Interview über den Anarchismus in Chile

Symbolbild Diskussionen

Interview über den Anarchismus in Chile mit einem Genossen des Blogs materialanarquista.espiv.net bezugnehmend auf den Text: „Über die Kämpfe in Santiago – September 2013“. Dieser Text wurde teilweise stark kritisiert, weil er die anarchistische Bewegung in Chile nicht korrekt darstellen würde. Das Interview ist eine Übersetzung aus dem Spanischen von argentina.indymedia.org.

 

Frage: „Was bedeutet der 11.September für die anarchistische Bewegung in Chile?“


Material anarquista: Um ein Verständnis darüber zu erlangen, ist es notwendig zu verstehen, dass all dies eine individuelle Sicht ist und von jedem anders gesehen werden kann, der das möchte.

Das bedeutende dieses Datums für einige AnarchistInnen ist, dass es der Beginn einer Periode ist, in welcher der Staat, angeführt von Pinochet, anfing offen und ohne Verheimlichung zu Morden, zu Foltern und Verschwinden zu lassen gegen die ungehörigen Gedanken, die sich auf die eine oder andere Weise gemacht wurden um das eigene politische und ökonomische Projekt einzubringen, seien es AnhängerInnen Allendes oder seine Feinde.

Aber es ist wichtig klar zu stellen, dass es sich nicht um ein Datum handelt, an welchem wir uns daran erinnern, dass sich eine sozialdemokratische Regierung dekorierte oder an den institutionellen Zusammenbruch der Struktur des Staates, sondern an alle KämpferInnen und KriegerInnen, die vor dem Hintergrund einer Diktatur kämpften und besonders an diejenigen Personen, die davon ausgingen den Kampf gegen Pinochet und seine Lakaien weiter voranzutreiben.

Außerdem lässt sich argumentieren und sagen, dass wir am 11.September kämpfen um mit der alltäglichen Logik des Kapitals zu brechen, und mit in diesem Fall, den friedlichen Protestformen unter den Vorgaben unserer Feinde. Jedes Datum ist für uns die beste Begrüdung um die Auseinandersetzungen zu verschärfen und unsere Aktionen und Diskurse zu zuspitzen gegen jede Autorität, weil die Logik der Verfolgung, Gefangennahme, Folter, Verschwindenlassen und Mord bis heute gegenwärtig ist, was tatsächlich den sozialen Krieg widerspiegelt, in dem wir uns befinden. Beispiele dafür sind bestimmte Handlungen des Staates bei bestimmten Konstrukten (Caso Bombas, Caso Security, Kampf der Mapuche, José Huenante).“


F: „Welchen Einfluss hatte die anarchistische Bewegung in Santiago auf das Gedenken in diesem Jahr, auf die Demonstrationen und anderen Ereignisse?“


MA: „Ich weiß nicht ob man von Einfluss sprechen kann. Sie müsste sich auf einem „Niveau“ in den antiautoritären Kampf in Chile einbringen, dass sie in den sozialen Bewegungen oder Massen nicht hat und von dem ich nicht weiß, ob es wirklich die Priorität oder unser Interesse haben muss. Sie nimmt in aktiver Weise am Straßenkampf der Demonstrationen teil, genauso in den verschiedenen Poblaciones am Stadtrand, die eine Tradition des Kampfes haben und das Kapital und die Autoritäten der Regierung bekämpfen, unabhängig wer sich an der Macht befindet.“


F: „Weil sie an diesen Orten leben?“


MA: „Weil sie in diesen Orten leben oder weil es (all) tägliche Arbeit außerhalb diesen Datums in diesen Räumen gibt... Aber um von Einfluss an diesem Datum zu sprechen, wir können uns nicht in diese Verantwortung stürzen und ich glaube, dass uns das auch nicht interessiert....“


F: „Ganz allgemein, ist die Demonstration zum Friedhof wichtig?“


MA: „Sie ist wichtig, schon weil sie an den zentralen Orten der Hauptstadt vorbeigeht. Außerdem weil die Anzahl der teilnehmende Personen sie zu einem Ort machen, wo sich der Konflikt und die Übereinstimmung der antiautoritären Ideen mit der Praxis entwickeln lassen, unabhängig von der Art wie sich Spannung und Auseinandersetzung der Ideen realisieren.“


