer Beteiligten befriedigen,
 können als egoistisch betrachtet werden, aber die Mehrheit der Menschen
 schauen zuerst, wie sie ihre eigenen Probleme lösen können und finden 
die Selbstlosigkeit, die mit Aktivist_innen n den USA assoziiert wird, 
unpraktisch, wenn nicht sogar verrückt. Wenn wir aufzeigen können, dass 
wir unsere Bedürfnisse auf eine Weise erfüllen, die einfach nachzuahmen 
ist, wird dies aber zu einer Stärke, statt zu einer Schwäche.
Wenn wir sagen, dass direkte Aktionen unsere Gemeinschaften erhalten 
sollen, dann meinen wir aber nicht, dass militante Taktiken gescheut 
werden sollen – im Gegenteil. Vor einem Jahrhundert wurden viele 
anarchistische Projekte – Zeitungen, Clubs, sogar Schulen – durch 
Banküberfälle und das Klauen von Gehaltschecks finanziert. 
Wahrscheinlich sind diese Taktiken heutzutage nicht mehr so effektiv, 
aber es muss andere, niedigrschwelligere Wege geben, die das Selbe 
heutzutage ermöglichen. Wenn Anarchist_innen in diesem Land militante 
Taktiken entwickeln und verbreiten, die ihre Bedürfnisse und die ihrer 
Gemeinschaften befriedigen, wird dies fast mit Sicherheit zu einer 
Renaissance anarchistischer Aktivitäten und Organisation führen.
Mit den Ausreißer_innen an einem Strang ziehen
Aussteigen ist ein Glücksspiel, das ist klar. Wenn du selbst in das 
alternative Universum der anarchistischen Revolution einsteigst, wovon 
vieles noch nicht einmal existiert, riskierst du dein Leben für nichts 
wegzuwerfen. Wer weiß, vielleicht bist du besser dran, wenn du dein 
Leben wegschmeißt, während du eine Wand für den Boss einer Baufirma 
baust oder Webseiten für eine Software Firma programmierst oder im 
Elfenbeinturm ein Buch von Negri und Hardt liest, während du im Internet
 nach Nachrichten von sozialen Aufständen suchst, nach denen du selber 
verlangst. Vielleicht endest du auch so oder so damit, Mauern zu bauen 
und bereust es, nicht dein Privileg auf einen Abschluss und einen 
ruhigen Bürojob eingelöst zu haben – wenn du überhaupt jemals diese Wahl
 hattest.
Auf der anderen Seite, falls du Herausforderungen und die ungewissen 
Segnungen eines unvorhersehbaren Lebens genießt, dann ist immer noch 
Zeit dich uns hinter den Supermärkten oder Barrikaden anzuschließen. Es 
gibt genügend Gebäck zum Klauen und mehr als genügend Steine zum 
Schmeißen. Natürlich sieht Aussteigen für dich vielleicht anders aus als
 für uns – jede nach ihren Bedürfnissen, richtig? Alles was wirklich von
 Bedeutung ist, ist, dass wir alle tun, worauf es ankommt, um die 
Kontrolle über unsere Leben und das unbegrenzte Potential, das wir 
teilen, zurück zu erlangen.
Mit unseren Leben in unseren Händen, und mit Waffen, falls es drauf ankommt,
eure treuen ex-workers
1) Egal, dass alle Wege an dieser Gesellschaft teilzunehmen absolut 
bedeutungslos, gewaltsam und umweltzerstörerisch sind – du hast für 
deinen eigenen Weg zu zahlen, auch wenn das bedeutet, es auf Kosten von 
jemand anderem zu machen! Aussteigen ist unverantwortlich. 
Selbstzerstörerisch, eine Sünde, ein Betrug deiner armen Eltern, ein 
Schlag ins Gesicht der armen Schweine, die arbeiten müssen und eine 
Verletzung der Bewährungsbedingungen – und abgesehen davon ist sowieso 
kein anderer Lebensweg möglich, wie kommst du also dazu, zu träumen?
2) Über die letzten 10 Jahre war das CrimethInc Ex Workers' Collective das 
Ziel Nummer Eins der Verteidiger_innen der Arbeit; wir haben genügend 
Verleumdung und Spott ausgehalten, dass sogar die notorisch bösartige 
radikale Community Mitleid mit uns hat. Wir waren jedem vorstellbaren 
Argument gegen die Zurückweisung der Arbeit und des Konsumertums 
ausgesetzt. Seltsam genug, dass das niemanden von uns dazu bewegt hat, 
zurück n seinem Job als Tellerwäscher oder Pizzalieferantin zu gehen.
3) Das ist auf keinen Fall leicht, das kapitalistische System funktioniert 
genau deshalb, weil es andere Lebensentwürfe unmöglich macht – seien es 
die von Indigen@s oder unabhängigen Bäuer_innen, aber dafür sinddie 
schwarzen Masken, die Legal Support Kollektive und die internationale 
Solidarität da. Ob etwas möglich ist, finden wir raus, indem wir es 
versuchen – aber orthodoxe Klassenkampf-Revolutionär_innen, die nicht 
glauben, dass kleine Gruppen ihr Leben auf eine bedeutungsvolle Weise 
ändern können, können kaum behaupten, dass es einfacher ist, die ganze 
Gesellschaft auf einmal zu ändern.
4) das gilt auch für weite Teile Europas
5) Auch die, die behaupten an die Gesetze zu glauben und sich daran zu 
halten, wissen doch, dass sie die Ausnahme von der Regel sind – das 
erklärt z.B. die enorme Häufigkeit von gebrochenen Verkehrsregeln
6)1969 fingen die Black Panther,ausgehend von Oakland, damit an gratis Frühstück an Schulkinder aus den Armenvierteln zu verteilen
7) Hobos: Wanderarbeiter_innen in Nordamerika, zu Beginn des 20. Jhd., 
aufgrund der Wirtschaftskrise zogen tausende Arbeiter_innen auf Zügen 
trampend durch die USA, auf der Suche nach Gelegenheitsjobs
Industrial Workers of the World: 1905 in den USA gegründete radikale 
Gewerkschaft, hauptsächlich in den USA, UK und Australien aktiv, hat 
aber seit den 1950ern stark an Bedeutung verloren
Autonomia: soziale Bewegung in den 1970er Jahren in Italien. 
Student_innen, Arbeiter_innen u.v.m. formierten eine breite Bewegung 
gegen die traditionelle Politik, gegen die Arbeit und den Staat, die mit
 vielen Formen der Selbstorganisation und Gegenkultur einher ging.
8) Die gesamte D.I.Y. und undogmatische Politszene in den USA war/ist stark
 davon beeinflusst Dinge irgendwo gratis abzustauben, sei es durch 
Erschleichung, offenen Diebstahl oder sonst wie. Wenn also im 
Zusammenhang mit 'zines von photocopy scams geredet wird, dann ist 
wahrscheinlich die Möglichkeit, billig oder gratis seine 'zines zu 
kopieren, gemeint. Mehr dazu z.B. hier: 
http://www.drugsanddaydreams.net/ariotousdisarray/evasion.shtml („The 
late 90's and early 2000's diy punk scene seemed to exist on scams and 
secrets passed between forever-young kids with dirty clothes and squeaky
 bikes.“)


