Baskische Gefangene auf dem Rückzug

Demonstration 2013 für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen
Erstveröffentlicht: 
30.12.2013

Die Entscheidung ist der baskischen Gefangenen ist nicht unproblematisch und wird in der Baskischen Linken sicher nicht mit einstimmiger Begeisterung aufgenommen, bürgerliche Politiker/innen stimmen ihr vorsichtig zu: Das Kollektiv politischen Gefangenen EPPK hat (mehrheitlich) beschlossen, sich von der Forderung zu verabschieden, für die Entlassung der Gefangenen nur eine generelle, auf keinen Fall individuelle Lösungen akzeptieren zu wollen.

 

In einer über drei Monate dauernden und durch die Behörden behinderten Diskussion hat das Kollektiv der Gefangenen damit eines seiner strategischen Argumente aufgegeben. Argumentiert worden war (immer auch von der baskischen Linken), dass es für die Freilassung der ETA-Gefangenen einen generellen Marschplan geben müsse, ebenso wie in der Frage der Flüchtlinge, der in Verhandlungen mit der spanischen Regierung erreicht werden müsste. Die hat sich jedoch immer geweigert, in irgendwelche offizielle Verhandlungen einzutreten und stattdessen regelmäßig versichert, nur eine bedingungslose Waffenabgabe und Auflösungserklärung von ETA zu erwarten.

Das von einer der Sprecher/innen des Kollektivs per Video übermittelte und an die baskische Gesellschaft sowie alle Parteien und soziale Gruppen gerichtete Kommuniqué spricht nun von stufenweisem, zeitungleichem und individuellem Gang in die Freiheit, über die Zwischenstufe einer Verlegung in baskische Gefängnisse. Dafür werde die bestehende Justiz anerkannt, was implizit auch bedeutet, die von Sondergerichten verhängten Strafen zu akzeptieren, die in vielen Fällen auf unter Folter erzwungenen Geständnissen beruhen. Die Sprecherin Marixol Iparragirre übernimmt im Namen des Kollektivs die volle Verantwortung für die “politische Aktivität, die als Konsequenz des Konflikts Leiden und multilateralen Schaden verursacht hat“ – eine der Hauptforderungen der politischen Klasse von links bis rechts.

Die Erklärung ist auch eine positive Antwort auf die im ablaufenden Jahr vom international besetzten Sozial-Forum geforderten Schritte, die die Diskussion unter der Gefangenen veranlasst haben. Die Erklärung bekräftigt, dass in Zukunft auf demokratische Vorgehensweisen zurückgegriffen werden soll, um die Freiheit von Euskal Herria zu erreichen.

Der Präsident von SORTU, der neuen Partei der abertzalen Linken, hatte vor einer Woche bereits einen Umschwung angedeutet. In einem Interview sagte er, dass er zwar prinzipiell nach wie vor auf eine Amnestie hoffe, ihm jedoch bewusst sei, dass dies kaum erreichbar sei und er deshalb auf eine schrittweise Entlassung der Gefangenen setze – was das Kollektiv mit seiner Botschaft nun bestätigte.

EPPK ruft die alle baskischen Vertreter/innen dazu auf, einen breiten Konsens zu suchen, der die Heimkehr der politischen Gefangenen ermögliche. Festgestellt wird, die Situation in Gefängnissen habe sich nach dem erklärten Ende der bewaffneten Aktivität in keinster Weise verändert, im Gegenteil sei es punktuell sogar zu verschärfter Repression gegen die Gefangenen gekommen. “Wir sind Geiseln des spanischen und des französischen Staates, mittels der Gefängnis-Beamten sind wir ständig der Willkür des Knastsystems ausgesetzt, mit dem Ziel, uns, unsere Freunde und Familien zu zerstören“. Weiter wird festgestellt, dass der Konflikt politische Ursachen habe und somit eine politische Lösung erfordere, die die Ursachen mit in Betracht ziehe.

Die baskische PNV und die sozialdemokratische PSOE würdigten die Entscheidung von EPPK als positiv, wiesen jedoch gleichzeitig auf Defizite hin. Die baskische PP sprach vom Bla-Bla-Charakter der Erklärung, nur die Friedens-Organisation Lokarri und EH Bildu würdigten den Schritt als umfassend konstruktiv.

Die Reaktion der spanischen Regierung war entsprechend: sie fühle sich in ihrer kompromisslosen Haltung durch die Entscheidung des Gefangenen-Kollektivs bestätigt und werde ihren Kurs wie bisher weiter verfolgen, also fortgesetzte Blockade des Normalisierungs-Prozesses.

Was die Vorschläge des Sozial-Forums betrifft, bliebe nunmehr nur die Frage der Entwaffnung und Auflösung der militärischen Strukturen von ETA, die in jedem Fall unter internationaler Aufsicht vor sich gehen müsse. Auch das lehnt Madrid ab: Einmischung in innere Angelegenheiten. (Red.Baskinfo)

Massenmobilisierung

Das Jahr 2014 wird im Baskenland mit einer erneuten Massen-Mobilisierung für die baskischen politischen Gefangenen beginnen. Für den kommenden 11.Januar kann allerdings nicht die Gefangenen-Hilfs-Organisation HERRIRA zum Straßengang aufrufen, wie dies in den vergangenen Jahren der Fall war. In einem erneuten repressiven Schachzug wurde HERRIRA im September verboten, ihre Lokale geschlossen. Doch das Baskenland wäre nicht Baskenland, wenn eine Illegalisierung allein eine Mobilisierung verhindern könnte, zu der in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100.000 Personen aus allen Teilen des Baskenlands, aber auch aus Kantabrien, Asturien, Kastilien, Madrid und Katalonien anreisten, um die Forderungen zu unterstützen, dass die baskischen politischen Gefangenen endlich ins Baskenland gebracht werden müssen und die kranken Gefangenen sofort entlassen werden. Eine weitere Forderung der letzten Jahre, die Aufhebung der sog. Parot-Doktrin (die illegale Haftverlängerung bis zu 30 Jahren), ist glücklicherweise hinfällig geworden, nachdem der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof die Maßnahme für illegal erklärt wurde. Nur wenige betroffene Gefangene warten noch auf ihre Freilassung. Aufgerufen hat die neugegründete Initiative TANTAZ TANTA (Tropfen für Tropfen). (Red.Baskinfo)