F: „Aber es gibt auch andere, die am Straßenkampf teilnehmen und die keine Anarchisten sind...“


MA: „Natürlich, zu glauben oder zu versichern, dass die, die am Straßenkampf teilnehmen nur die AnarchistInnen sind, ist ein Fehler. Es gibt verschiedene Strömungen, Nihilisten, marxistische Gruppen mit revolutionärer Ausrichtung, Trotzkisten, Situationisten oder einfach Individuen ohne eine soziale Vorstellung oder politische Grundlage einer Theorie, sondern lediglich welche, die unzufrieden mit der Realität sind, in der sie in der Gesellschaft versunken sind.“


F: „Gab es Diskussionen dieses Jahr um die Ausschreitungen vor dem Friedhof, die dazu führten, dass die Bullen mit guanaco (Wasserwerfer) und zorillo (gepanzerter Gas-Jeep) in den Friedhof einrückten?“


MA: „Mir sind keine Diskussionen bekannt über die Auseinandersetzungen vor oder auf dem Zentralfriedhof, da die Repression und der Druck durch die Polizei immer existiert hat während der Demonstrationen und wir uns auch nicht aus der Opferperspektive gegenüber dem Angriff des Staates oder durch die Lakaien des Kapitals sehen. Das ist die Kultur der Autoritäten, aber es existiert immer die Auseinandersetzung und die Diskussion wie die militanten Gruppen der kommunistischen Partei die Rolle der Polizei übernehmen, sich gegen die verschiedenen Leute stellend, die sich mit der Polizei auseinandersetzen. Die Kommunistische Partei verteidigt die Interessen von Kapital und Staat und schweigt, wie die Plataformistas, zu diesen Vorgängen.“


F: „Aber sie kritisieren die Ausschreitungen grundsätzlich nicht?“


MA: „Sie kritisieren die Vermummten an sich, ihnen gefällt nicht die Gewalt. Und für die Kommunistische Partei und die Gesellschaft allgemein, ist jeder Vermummte ein Anarchist. Darum sind hier die Anarchisten die Todfeinde der Kommunistischen Partei, das ist zumindest meine individuelle Wahrnehmung.“


F: „Kannst du uns sagen, wie die Beziehungen zwischen Anarchisten und marxistischen Gruppen wie der MIR oder anderen sind? Ob sie gemeinsame Sachen machen, ob sie befreundet sind, ob sie sich zusammen vor Demonstrationen koordinieren, etc...“


MA: „Hier handeln auf Demonstrationen alle für sich, aber man weiß wie jemand sich dazu verhält oder ob du zu einer Richtung gehörst, die gegen die Polizei kämpft und egal ob du marxistisch bist und ich anarchistisch, kämpfen wir gemeinsam, wir lassen nicht zu, dass sie uns angehen und festnehmen. Aber gegenwärtig arbeiten alle auf den Demonstrationen für sich alleine, jeder mit seiner Bezugsgruppe, es sind kleine Gruppen und kein geschlossener Block der zuschlägt. Es sind kleine Gruppen, die sich am gleichen Ort zusammenfinden und im selben Moment gegen die Polizei vorgehen, aber jeder einzelne arbeitet für sich in seiner Gruppe und sie verschwinden auch getrennt. Sie koordinieren sich vorher nicht und jeder bringt seine eigenen Sachen mit.“


F: „Aber gibt es außerhalb der Demonstrationen Verbindungen zwischen Anarchisten und diesen marxistischen Gruppen?“


MA: „Außerhalb der Demonstrationen wiederholt sich die gleiche Logik, bekannt sind Gebiete wo die Kommunistische Partei oder jene, die versuchen irgendeine/nen Genossen/in zu verhaften, nicht zulassen werden, dass etwas unabhängiges von ihrer politischen Richtung passiert, aber von Verbindungen zu sprechen trifft es nicht, schon weil es nicht existiert.“


