Drei Mannheimer aus der linken Szene sollen einen NPD-Anhänger misshandelt haben / Opfer identifiziert Angeklagte „Das sind die Haupttäter“
Es ist keine gewöhnliche Verhandlung gestern vor dem Amtsgericht, das sieht man an den vielen Polizisten. Ein Dutzend von ihnen hat sich, mit Schlagstöcken bewaffnet, vor dem Gebäude positioniert. Drinnen auf den Fluren und direkt vor dem Gerichtssaal stehen weitere Beamte. Wer ins Gebäude will, muss durch den Metalldetektor und seine Tasche öffnen.
In dem kleinen Saal im ersten Stock müssen sich drei junge Männer verantworten. Sie gehören zur linken Szene. Der Anklagevorwurf: Bei einer NPD-Demonstration im August 2012 sollen sie unvermittelt auf einen Mann aus den Reihen der Rechten losgegangen und ihn geschlagen haben. So lange, bis er zu Boden ging. Immer wieder traten die Drei laut Anklageschrift auf ihr Opfer ein, auch gegen seinen Kopf. Als seine 26-jährige Begleiterin ihm zu Hilfe kam, soll einer der Drei auch ihr Fausthiebe verpasst haben.
"Anschließend hat einer der Angeklagten unkontrolliert ein Tierabwehrspray versprüht", verliest Staatsanwältin Katja Schremb die Anklage. Der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft: gefährliche Körperverletzung. Im Falle der Frau, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt, gehe man von "einfacher Körperverletzung" aus, sagt Schremb.
Zwei oder drei Beteiligte?
Wie 2012 bei der Demo haben beide Lager zur Verhandlung ihre Kräfte mobilisiert - wenn auch in überschaubarer Zahl. Schon vor dem Gerichtsgebäude kesselt die Polizei eine Gruppe linker Demonstranten ein, während zehn Prozessbesucher mit Glatze und Springerstiefeln von der Polizei eskortiert ins Gebäude gehen.
Andreas H. senkt den Blick, als das mutmaßliche Opfer den Zeugenstand betritt. Er soll dem 48-jährigen Reiner W. den ersten Schlag verpasst haben. Die Zeugen widersprechen sich, wenn es darum geht, aus welcher Richtung dieser erste Hieb kam. Dass er von dem 29-Jährigen, der im Karo-Hemd auf der Anklage-Bank sitzt, ausging, bestreitet aber niemand. "Diese Zwei, das sind die Haupttäter", sagt Reiner W. Er deutet auf Andreas H. und den Mann neben ihm. Sebastian H. verschränkt die Arme vor seiner Brust, hält den Blickkontakt - und schweigt. Die drei Angeklagten machen keine Angaben. Nicht zur Sache und auch nicht zu ihrer Person.
"Einer von denen hat mich als Nazi-Drecksschwein beschimpft", erinnert sich Reiner W. Wer, das weiß er nicht. Auch ob der dritte Angeklagte auf ihn eingeschlagen hat, kann er nicht genau sagen. Wie die anderen Zeugen. Manche bringen zwei, andere drei Täter ins Spiel.
Nur eine ist sich ganz sicher: Nebenklägerin Jennifer J. "Ich erkenne ihn auch wieder, zumindest von der Statur", sagt J. und spielt auf das feminine Aussehen des dritten Angeklagten an. "Wie meinen Sie das?", fragt der Vorsitzende Richter Holger Hamm. "Letztes Mal war er noch ein Kerl." Hamm sorgt für Ruhe im Gerichtssaal, verbietet sich Häme und Gelächter der Zuschauer aus der rechten Szene.
Das Verfahren verläuft schleppend. Nach eineinhalb Jahren ist die Erinnerung an den Tattag bei den meisten sichtlich verblasst. "Diesmal hat alles ziemlich lange gedauert, allein bis die Polizei die Akten vorgelegt hat", räumt Schremb auf Anfrage ein.
Immer wieder wird der Prozess wegen Befangenheitsanträgen der Verteidiger unterbrochen. Sie fordern einen anderen Richter. Hamm habe allein dadurch, dass er der Nebenklägerin "ohne erkennbaren Grund" Prozesskostenhilfe gewährt habe, seine Befangenheit demonstriert. Die Staatsanwältin widerspricht, weitere Anträge folgen. Wieder und wieder. Am kommenden Montag, wenn der Prozess weiter geht, soll darüber entschieden werden. Für die Polizei verläuft der erste Prozesstag indes relativ ruhig und "ohne Zwischenfälle". on
© Mannheimer Morgen, Donnerstag, 13.02.2014