F: „Kannst du genauer sein?“


MA: „Bei Protesten arbeitet man getrennt aber in den Poblaciones existieren Koordinationen damit Leute nicht in Haft bleiben, weil es viel leichter ist Leute in Haft zu nehmen, die in Poblaciones verhaftet werden als jene von den Demonstrationen. Dieses Jahr haben sie in der Nacht des 11.September in Villa Francia 32 Personen festgenommen von denen 14 drin blieben unter dem Vorwurf Brandbomben besessen zu haben, während es gegen 28 den Vorwurf Widerstand gibt. Am 21.September hat das Berufungsgericht Hausarrest für die 14 während der Ermittlungen verhängt.“


F: „Aber gibt es Anarchisten, die Kontakt zur MIR oder anderen Gruppen suchen?“


MA: „Natürlich haben wir im Alltag Kontakt, aber das man zusammenarbeitet, nein, was es gibt sind Verbindungen auf individuellem Niveau unter Bekannten, Freundschaften, aber nicht mehr als das...“


F: „Wie verbreiten Anarchisten Informationen vor einem Ereignis, wie machen sie Propaganda im allgemeinen?“


MA: „Die sozialen Proteste werden auf der Ebene von schriftlicher Propaganda kommuniziert und sie sind einberufen von den marxistischen Organisationen oder NGOs, sowie am ersten Mai die CUT (Central Unitaria de Trabajadores) aufruft, ruft jede einzelne Gruppe auf..

Die anarchistischen Aktivitäten werden über Internetseiten mitgeteilt, wie zum Beispiel Material Anarsquista, Hommodolars, Viva la Anarquía oder zu einem Zeitpunkt Liberación Total.“


F: „Aber das sind meistens Konzerte, Partys...“


MA: „Ja, und Aktionen für die Gefangenen.“


F: „Aber nicht für die Demonstrationen...“


MA: „Demonstrationen kündigen sie auch an, aber es kommt drauf an für was. Demonstrationen so wie Events für die Gefangenen, der Caso Security, zwischenzeitlich war es der Caso Bombas, Solidaritätsveranstaltungen für die Gefangenen oder für Tierbefreiungen...“


F: „Und was denken die Leute, wie sich Informationen verbreiten lassen?“


MA: „Sieh mal, wenn es um Treffen geht, macht man das über Internetseiten, genauso wie Proteste mit den Gefangenen. Veranstaltungen wie die Buchmesse, Ankündigungen für Aktivitäten in Squats werden auch noch über Graffiti verbreitet. Die Anarchisten nutzen heute sehr viel das Internet und gerade besonders Facebook. Der Einfluss von Facebook ist hier sehr stark und deshalb haben sich Seiten für Aktivitäten gebildet und einige Seiten für Gegeninformation haben einen Teil, der sich nur anarchistischen Aktionen widmet.

Aber Demonstrationen wie die der Schüler oder der Arbeiter, die werden nicht von den Anarchisten angekündigt, man erscheint dort nur spontan um in der Form teilzunehmen, die wir immer praktiziert haben, vor allem bei Straßenprotesten, etc...“


F: „Was denkst du über den Gebrauch von Facebook oder Twitter zum Mobilisieren, Verbreiten von Informationen allgemein?“


MA: „Es gefällt mir wirklich nicht, dass Facebook für Ankündigungen benutzt wird, weil es aus Sicherheitsgründen ziemlich gefährlich für die Leute ist. Aber leider benutzt auch die Mehrheit der Anarchisten hier Facebook und die Leute erwarten dort Informationen zu erreichen. Und dann bleiben dir zum Verbreiten von Sachen keine anderen Möglichkeiten, weil nur wenige Leute bleiben, die Gegeninformationsblogs beachten. Wenige Leute checken diese Seiten so regelmäßig wie sie Facebook besuchen.“


F: „Weiß man hier, dass in Spanien Leute verhaftet wurden wegen Facebook? (Die 5 von Barcelona)“


MA: „Sehr wenige wissen das und ich weiß nicht ob sie die reale Bedeutung erkennen, von dem was in diesem Fall abgelaufen ist. Hier existiert ein Vertrauen in die Nutzung von Facebook, überhaupt in die Kommunikation durch Internet und man eignet sich keine Sicherheitsinstrumente an, wie TOR, Riseup, jabber etc, dieser Zusammenhang wird nur von den Admins der (Gegeninformations) Blogs verfolgt.“


F: „Aber dieser Junge, der von der PDI (Kriminalpolizei) im Mai entführt und gezwungen wurde ihnen Zugang zu seinem Facebook Account zu ermöglichen?“

 

MA: „Ja...aber die Leute sehen nicht das Risiko, dass es mit Facebook gibt. Obwohl es Leute gibt, die das klar haben, erkennt die Mehrheit nicht das Risiko, Facebook zu haben, wo sie anarchistische Sachen publizieren.“


F: „Aber ist die Nutzung von Flyern, Postern und Versammlungen wichtig oder nicht in der anarchistischen Bewegung?“


MA: „Die sind wichtig, aber es hängt vom Bereich ab. Im Zentrum Santiagos ist das mehr verbreitet, man sieht das eher, aber in den Randgebieten wird mehr Internet benutzt weil der Raum zu weitläufig ist, um überall Informationen anzubringen und die Leute denken, dass es gefährlicher ist ein Plakat aufzuhängen als die Information über Facebook zu verschicken. Es gab nämlich Verhaftungen wegen dem 29.März und 11.September für das Anbringen an Bushalten von Aufrufen auf die Straße zum Revoltieren zu gehen.“


F: „Gibt es Verbindungen zwischen Anarchisten und dem Kampf in den Poblaciones?“


MA: „Ja, es gibt Verbindungen. Es gibt Leute, die am Aufbau von Bibliotheken arbeiten oder mit Kindern. Es gibt auch Anarchisten, die Gemüsegärten anlegen oder unabhängige Einrichtungen für Frauen betreiben und Radios, wie Radio Furia, Kontrababylon...“


F: „Wie hat der Caso Bombas die anarchistische Bewegung in Santiago beeinflusst?“


MA: „Es lassen sich einige Lehren daraus ziehen. Eine ist, dass der Caso Bombas die anarchistische Bewegung klar geschwächt hat. Vor dem Caso Bombas war die anarchistische Bewegung im Wachstum, sie erreichte mehr Leute, aber danach zogen sich viele Leute aus der Bewegung zurück, aus Angst verhaftet zu werden und ein Teil der Leute zog es vor, ihre Positionierung und Einstellung zur antiautoritären Idee beizubehalten aber beschloss aus dem mehr sozialen oder sichtbaren Spektrum des Anarchismus in den besetzten Häusern zu verschwinden und auf weniger sichtbare Weise zu arbeiten. Und der Caso Bombas atomisierte noch mehr die anarchistische Bewegung, so dass mehr noch auf dem Niveau von Affinität und Vertrauen gearbeitet wird, sicherer wissend, wer neben dir ist, weil es Fälle gibt wie el Grillo (ein Spitzel), der nicht zur anarchistischen Bewegung gehörte, aber die antiautoritären Räume frequentierte. El Grillo belastete GenossInnen und war damit ein fundamentaler Teil des Konstrukts Caso Bombas, außerdem erstach er eine Genossin und verkaufte Drogen.“


F: „Denkst du, dass eine anarchistische Infrastruktur in Santiago fehlt, wie Orte um sich zu treffen und Zeit zu verbringen, Bars, oder auch Orte draußen, wo man immer GenossInnen finden kann?“


MA: „Ja, es fehlen Räume. Es existieren hier Projekte, die sich nicht als anarchistisch bezeichnen aber wo die Anarchisten sich beteiligen, wie z.B. Emporio Raices, was ein veganes Cafe war und wo auch vegane und anarchistische Sachen verkauft wurden. Aber es fehlen Räume außerhalb der Squats. Die Squats werden nicht von allen Leuten betreten, weil sie von draußen auf verschiedene Weise wahrgenommen werden, sei es unter der Bezeichnung Plataformistas, Insurrectionalisten oder Veranstaltungsort für Partys.“


F: „Also fehlen mehr Orte wo sich unterschiedliche Leute treffen können?“


MA: „Genau, es fehlen Räume, die nicht unter diese Kategorien fallen, sei es Plataforma oder insurrektionalistisch, es fehlen welche, wo die Anarchisten zusammenkommen. Und für mich ist einer, der sich als Anarchist oder antiautoritär bezeichnet, jemand der den Kampf gegen Knäste unterstützt, der die Autorität des Staates zerstören will, wer nicht an das Patriarchiat oder eine der tausenden Formen der autoritären Idee glaubt. Weil beim Caso Bombas die Anarchisten, die an den antiautoritären Kämpfen festhielten, zusammen arbeiteten um die verschiedenen Formen zu unterstützen, an den Protesten teilzunehmen... Gut, nicht die Plataformistas, die für mich weder GenossInnen noch Anarchisten sind, die sich nicht mit den Caso Bombas solidarisieren. Aber das Problem auf dem chilenischen Gebiet auf Seite der anarchistischen Bewegung ist, sie wird immer angetrieben durch den Mangel an Raum und das sie sich nur in in wichtigen Momenten eint, wenn es Verhaftungen oder ähnliches gibt.“


F: „Also es fehlt Raum außerhalb von Momenten der Repression, ist es das?“


MA: „Außerhalb von Momenten der Repression und allgemein außerhalb von Aktivitäten, sondern schlicht und einfach ein sozialer Ort, wo Leute zum Unterhalten kommen können.“


F: „Und allgemein, fühlen die Leute die Notwendigkeit, Viertel oder Straßen zu haben, wo sich Orte und antiautoritäre Menschen konzentrieren, wie man das in Städten wie Berlin oder Athen sehen kann? Spricht man davon sich Straßen anzueignen oder an einigen Orten sichtbarer zu sein oder ist es schwierig Zeit auf der Straße zu verbringen?“


MA: „Ich weiß nicht ob es für unsere Leute eine Bedeutung hat, so einen Raum zu nutzen. Weil hier verfolgt man die Anarchisten, auch sozial, weil die Medien den Eindruck verbreitet haben, dass die Anarchisten Bomben legen und vermummt unterwegs sind.“


F: „Erscheint es dir unsicher solche Orte zu haben?“


MA: „Auf der Straße, ja, wenn es solche Orte geben würde, würde es Verfolgung geben. Aber die Leute haben auch andere Projekte, um Solidarität mit den Gefangenen zu organisieren, auch gibt es das Umfeld der Tierbefreiung und was jeder so auf seine Art und Weise macht, und das ist wichtig. Für mich ist es wichtiger, dass die Solidarität mit den Gefangenen existiert als einen öffentlichen Raum zu haben. Und ich glaube das es heutzutage einen Grund gibt, warum keine Räume für Zusammenkünfte existieren. Es wird sich zeigen ob ein Bedarf besteht und man hat dafür auch den Buchladen Flora Sanhueza aufgebaut und es gibt Bibliotheken, wie Santa Geronimo Caserio, Sacco Vanzetti, La Hiedra....“


F: „Welche Art von Verbindung haben Anarchisten mit der Bildungsbewegung? (Universitäten und Schulen)“


MA: „Das sind zwei unterschiedliche Szenarien. Die Studentenbewegung taucht zu den Protesten auf und wenn es Zeit ist sich mit der Polizei auseinanderzusetzen, gibt es eine starke Beteiligung der Anarchisten. Aber momentan hat der Anarchismus eine stärkere Beteiligung an der Bewegung der Schüler, wo der anarchistische Diskurs mehr Gewicht hat.“


F: „Aber mir erscheint es nicht so, das es viel Austausch zwischen Schülern und den anderen Anarchisten gibt, beispielsweise bei den Aktivitäten in den Squats und anderen Orte sehe ich nicht viele Schüler.“


MA: „Gut, es gibt eine Kommunikation mit ihnen, aber nicht so das die andere Anarchisten heimlich oder als Avantgarde dahin gehen, aber es gibt gemeinsame Aktivitäten.“


F: „Die letzte Frage ist über den Text http://www.abc-berlin.net/weder-vergessen-noch-zeremonie-gegen-den-totenkult . Was denkst du über die Kritik, die dieser Text über die angebliche Heiligsprechung einiger getöteter Genossen macht, die zu Helden gemacht würden?“



MA: „Diesen Text betreffend, hat mich die erste Lektüre geärgert und ich kann ihn nicht verstehen und teilen. Ich glaube nicht, dass ein im Kampf getöteter Genosse ikonisiert werden muss um eine neue Referenz an den Anarchismus oder einen neuen Held zu generieren. Ich denke ehrlich, dass leider gelegentlich Genossen darin verfallen, aber auch während Aktionen, die dort treffen sollen wo es am meisten schadet und einen Konflikt im Alltag dieser Gesellschaft kreieren. Die Tatsache, dass sich Genossen in einem Bekennerschreiben auf jemand beziehen, in diesem Fall Mauri, stört mich nicht, weil ich darauf vertraue das jede/r Schwester/Bruder, die/der sich in der Offensive gegen die Autorität erklärt und die totale Freiheit sucht, ihn nicht als Ikone oder Held sieht, sondern als Bruder, der fehlt weil sich seine Ladung nicht beherrschen ließ. Es ist nicht leicht, besonders in dieser Gegend, einen Bruder zu verlieren, mit dem wir jeden Tag geteilt haben. Dabei sehend, dass im Anarchismus diese Art der Offensive inzwischen wieder ein Werkzeug zum Kämpfen geworden ist. Und wir sind eine Generation, die zur Kenntnis nimmt, was andere Genossen in der Vergangenheit gemacht haben, aber es ist was anderes wenn es jemand ist, mit dem du etwas geteilt hast und nicht jemand, den du nur aus einem Buch kennst.


Ich finde diese Kritiken zulässig, aber ich weiß nicht ob es irgendeine kurzgefasste Antwort darauf gibt oder ob sich der Gedanke durchsetzen sollte. Wobei wir auf die Individualität zählen und jede/r einzelne muss sehen wie sie/er mit dem Verlust eines Bruders umgeht. Die Kritiken müssen die innere Reflektion jedes einzelnen beachten, aber zuerst die des Verfassers des Artikels.

Zumindest als Website finden wir es nötig, an den Jahrestag von einem Bruder zu erinnern, der im Kampf gestorben ist, aber auch im Alltag in einer Erklärung oder in unseren Leben; und ich bestehe darauf das wir kritisieren können, aber wir müssen vorsichtig sein, unsere individueller Sicht über

den Umgang der Masse damit nicht zu verallgemeinern.

Diese Kritiken lassen mich über die Unterschiede und endlosen Querelen, die in verschiedenen anarchistischen Spektren vorhanden sind, nachdenken, aber hoffentlich werden sie nicht zur autoritären Tönung des anarchistischen Aktivisten in seinem Blick auf den Kampf, wie es bei den Kritiken passierte, die Federico Buono an den Genossen Stefano Fosco richtete, wo ein Genosse/eine Genossin hinterfragt wird, wenn er/sie mit einer bestimmten Situation konfrontiert ist. Ich glaube ernsthaft, dass durch Publikationen im Internet – und wenn man den Moment betrachtet in dem diese Kritiken vorgebracht wurden -- dann sind sie nicht angemessen, und es stört uns sehr wenn ein Genosse/eine Genossin auf diese Weise kritisiert wird, der/die nicht für nichts im Knast ist, sondern weil er/sie Anarchist/in und Feind/in des Knastes ist. Aus diesem Grund denke ich, dass es notwendig ist, sich die Kritiken, die gemacht wurden, wer diese macht und mit welcher Absicht, bewusst zu machen.“

F: „Spricht man in der anarchistischen Bewegung hier über das was in Europa passiert?“


MA: „Ja, man spricht über Europa, was in Frankreich passiert ist und in vor allem in Griechenland. Was in Italien passiert, besonders über die Repressionsfälle. Man spricht über das was in Griechenland abgeht an Aktionen, über die verschiedenen Räume und die Stärke, die sie dort haben können und über die Erfahrungen, die aus den ganzen Kämpfen dort gewonnen werden können. Wie es schon in der vorherigen Antwort gesagt wurde über die Diskussionen in Italien und besonders was mit den GenossInnen von Culmine passiert ist.

Also was man über Europa spricht, ist das der Kampf dort weitergeht trotz der Schläge von Staat und Kapital und natürlich ist es die gleiche Motivation, die man im antiautoritären Kampf der unterschiedlichen Regionen Europas sieht, die hier in Südamerika die Kämpfe antreibt.“